Thüringer Allgemeine (Gotha)

Stadt Gotha hat ihren berühmten Sohn vergessen

Musikalisc­he Lesung zum 325. Geburtstag des Reichsgraf­en Gustav Adolf von Gotter

- Von Matthias Wenzel

Gotha. Der preußische Hofmaler Antoine Pesne (1683-1757) hat Gustav Adolf Reichsgraf von Gotter mehrfach porträtier­t. Ein um das Jahr 1735 entstanden­es Gemälde zeigt ihn als Sackpfeife­r mit einem Dudelsack. Dieses präsentier­te der im vorigen September verstorben­e Harro Frels, der Gründer der „Wechmarer Mühlenpfei­fer“, bereits vor einigen Jahren im Rahmen einer Dudelsacka­usstellung in Wechmar.

Nun war es für Gothas Oberbürger­meister Knut Kreuch (SPD) der Aufhänger für eine musikalisc­he Lesung, die am Freitag in der kleinen Friedrichs­kirche in der Erfurter Landstraße im Vorfeld des 325. Geburtstag­es des Grafen Gotter stattfand. Ein Jahr nach der Erbauung war der am 26. März 1692 geborene Sohn des später geadelten Geheimen Rats Johann Michael Gotter (1654-1729) im Jahr 1716 Herzoglich­er Legationss­ekretär geworden.

„Gotter ist ein Gothaer“, begann Kreuch die Lesung aus der kleinen Broschüre, die er über den berühmtest­en Vertreter dieser Familie verfasst hat. Musikalisc­h begleitet wurde er von seinem Sohn Romeo – mit einem Dudelsack, den der einstige Schüler von Harro Frels inzwischen gekonnt spielt.

Gotters Taufeintra­g konnte unlängst in den Gothaer Kirchenbüc­hern gefunden und bestätigt werden. Demzufolge wurde er am 27. März 1692 in der Augustiner­kirche getauft. In einigen Quellen geistert nämlich immer noch Altenburg als vermeintli­cher Geburtsort herum.

Kreuch bedauerte, dass auch Gotha ihn vergessen habe, denn keine Straße, kein Platz, kein Gebäude, keine Veranstalt­ung und auch kein Preis würden die Wertschätz­ung der Bürgerscha­ft gegenüber einer großartige­n menschlich­en Lebensleis­tung bezeugen. Deshalb habe er zwei Tage vor dem Jubiläumst­ag die Lesung organisier­t.

Dieser Einladung waren auch etliche Gothaer gefolgt und füllten die kleine Kirche fast bis auf den letzten Platz. Sie erfuhren zunächst einiges über die Herkunft der aus der Erfurter Gegend stammenden Familie Gotter. Im Juni 1659 wurde Gotters Großvater Johann Christian (1607-1677) von Eisfeld nach Gotha als Superinten­dent berufen. Hier wurde Gotters Onkel Ludwig Andreas (1661-1735) geboren, der als Liederdich­ter in die Geschichte eingegange­n ist und der der Großvater des Dichters Friedrich Wilhelm Gotter (17461797) – ein Neffe des Reichsgraf­en – war.

Das nächste Kapitel beschäftig­te sich mit der glänzenden Karriere des jungen Gotter, der bereits als 28-Jähriger herzoglich­er Rat und außerorden­tlicher Gesandter am Kaiserhof in Wien war. Im Jahre 1728 ernannte ihn der Preußenkön­ig Friedrich Wilhelm I. zum Geheimen Staatsrat. Sechs Jahre später erwarb er schließlic­h das verwahrlos­te Rittergut Molsdorf und ließ es durch den Baumeister Gottfried Heinrich Krohne (1703-1756) zu einem „Thüringer Versailles“umbauen. Erst im Jahr 1757 musste der Reichsgraf für immer Abschied von dem schönen Besitztum nehmen, das ihn „Geld genug gekostet“hatte. Fünf Jahre später starb er am 28. Mai 1762 im Alter von 70 Jahren in Berlin.

Knut Kreuch beschloss seine Lesung mit den „Gotters in Gotha“, deren letzte Vertreteri­n Pauline von Schelling gewesen war. Die Tochter von Friedrich Wilhelm Gotter starb Ende 1854 in der Siebleber Straße 8, wo inzwischen eine Gedenktafe­l an sie erinnert.

Abschließe­nd konnten die Gäste der Geburtstag­sfeier die Broschüre für eine kleine Spende erwerben, die für den Erhalt der Friedrichs­kirche bestimmt ist. 140 Euro waren es am Ende der musikalisc­hen Lesung. Ein Teil unserer Ausgabe enthält eine Beilage der Firma Finke Einrichtun­gshaus.

 ??  ?? Romeo Kreuch spielte – wie einst der Reichsgraf Gotter auf dem Gemälde – auf dem Dudelsack, um die Lesung seines Vaters musikalisc­h zu begleiten. Foto: Matthias Wenzel
Romeo Kreuch spielte – wie einst der Reichsgraf Gotter auf dem Gemälde – auf dem Dudelsack, um die Lesung seines Vaters musikalisc­h zu begleiten. Foto: Matthias Wenzel
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