Das verschwundene Kriegerdenkmal
G G L Monument erinnerte an 3500 tote Soldaten des hiesigen Regiments. Es stilisierte sie als standhafte Helden
Gotha. Vor 90 Jahren wurde im Rosengarten zwischen Schloss Friedenstein und dem Museumsgebäude (Herzogliches Museum) das Kriegerdenkmal für das „6. Thüringische Infanterie-regiment Nr. 95“eingeweiht. Es ehrte die im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten.
Schon seit August 1914 kämpften gothaische Soldaten an den Fronten des Ersten Weltkrieges. Zuletzt an der Westfront. Auch sie waren erleichtert, als am 10. November 1918 der Waffenstillstand ausgerufen wurde und am 13. November der Rückmarsch über Brüssel und Lüttich begann. Das Regiment traf am 16. Dezember in Gotha ein. Die Kämpfer kamen in eine Heimat, die damals nicht gerade friedlich war. Die revolutionären Ereignisse hatten auch das Gothaer Land ergriffen, der Landesfürst musste abdanken, und der Arbeiter- und Soldatenrat übernahm die Regierung.
In den 52 Kriegsmonaten waren im Verband des „6. Thüringischen Infanterie-regiments Nr. 95“über 3500 Männer gefallen. Denen sollte ein angemessenes Denkmal errichtet werden.
1920 hatte sich ein Denkmalausschuss gebildet, der bestrebt war, dieses auf dem Myconiusplatz zu errichten. Doch die Inflation verschlang den durch Spenden geschaffenen finanziellen Grundstock. Es schien, als sollte gerade Gotha ohne Denkmal für die Weltkriegs-soldaten bleiben. Denn noch waren die völkisch-nationalen Kräfte nicht in der Mehrheit.
1925 kamen dann Veteranen im Gasthof „Zur Rosenau“auf dem Hauptmarkt zusammen und bildeten einen neuen Ausschuss zur Schaffung eines Denkmals. Oskar Franke wurde mit dem Vorsitz betraut. Zu den Mitgliedern gehörten die Majore Caesar und Gröbedinkel sowie die Kameraden Guthaus, Orschel, Maasberg, Zeitz, Kohlstock und Kurzweil. Einige von ihnen waren bekannte Gothaer. Besondere Schwierigkeiten erwuchsen aus der Tatsache, dass es neben diesem Denkmalausschuss zwei andere Gruppierungen gab, die ein Kriegerdenkmal errichten wollten. Dem Oberbürgermeister Dr. Scheffler ist es dann gelungen, alle unter einen Hut zu bringen. Trotzdem mussten viele Schwierigkeiten überwunden werden. Beispielsweise die Platzfrage, die während eines Regimentsfestes in Coburg entschieden wurde. Herzog Carl Eduard stellte währenddessen die sogenannte „Reitbahn“gegenüber dem Museum dafür zur freien Verfügung.
Nun, als der Standort feststand, setzte enorme Sammeltätigkeit ein. Sammelbüchsen wurden in Geschäften aufgestellt, Denkmalbausteine in Gestalt von Karten und Bildern vertrieben, Wohltätigkeitskonzerte veranstaltet sowie Haus- und Straßensammlungen vorgenommen. Groschenweise wurde der Grundstock geschaffen und ein Konto bei der Stadtsparbank eröffnet. Bald verfügte man über 8000 Reichsmark.
Nun gingen auch zahlreiche Angebote von Künstlern ein. Fünf namhafte Künstler, darunter zwei Gothaer, sandten 18 Entwürfe und Modelle ein. Sie wurden im Februar 1926 drei Wochen lang in der Hirschgalerie des Schlosses Friedenstein der Öffentlichkeit vorgestellt. Den Zuschlag erhielt das Motiv „Ein 95er in Wachuniform auf Posten.“Der Schöpfer war der akademisch ausgebildete Bildhauer Hans Dammann (18671942) aus Berlin.
Dammann war der Sohn eines Professors für Tierheilkunde. Von 1885 an besuchte er die Technische Hochschule Hannover. Im Oktober 1888 wechselte er an die Königliche Akademie der Künste in Berlin. Ab 1895 arbeitete er als selbstständiger Bildhauer und schuf in der Folgezeit etwa 130 Grabdenkmäler, darunter etliche monumentale Grabbauten. Für diese Leistung zeichnete ihn 1914 Kaiser Wilhelm II. mit dem Titel Professor aus.
Da Dammann Reserveoffizier war, wurde er gleich zu Beginn des Weltkrieges eingezogen. Schon nach wenigen Wochen kehrte der Hauptmann der Reserve Bildhauer Hans Dammann aus Berlin, der Schöpfer des Denkmals, als strammer Offizier.
verwundet nach Hause zurück. Er erweiterte nun sein bildhauerisches Schaffen mit Soldatengrabund Denkmälern. Seine Arbeiten fanden auch in der Weimarer Republik Verwendung. Seit 1922 schuf er fast ausschließlich Kriegerdenkmäler, von denen derzeit etwa noch siebzig nachweisbar sind.
Schon im Spätsommer 1926 begannen Ausschachtungsarbeiten und Sockelbau für das Denkmal durch Maurermeister Karl Noth. Am Sonntag, 31. Oktober, fand die Grundsteinlegung statt. In einer Kupferkassette wurden die Gefallenenlisten, außerdem Erinnerungszeichen, Dokumente, Orden und Ehrenzeichen in den Grundstein versenkt.
Der Gothaer Lehrer und Heimatforscher Karl Kohlstock fungierte als Schriftführer. Er lobte in der von ihm erarbeiteten Festschrift Paul Schröner, der sich unermüdlich für die Verbesserung der Kassenlage abmühte und auch die mühevolle Arbeit des Zusammenstellens der Gefallenenliste der Gothaer Formationen zusammentrug. Wobei Oskar Euchler in wochenund nächtelanger Arbeit die Listen in Rundschrift anfertigte.
Vom 11. bis 13. Juni 1927 wurde die Einweihung des Kriegerdenkmals für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges in Stadt und Land Gotha gefeiert.
Der Empfang der auswärtigen Kameraden und Gäste fand am ersten Tag im „Hotel Lange“, direkt am Bahnhof gelegen, statt. Es gab dann Kranzniederlegungen an den bereits existierenden Kriegerdenkmalen, auf Friedhöfen, am Bismarckdenkmal und am Turner-ehrenmal. Abends traf man sich in den Stammlokalen: Im „Hotel Alt“, vormals „Kaiser Friedrich“, Ehemalige 4/95er, die von 1903 bis 1905 gedient hatten, im Hotel „Stadt Coburg“das Reserve-infanterieregiment 233 und im Landbundhaus „Zum Propheten“auf dem Neumarkt die Kameraden der 51. Reserve-division.
Einstiger Herzog schenkte den Bauplatz
Kommerz mit Extra-zigarrenmarke
Auch andere goth‘sche Kneiper hatten im Vorfeld mächtig die Werbetrommel gerührt und ihre Etablissements warm angepriesen. Der Zigarrenhändler Kagelmann hatte sogar extra dafür eine neue Zigarrenmarke erfunden: „95 er“- Grün und Gold, für 15 und 20 Pfennige pro Stück. Dem konnte sich sein Konkurrent Zeitz nicht entziehen. Bei ihm hieß es: Wir rauchen nur die ‚Burg Friedenstein-zigarre‘, zehn Stück für eine Reichsmark.
Die großen Feiern fanden im „Schießhaus“(Stadthalle), „Parkpavillon“, „Schlosshotel“, „Stadt Coburg“und der „Loge“statt. Dort fanden sich die höher gestellten Herrschaften ein, während sich die Vereine des „Landeskriegerverbandes“im Hotel „Zum Schützen“versammelten. Am Sonntag, dem Einweihungstag, riefen alle Kirchen der Stadt zu Gottesdiensten. Platzkonzerte gab es in der Orangerie und am oberen Hauptmarkt. Dafür hatte sich die Kapelle Weise mit anderen Musikern verstärkt. Um 13.15 Uhr wurde die Statue auf dem Denkmalplatz mit allen militärischen Ehren eingeweiht. Das Enthüllen nahm der 1918 abgedankte Herzog vor.
Am Ende stand der Festzug, der durch Schlossallee, Arnoldiplatz, Erfurter Straße, Marktstraße, Hauptmarkt, Jüdenstraße zum Myconiusplatz führte. Von dort ging der Marsch zu den einzelnen Stammlokalen. Am Montag folgte der Abmarsch zum Viadukt mit Musik der Kapelle Weise. Ein Ausflug auf den Kleinen Seeberg stand noch auf dem Programm – die „Alte Sternwarte“, wie auch die anderen Gasthäuser luden zum Bierfest. Für alle Veranstaltungen einschließlich Festabzeichen und Festschrift hatten die Teilnehmer vier Reichsmark zu entrichten.
Ein Beschluss der Alliierten vom 13. Mai 1946 regelte die Liquidation der Kriegerdenkmale, außer denen auf Friedhöfen. Die sowjetische Besatzungsmacht überließ dem Gothaer-antifablock die Entscheidung darüber. Noch in jenem Jahr wurde das sieben Meter hohe und 48 Tonnen schwere Denkmal demontiert. Bis in die 1950er-jahre stand der Sockel noch. Fast zwanzig Jahre war es dann „nur“der schöne Rosengarten, bis 1967 ein Ehrenmal für die Helden des antifaschistischen Widerstandes errichtet wurde, welches mittlerweile auch beseitigt worden ist.