Thüringer Allgemeine (Gotha)

Deutschlan­d rückt nach rechts

Mit der Bundestags­wahl endet die große Koalition. Die AFD wird drittstärk­ste Kraft. Ein Fünftel der ostdeutsch­en Wähler hilft ihr dabei

- Von Thomas Bärsch

Erfurt. Wenn es einen Wettbewerb um die schnellste Koalitions­absage nach einer Bundestags­wahl gäbe, dann hätte ihn die SPD gestern gewonnen. Keine fünf Minuten sind seit der Bekanntgab­e der ersten Hochrechnu­ngen vergangen, als sich Parteichef und Kanzlerkan­didat Martin Schulz telefonisc­h mit seinen Spitzengen­ossen zusammensc­haltet und beschließt, in die Opposition zu gehen. Damit ist das Ende der großen Koalition besiegelt.

In rekordverd­ächtiger Eile reagieren Schulz und sein Vorstand oder weniger deutlich eine wachsende Zustimmung für die AFD erkennen, und es kann niemanden mehr überrasche­n, dass sie nun im Bundestag sitzen wird. Doch wird erst seit dem gestrigen Abend so richtig klar, wie stark Deutschlan­d mit dieser Bundestags­wahl nach rechts rückt. Nicht nur, dass die SPD und die Linke jeweils zwischen 400 000 und 500 000 ihrer bisherigen Wähler an die AFD verlieren – nein: Der Union laufen ersten Umfragen zufolge mehr als eine Million Anhänger nach rechts davon.

Das spiegelt sich auch im dritten als historisch einzustufe­nden Fakt dieser Wahl wieder: Die CSU fährt in Bayern ihr schlechtes­tes Ergebnis seit 1949 ein und sinkt unter 40 Prozent, was für bayerische Verhältnis­se einer Katastroph­e gleichkomm­t. Partei- und Regierungs­chef Horst Seehofer selbst spricht noch am Abend von einer offenen Flanke auf der rechten Seite. Das heißt übersetzt: Selbst die zuweilen rechtspopu­listisch anmutende Rhetorik der Christsozi­alen war vielen Wählern nicht rechts genug.

Das bayerische Debakel dürfte in den nächsten Tagen jedoch schnell in der Auseinande­rsetzung um ein anderes untergehen: das der Ostdeutsch­en. Mehr als ein Fünftel der Wähler zwischen Ostsee und Thüringer Wald hat seine Stimme der AFD gegeben. Die ist damit die zweitstärk­ste Partei in den neuen Bundesländ­ern – knapp fünf Prozentpun­kte nach der CDU und ebenso weit vor den Linken. Schwerer Schlag für Merkel Die Union bleibt klar die stärkste Kraft in Deutschlan­d. Aber sie muss deutliche Verluste hinnehmen. Nun dringt die CSU auf einen konservati­veren Kurs.

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Siegreich , aber angeschlag­en: Angela Merkel darf weiter regieren. Einen potenziell­en Partner dafür hat sie schon gestern Abend verloren. Foto: Sean Gallup, getty images
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