Triumph der „Merkel-jäger“
Die AFD wird nach einem aggressiven Wahlkampf drittstärkste Kraft. Spitzenkandidat Gauland schlägt auch kurz nach Schließung der Wahllokale scharfe Töne an
Berlin. Draußen fährt die Polizei mit immer mehr Mannschaftswagen vor, um die wachsende Zahl an Demonstranten in Schach zu halten. Drinnen, in einem Tanzclub am Berliner Alexanderplatz, jubeln sie, als im Fernsehen die Stimmenverluste für die Unionsparteien und die SPD verkündet werden. Und als klar ist, dass die AFD als drittstärkste Partei in den Bundestag einziehen wird, wird der Jubel noch lauter.
Weiße und blaue Luftballons fallen von der Decke, die Afdmitglieder singen die Nationalhymne und auf der Bühne liegen sich Spitzenkandidat Alexander Gauland und andere Mitglieder des Bundesvorstands in den Armen. Als Gauland das Wort ergreift, unterbrechen ihn Parteifreunde immer wieder mit lauten „AFD, Afd“-rufen. „Das ist ein großer Tag in der deutschen Parteiengeschichte“, sagt der Vizechef der Partei. „Wir werden dieses Land verändern.“Die AFD werde dafür sorgen, „dass das, was die Menschen auf der Straße denken“, im Bundestag wieder eine Rolle spielen werde. Die künftige Bundesregierung könne sich „warm anziehen“. Und was Gauland dann sagt, ist Versprechen und Drohung zugleich: „Wir werden sie jagen. Wir werden Frau Merkel jagen! Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.“
Mit dem Triumph der AFD wird nicht nur eine junge Partei quasi aus dem Stand heraus bundesweit drittstärkste Kraft, in Ostdeutschland sogar die zweitstärkste. Zum ersten Mal seit 1961 sitzen dort wieder Abgeordnete aus dem äußeren rechten politischen Spektrum. Sie gehören einer Partei an, deren führende Köpfe die Nazi-zeit verharmlosen, indem sie sie auf „zwölf Jahre“deutscher Geschichte reduzieren. Die das Grundrecht auf Asyl abschaffen und Minarette verbieten wollen. Nimmt man den Wahlkampf als Indikator, dann wird die Stimmung im Parlament aggressiver als heute.
Für den 76-jährigen Gauland, der früher Cdu-mitglied war und heute Kanzlerin Angela Merkel verachtet, ist dieser Sieg ein großer Erfolg. Zusammen mit der 38-jährigen Alice Weidel, die mit ihm das Spitzenteam bildete, konnte er für die Zeit des Wahlkampfs den heftigen innerparteilichen Streit, der die AFD bisher geprägt hat, unter der Decke halten. Gauland hat nun gute Chancen, Fraktionschef zu werden. Weidel deutet am Sonntag an, dass sie sich mit ihm an der Spitze der Afd-abgeordneten sieht: „Gauland und ich stehen bereit, dieses Amt anzunehmen und diese Partei in den 19. Deutschen Bundestag zu führen.“Am Dienstag soll die Fraktion zusammenkommen. Das erste, was man beantragen werde, sei ein Untersuchungsausschuss gegen Merkel: „Wir werden uns dezidiert mit den Rechtsbrüchen dieser Dame beschäftigen.“
Schon bei den jüngsten Landtagswahlen verbuchte die AFD große Erfolge. In den bundesweiten Umfragen lag sie seit der Flüchtlingskrise fast durchweg bei mindestens zehn Prozent. 2013 war die AFD noch an der Fünf-prozent-hürde gescheitert. Damals war sie nur eine Anti-euro-partei. Inzwischen ist sie zum Sammelbecken der Rechten geworden. Die Flüchtlingskrise könne man „als Geschenk“für die Partei bezeichnen, sagte Gauland im Dezember 2015. Konsequent setzte die Partei auf die Themen Flüchtlinge, Terror und Islam und verknüpfte sie zu Bedrohungs- und Angstszenarien. Einen derart aggressiven, vor allem im Internet geführten Negativ-wahlkampf gab es noch nie. Gleichzeitig testeten die Spitzen der AFD immer wieder die politischen Grenzen nach rechts – und überschritten sie gezielt. Gauland selbst sagte, man könne Staatsministerin Aydan Özoguz (SPD) „in Anatolien entsorgen“. Anschließend nannte er die Aussage „etwas zu hart“. Zurücknehmen wollte er nichts. Co-spitzenkandidatin Weidel wiederum hatte Schwierigkeiten mit ihrer Glaubwürdigkeit, als bekannt wurde, dass sie mit einem aus Syrien geflüchteten Ehepaar befreundet ist.
Die Abgeordneten, die in den Bundestag einziehen werden, sind eine heterogene Truppe. Euroskeptiker werden neben Islamfeinden sitzen, Pegida-unterstützer neben ehemaligen Cdu-mitgliedern. Dass Gauland weiß, mit welcher Truppe er im Bundestag sitzen wird. Er warnte seine Parteifreunde: „Gebt eurer Freude vernünftig Ausdruck. Bitte vermeidet deshalb Sprüche, die uns nachher auf die Füße fallen.“
Draußen harren einige Hundert Gegendemonstranten mehrere Stunden auf dem Alexanderplatz aus. „Afd-rassistenpack, wir haben euch zum Kotzen satt!“, riefen sie. Am Abend gab es Rangeleien mit der Polizei und Festnahmen.
Gauland und Weidel hielten den Streit klein
Partei ist Sammelbecken der Rechten