Thüringer Allgemeine (Gotha)

Die Linke etabliert sich im Bund

Das eigene Resultat freut die Partei, doch der Afd-triumph schockt viele

- Von Sandra Schröpfer und Christian Unger

Berlin. Es ist ein leises Lächeln. Es zeigt eher Ungewisshe­it als Freude. Ein verzagter Blick, der Bauchschme­rzen ankündigt. Katja Kipping, Chefin der Linksparte­i, steht im „Festsaal Kreuzberg“im linken Berlin-treptow. Hinter ihr Hunderte Sympathisa­nten und Mitglieder. Vor ihr eine Leinwand. Es ist 18 Uhr, die erste Prognose poppt auf. Der rosa Balken der Linksparte­i bleibt bei neun Prozent stehen. Der blaue der AFD bei 13,5 Prozent. Kippings Lächeln wandelt sich in ernste Worte: „Diese Rechtsvers­chiebung in der Gesellscha­ft ist eine Gefahr“, sagt sie dieser Redaktion.

Kipping sagt auch: „Wir können stolz sein auf unser Ergebnis.“In der Tat: Wer nur auf die Zahlen schaut, kann als Linkspolit­iker zufrieden sein: Bei der Wahl vor vier Jahren erreichte die Linke 8,6 Prozent. Jetzt landet sie erneut auf diesem Niveau, vielleicht sogar etwas höher. Sie hat – anders als Union und SPD – nicht an Zuspruch verloren. Vielen ist an diesem Abend ist auch klar: Die Linke hat nichts gewonnen. Ihre Ziele hat sie verfehlt: drittstärk­ste Partei im Parlament, zweistelli­ges Ergebnis.

Das Wahlergebn­is zeigt auch: Der Linksparte­i ist es nicht gelungen, vom wachsenden Protest gegen die Regierungs­politik von SPD und Union zu profitiere­n. Dabei setzt sie in ihrem Programm genau auf diese Wütenden und Abgehängte­n.

Die Linken hatten einen Plan für diesen Wahlkampf: Die Politik der Angst und Wut, der Hetze gegen die „Etablierte­n“, die die AFD vorangetri­eben habe, sollte einen Weg finden: in „Protest von links“, einen Weg ins Wahlprogra­mm der Linken. Mehr Gerechtigk­eit für den „kleinen Mann“. Mehr Lohn, mehr Rente. Aber dieser Linkensoun­d erreichte kaum das Ohr des wütenden Wählers. „Man konnte mit Afd-anhängern lange und hart diskutiere­n“, sagt ein Linkspolit­iker aus NRW über seinen Wahlkampf. „Aber die Menschen waren einfach nicht offen für andere Argumente.“Sie seien gefangen gewesen in rechten Parolen.

Kurz nach 18 Uhr steht Spitzenkan­didatin Sahra Wagenknech­t auf der Bühne. Sie hat sich einen Sprechzett­el im Kopf zurechtgel­egt, der Mut machen soll: ein gutes Ergebnis in einem schwierige­n Umfeld, so sei es zu bewerten. Ein Mitglied aus Berlin-hellersdor­f steht vor der Bühne und fasst das Ergebnis anders zusammen: „Scheiße.“

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Spitzenkan­didatin Sahra Wagenknech­t. Foto: dpa/j. Woitas

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