Vor den Wahlen
Wer gerne bei den mannigfaltigen Wortstanzereien abstaubt, welche die Sportberichterstattung bereithält, darf seit dem gestrigen Abend, 18 Uhr, kalauern: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Oder präziser: Vor den Wahlen. Im nächsten April werden die Landräte und Bürgermeister gewählt, im Frühjahr darauf die Kommunalparlamente und die zwei, drei Eu-abgeordneten, die Thüringen gen Brüssel delegieren darf. Und schließlich, nach den Sommerferien 2019, stimmt Thüringen über den neuen Landtag ab.
Die gestrigen Wahlergebnisse sind die Basis für die rasch nahenden Kämpfe der Landes- und Kommunalparteien. Erst einmal lässt sich mathematisch feststellen, dass die Oppositionspartei AFD sowie die in Thüringen noch außerparlamentarische FDP gewonnen haben.
Die Union konnte jedoch wie 2013 alle Thüringer Wahlkreise gewinnen, zwar mancherorts nur recht knapp, aber immerhin. Der Anspruch, 2019 wieder die vor drei Jahren erstmals verlorene Staatskanzlei zu übernehmen, ist damit gefestigt. Das schlechte Zweitstimmenergebnis verblasst hinter dieser Nachricht etwas.
Die selbst ernannte Alternative hat mit drei bis vier Mandaten im Bundestag ihre Kraft im Land massiv verstärkt. Das sehr überdurchschnittliche Ergebnis in Thüringen lässt auch den Einfluss von Björn Höcke wachsen, selbst wenn er im Landtag bleibt.
Die hiesige FDP besitzt nach drei Jahren überhaupt wieder ein parlamentarisches Mandat in Thüringen. Es wird also mit den Bürokräften drei, vier Liberale geben, die sich im Land hauptamtlich mit Politik beschäftigen – auch wenn das für die Rückkehr in den Landtag längst keine Garantie ist.
Die hiesigen Regierungsparteien haben – was das Landesergebnis betrifft – allesamt verloren. Dabei traf es es wieder vor allem die Sozialdemokraten. Die rituellen Selbstzerfleischungsrituale drohen: Auch wenn Parteichef Andreas Bausewein vor der Wahl präventiv Innenminister Holger Poppenhäger opferte, wird die alte Frage neu gestellt werden – nämlich ob er Richtige für den Job ist. Außerdem will er ja im nächsten Jahr wieder in Erfurt als Oberbürgermeister antreten und zeigt bislang überhaupt keine Lust, 2019 als Spitzenkandidat für die Landtagswahl zu kandidieren.
Die Alternativszenarien sind durchgespielt. Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee steht vorgeblich als Interimsvorsitzender bereit. Darüber hinaus haben sich die Ambitionen von Georg Maier mit dem Amt des Innenministers noch lange nicht erschöpft.
Die einzige gute Nachricht für die Landespartei ist, dass die SPD im Bund in die Opposition geht. So kann sie sich, vielleicht, in den nächsten beiden Jahren wieder erneuern.
Und die Linke? Nachdem es diesmal für Rot-rot-grün im Bund nicht ansatzweise rechnerisch reichte, wird es zur Hauptaufgabe der Thüringer Partei, das regionale Modell irgendwie über 2019 hinaus am Leben zu erhalten. Bodo Ramelow muss als einziger linker Ministerpräsident politisch bleiben, wenn man es denn 2021 noch einmal im Bund versuchen will.
Bei den Grünen geht es, wie eigentlich immer seit der Wende, um die nackte parlamentarische Existenz. Ja, die Landespartei landete auch schon 2013 bei nur 4,9 Prozent und zog trotzdem ein Jahr später mit mehr als 6 Prozent in den Landtag ein. Doch diesmal ist das Landesergebnis noch schlechter als 2013. Vieles wird deshalb daran hängen, wie sich die Bundespartei in der Jamaika-koalition macht.
Am Ende bestätigte der gestrige Wahlabend das, was man bereits durch aktuelle Umfragen für die Landtagswahl wusste: Es gibt derzeit keine Mehrheit für Rot-rot-grün im Land – ja, es würde nicht einmal für eine Cdu-spd-regierung hinhauen.
Dies könnte 2019 erstaunliche Folgen zeitigen. Schließlich wollen CDU und Linke nicht miteinander regieren – und schon gar nicht mit der AFD koalieren. Gut möglich, dass es somit in zwei Jahren für gar keine Art von Mehrheitsregierung mehr reicht.