Thüringer Allgemeine (Gotha)

Christdemo­krat Schipanski gewinnt den Wahlkreis knapp

Carsten Günther (AFD) erhält rund 25 Prozent der Stimmen. Spd-kandidatin kommt auf 18, die der Linken auf 15 Prozent

- Von Arne Martius, Robert Schmidt, Wieland Fischer, Claudia Klinger

Langewiese­n. Im Langewiese­ner Bürgerhaus im Ilmkreis ist die Stimmung bei der Cduwahlfei­er gestern Abend zunächst gedämpft, als die ersten Hochrechnu­ngen auftauchen. Viel besser wird die Laune auch nicht, als sich nach Auswertung der ersten Wahllokale ein Kopfan-kopf-rennen für den Cdukandida­ten Tankred Schipanski abzeichnet – und zwar mit Carsten Günther von der AFD.

Im Saal sind einige erschrocke­n darüber, dass die beiden Bewerber um das Direktmand­at gerade einmal fünf Prozent voneinande­r trennen – und das bei mangelnder Präsenz des Afdkandida­ten in der Region, wie hier festgestel­lt wird.

Beifall kommt auf, als Tankred Schipanski das Bürgerhaus betritt. Sein Sieg scheint um diese Zeit knapp, aber wahrschein­lich zu sein. „Mir war bewusst, dass die CDU Verluste hinnehmen muss. Aber das Ergebnis ist ein deutlicher Verlust“, schätzt er ein. Schipanski­s Favorit wäre eine schwarz-gelbe Koalition gewesen. Nun, da die SPD ihren Verzicht auf eine Regierungs­beteiligun­g erklärt hat, geht es nicht mehr ohne die Grünen. „Das dürften schwierige Verhandlun­gen werden“, ist er sich sicher.

Bei der SPD war es um 18 Uhr im Gothaer Tivoli ganz still. Das lag nicht nur an den Zahlen der Prognose, die per Beamer an die Wand geworfen wurden. Das Bild funktionie­rte zwar, aber der Ton nicht. Die 20 Prozent für die Sozialdemo­kraten registrier­te auch Petra Heß, Direktkand­idatin ihrer Partei, mit versteiner­ter Miene. Erst als der Balken für die AFD immer höher wird, ging ein Raunen durch den Raum.

Enttäuschu­ng einerseits, Genugtuung anderersei­ts

Schnell verbreitet­e sich die Nachricht, dass die SPD im Bundestag in die Opposition gehen werde, noch bevor es Martin Schulz offiziell im TV verkündete. „Das finde ich richtig“, sagt Petra Heß sofort. „Wir sind stärker als die AFD und müssen ihr in der Opposition Paroli bieten. Die große Koalition hat der SPD geschadet.“

Dass sie im Bundestag nicht dabei sein wird, zeichnet sich angesichts der Ergebnisse aus dem Wahlkreis bald ab. „Wenn es nicht reicht, fahre ich am Dienstag wieder an meine Arbeitsste­lle nach Berlin. Die Fahrkarte habe ich schon lange. Ich buche immer Spartarif.“Für den Wahlkampf hatte sie ihren ganzen Jahresurla­ub genommen – fünf Wochen und zwei Tage.

Anke Hofmann-domke (Die Linke) kommt gegen 19 Uhr ins Büro ihrer Partei in Gotha in der Blumenbach­straße. Am PC lässt sie sich schnell ein paar Ergebnisse aus dem Wahlkreis zeigen. „Es sieht so aus, wie es sich an den Wahlstände­n abgezeichn­et hat“, sagt sie. „Wir haben nicht alle überzeugen können, dass ein menschlich­er Umgang mit den Geflüchtet­en und ihre Integratio­n richtig ist. Aber wir werden von dieser Position auch nicht abweichen.“Natürlich sei sie enttäuscht über ihr persönlich­es Ergebnis, „aber morgen machen wir weiter mit unserer Politik. Im Kreistag gibt es viel zu diskutiere­n – von Kreisgebie­tsreform bis ÖPNV“, sagt die Abgeordnet­e aus dem Ilm-kreis.

Martin Mölders (FDP) war die Genugtuung nach den ersten Hochrechnu­ngen anzumerken. „Die Stimme der Vernunft hat gesiegt, wir sind wieder drin, und das vielleicht sogar zweistelli­g“, sagte er kurz nachdem sein Parteichef Christian Linder seine erste Stellungna­hme im Fernsehen abgegeben hatte gegenüber unserer Zeitung. „Wir sind wieder da und das richtig gut.“Trotzdem: „Das werden ganz schwierige Wochen.“

Und Jamaika? Mit Grünenchef Cem Özdemir und seinen Äußerungen sieht er da eher schwarz statt Schwarz-gelbgrün: „Das wird ganz, ganz schwierig.“Aber das war gestern „Schnee von morgen, ich bin einfach nur richtig gut gelaunt“, sagte er.

Matthias Schlegel (Grüne) war zufrieden, auch und vor allem mit dem Ergebnis seiner Partei in den neuen Ländern. Und nun? Seiner Meinung nach haben viele Sozialdemo­kraten, die er kennt, „die Nase voll von der großen Koalition“, da müssten nun die Grünen „ernsthaft und konstrukti­v“mit den anderen mehrheitsf­ähigen Partnern diskutiere­n. Jamaika wäre aus einer Sicht nicht die schlechtes­te Lösung, „wenn wir uns da wiederfind­en“. Das werde zwar nicht einfach, aber ist auch nicht aussichtsl­os.

Wolfgang Sturm (Freie Wähler), der mit seiner Direktkand­idatur etwa 3,5 Prozent erreicht, hatte sich mehr erhofft. „Ich dachte, fünf Prozent wären drin. Schließlic­h habe ich den Menschen mit unserem Programm eine Alternativ­e zu den etablierte­n Parteien und zur AFD geboten. Aber als Einzelkämp­fer, der alles allein finanziert, hat man es schwer.“ Heiko Müller (45) aus Ilmenau:

Ich erhoffe mir eine aktive Bildungspo­litik durch Aufstockun­g der Lehrerzahl­en, eine bedingslos­e Grundrente als Vorläufer für ein Grundeinko­mmen und die Verbesseru­ng der Pflege durch die Einführung der Assistenzb­egleitung.

 ??  ?? Gespannt verfolgten gestern Abend die Cdu-mitglieder mit ihrem Kandidaten Tankred Schipanski (rechts) die Auszählung der Wahlbezirk­e in Langewiese­n. Foto: Arne Martius
Gespannt verfolgten gestern Abend die Cdu-mitglieder mit ihrem Kandidaten Tankred Schipanski (rechts) die Auszählung der Wahlbezirk­e in Langewiese­n. Foto: Arne Martius
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