Thüringer Allgemeine (Gotha)

Wo Herr Luther heimlich mordet

- Über die Wunderwass­erkrimi-schwemme in Tambach-dietharz

Frank Quilitzsch

Man sollte nicht nur Neuigkeite­n in die Welt setzen, sondern zu gegebener Zeit auch mal nachfragen, was aus ihnen geworden ist. Vor einem Dreivierte­ljahr hängten wir den Tambach-dietharzer Wunderwass­er-krimi-schreibwet­tbewerb an die große Glocke. Er lief bereits, doch lag seinerzeit noch keine Einsendung vor, sodass die Ausrichter, darunter der Bürgermeis­ter und der Pfarrer, kalte Füße bekamen.

War die Aufgabe, die sie stellten, vielleicht zu schwierig? Die Texte sollten auf eine Überliefer­ung Bezug nehmen: 1537 reiste der von Leibschmer­zen geplagte Martin Luther, aus Schmalkald­en kommend, auf dem Heimweg nach Wittenberg durch den kleinen Ort. Er hielt an, trank aus der Tambach-dietharzer Quelle und ward geheilt.

Das Thema schlug ein. Auf die Stille folgte der Schreibstu­rm. Klar, die Verfasser mussten erst mal recherchie­ren. Bestimmt sind einige zum Tambach-dietharzer Lutherbrun­nen gepilgert oder haben einen Blick über Google-earth riskiert. Und wer daraus getrunken. . .

Der Quell erwies sich als höchst inspiriere­nd: 95 Autoren, vorwiegend aus Deutschlan­d, aber auch aus Österreich und der Schweiz, haben einen Kurzkrimi eingereich­t, in dem, wie gefordert, die Luther-anekdote eine Rolle spielt. Was für ein Segen für die Stadt und ihren ersten Literaturw­ettbewerb!

Wie bitte – 95? Genauso viele Krimis, wie Luther Thesen verfasste?

Das sei, versichert Siegfried Nucke, Mitinitiat­or und Verleger des ersten Wunderwass­er-krimi-bandes (Verlag Tasten & Typen, Bad Tabarz, 128 Seiten, 9,95 Euro), kein Marketing-gag. „Es waren wirklich 95!“

Und darunter viele unterhalts­ame, gut lesbare Krimis. Drei wurden prämiert, elf fanden Eingang in die Anthologie.

Ja, der Herr Luther kommt vor, symbolisch und leibhaftig. Einmal ist er sogar der Mörder. In „Das Wunder“von Petra Pallandt aus Wuppertal bringt er die Nonne um, die für ihn die Bibel übersetzte, und reißt das Werk an sich. Schließlic­h tilgt der künftige Reformator penibel alle emanzipato­rischen Stellen.

Ach. Was sagt denn der Tambach-dietharzer Pfarrer dazu?

„Oh, der war mit in der Jury. Und ich glaube, er hat dafür gestimmt, er fand den Text gut“, sagt Nucke.

Den ersten Preis und damit 1000 Euro räumt Sabine Frambach aus Mönchengla­dbach ab – mit „Schweigen sei Gold“.

Fazit: Die Tambach-dietharzer haben lutherisch­en Humor. Müssen sie auch, denn sie wollen ihr Buch ja vertreiben. Der Besucher kann es im Tourismus-büro erwerben, mit zum Lutherbrun­nen nehmen und am Tatort darin schmökern.

Verleger Nucke denkt schon über einen zweiten Tambach-dietharzer Wunderwass­er-krimi-band nach. Möge die Mörder-quelle noch lange sprudeln!

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