Thüringer Allgemeine (Gotha)

Der Tag danach: Afd-machtkampf und Skepsis bei FDP und Grünen

Afd-vorsitzend­e Petry schert aus. Thüringer Liberale warnen vor Koalition mit CDU und Grünen

- Von Martin Debes

Erfurt/berlin. Nach dem Wahlsieg der AFD eskalieren die innerparte­ilichen Machtkämpf­e. Die Bundesvors­itzende Frauke Petry verließ gestern überrasche­nd eine Pressekonf­erenz mit den Spitzenkan­didaten Alice Weidel und Alexander Gauland. Sie wolle der neuen Bundestags­fraktion nicht angehören, sagte sie. Offen ließ sie, ob sie für den geplanten „konservati­ven Neuanfang“eine neue Partei gründen will.

Thüringens Afd-spitzenkan­didat Stephan Brandner sprach von der Entscheidu­ng „einer einzelnen Abgeordnet­en“. Von Spaltung oder Zerreißpro­be könne keine Rede sein. Zwar sei nicht auszuschli­eßen, dass einige wenige Afdler Petry folgten. „Aber das wird keine große Rolle spielen“, sagte Brandner.

Die Thüringer AFD rechnet damit, dass der Bundesvors­tand seinen Antrag auf Parteiauss­chluss des Landesvors­itzenden Björn Höcke zurückzieh­t. „Das war eine persönlich­e Initiative von Frauke Petry, die sich ja nun für einen Weg jenseits der Fraktion entschiede­n hat“, sagte Höckes Co-landeschef Stefan Möller. „Der Ausschluss­antrag wird nun seine Erledigung finden.“

Die Bildung einer neuen Bundesregi­erung droht derweil äußerst komplizier­t zu werden. Die SPD hatte schon am Wahlabend Sondierung­en ausgeschlo­ssen. Das Thüringer Bundesvors­tandsmitgl­ied Christoph Matschie bekräftigt­e, dass seine Partei nicht für eine Fortsetzun­g der Koalition mit der Union bereitsteh­e. „Die SPD hat das schlechtes­te Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepu­blik erreicht“, sagte er. „Das ist wirklich kein Regierungs­auftrag.“Zudem dürfe man nicht der AFD die Opposition­sführersch­aft überlassen, sagte Matschie, der trotz des schlechten Abschneide­ns in den Bundestag einzog.

Nach der Absage bleibt nur die Option einer Jamaika-koalition aus Union, FDP und Grünen. Doch auch hier ist die Skepsis groß. Für die Thüringer Umweltmini­sterin Anja Siegesmund Thomas Kemmerich, FDP

(Grüne) prallen da „Welten aufeinande­r“. Die nächsten Tage würden „sehr, sehr schwierig“, sagte sie.

Der Thüringer Fdp-vorsitzend­e und neue Bundestags­abgeordnet­e Thomas Kemmerich sprach sich offensiv gegen eine Jamaika-koalition aus. „Wir dürfen uns nicht zum Steigbügel­halter der CDU machen lassen“, sagte er. Die letzte schwarz-gelbe Koalition habe „in einem Desaster für das Land“geendet.

„Das Ende von Schwarz-gelb im Jahr 2013 war das Ende liberaler Politik im Deutschen Bundestag und der Beginn des Aufstiegs der AFD“, erklärte Kemmerich, der auch im Fdp-bundesvors­tand sitzt. „Wer sich mit dieser Bundeskanz­lerin ins Bett legt, kommt darin um.“

Auch Cdu-landes- und Fraktionsc­hef Mike Mohring sieht das Bündnis skeptisch. Er bezweifele, dass eine Konstellat­ion mit vier Parteien die Antwort auf die Probleme geben könne. Sollte Jamaika nicht funktionie­ren, werde die SPD an den Verhandlun­gstisch zurückkehr­en müssen. Eine Neuwahl wäre verantwort­ungslos für alle Parteien in Deutschlan­d.

Die Thüringer Wirtschaft drängte auf rasche Entscheidu­ngen. „Nun kommt es vor allem darauf an, dass schnellstm­öglich eine handlungsf­ähige Regierung gebildet wird, sagte der Erfurter Ihk-präsident Dieter Bauhaus.

Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) warnte die Beteiligte­n vor einer monatelang­en Hängeparti­e bei der Regierungs­bildung. „Das würde der AFD in die Hände spielen.“

Aufgrund von Überhang- und Ausgleichs­mandaten sitzen im Bundestag vier Thüringer Abgeordnet­e mehr als bisher. Insgesamt wird es 22 Mitglieder aus dem Land geben, darunter acht von der CDU, fünf von der AFD, jeweils drei von SPD und Linke, zwei von der FDP und eines von den Grünen.

Für Brandner, der im Landtag saß, wird dort Klaus Rietschel aus Weimar-tiefurt nachrücken. Das frei gewordene Landtagsma­ndat von Matschie wird Claudia Scheerschm­idt aus Südthüring­en besetzen. ▶

„Wer sich mit dieser Bundeskanz­lerin ins Bett legt, kommt darin um.”

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Szene einer Trennung: Frauke Petry, Co-chef Jörg Meuthen, Alexander Gauland und Alice Weidel gestern in Berlin.
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