Der Tag danach: Afd-machtkampf und Skepsis bei FDP und Grünen
Afd-vorsitzende Petry schert aus. Thüringer Liberale warnen vor Koalition mit CDU und Grünen
Erfurt/berlin. Nach dem Wahlsieg der AFD eskalieren die innerparteilichen Machtkämpfe. Die Bundesvorsitzende Frauke Petry verließ gestern überraschend eine Pressekonferenz mit den Spitzenkandidaten Alice Weidel und Alexander Gauland. Sie wolle der neuen Bundestagsfraktion nicht angehören, sagte sie. Offen ließ sie, ob sie für den geplanten „konservativen Neuanfang“eine neue Partei gründen will.
Thüringens Afd-spitzenkandidat Stephan Brandner sprach von der Entscheidung „einer einzelnen Abgeordneten“. Von Spaltung oder Zerreißprobe könne keine Rede sein. Zwar sei nicht auszuschließen, dass einige wenige Afdler Petry folgten. „Aber das wird keine große Rolle spielen“, sagte Brandner.
Die Thüringer AFD rechnet damit, dass der Bundesvorstand seinen Antrag auf Parteiausschluss des Landesvorsitzenden Björn Höcke zurückzieht. „Das war eine persönliche Initiative von Frauke Petry, die sich ja nun für einen Weg jenseits der Fraktion entschieden hat“, sagte Höckes Co-landeschef Stefan Möller. „Der Ausschlussantrag wird nun seine Erledigung finden.“
Die Bildung einer neuen Bundesregierung droht derweil äußerst kompliziert zu werden. Die SPD hatte schon am Wahlabend Sondierungen ausgeschlossen. Das Thüringer Bundesvorstandsmitglied Christoph Matschie bekräftigte, dass seine Partei nicht für eine Fortsetzung der Koalition mit der Union bereitstehe. „Die SPD hat das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik erreicht“, sagte er. „Das ist wirklich kein Regierungsauftrag.“Zudem dürfe man nicht der AFD die Oppositionsführerschaft überlassen, sagte Matschie, der trotz des schlechten Abschneidens in den Bundestag einzog.
Nach der Absage bleibt nur die Option einer Jamaika-koalition aus Union, FDP und Grünen. Doch auch hier ist die Skepsis groß. Für die Thüringer Umweltministerin Anja Siegesmund Thomas Kemmerich, FDP
(Grüne) prallen da „Welten aufeinander“. Die nächsten Tage würden „sehr, sehr schwierig“, sagte sie.
Der Thüringer Fdp-vorsitzende und neue Bundestagsabgeordnete Thomas Kemmerich sprach sich offensiv gegen eine Jamaika-koalition aus. „Wir dürfen uns nicht zum Steigbügelhalter der CDU machen lassen“, sagte er. Die letzte schwarz-gelbe Koalition habe „in einem Desaster für das Land“geendet.
„Das Ende von Schwarz-gelb im Jahr 2013 war das Ende liberaler Politik im Deutschen Bundestag und der Beginn des Aufstiegs der AFD“, erklärte Kemmerich, der auch im Fdp-bundesvorstand sitzt. „Wer sich mit dieser Bundeskanzlerin ins Bett legt, kommt darin um.“
Auch Cdu-landes- und Fraktionschef Mike Mohring sieht das Bündnis skeptisch. Er bezweifele, dass eine Konstellation mit vier Parteien die Antwort auf die Probleme geben könne. Sollte Jamaika nicht funktionieren, werde die SPD an den Verhandlungstisch zurückkehren müssen. Eine Neuwahl wäre verantwortungslos für alle Parteien in Deutschland.
Die Thüringer Wirtschaft drängte auf rasche Entscheidungen. „Nun kommt es vor allem darauf an, dass schnellstmöglich eine handlungsfähige Regierung gebildet wird, sagte der Erfurter Ihk-präsident Dieter Bauhaus.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) warnte die Beteiligten vor einer monatelangen Hängepartie bei der Regierungsbildung. „Das würde der AFD in die Hände spielen.“
Aufgrund von Überhang- und Ausgleichsmandaten sitzen im Bundestag vier Thüringer Abgeordnete mehr als bisher. Insgesamt wird es 22 Mitglieder aus dem Land geben, darunter acht von der CDU, fünf von der AFD, jeweils drei von SPD und Linke, zwei von der FDP und eines von den Grünen.
Für Brandner, der im Landtag saß, wird dort Klaus Rietschel aus Weimar-tiefurt nachrücken. Das frei gewordene Landtagsmandat von Matschie wird Claudia Scheerschmidt aus Südthüringen besetzen. ▶
„Wer sich mit dieser Bundeskanzlerin ins Bett legt, kommt darin um.”
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