Jamaika – kann das funktionieren?
Erstmals wird das Land möglicherweise von einem Bündnis aus Union, Grünen und FDP regiert. Doch auf vielen Feldern gibt es Streitpunkte
Berlin. Seit zwei Jahrzehnten probieren CDU, FDP und Grüne bereits Dreierbündnisse aus – erst in Städten und Gemeinden, dann auch auf Landesebene. Im Saarland scheiterte die Jamaikakoalition nach gut zwei Jahren, in Schleswig-holstein regieren die drei Parteien seit Monaten relativ geräuschlos miteinander. Auf Bundesebene ist Jamaika dagegen Neuland. Mehr noch: Hier würde das Koalitionsmodell sogar ein Viererbündnis sein
– wenn auch die CSU dabei wäre. Kann das funktionieren?
Am Tag nach der Bundestagswahl werden die vier Parteien mit Argusaugen beobachtet. Gleichzeitig müssen sich die neuen Fraktionen aufstellen – die Fdp-fraktion wählte bereits am Montag Christian Lindner einstimmig zum Vorsitzenden. Die Union war am Montag vor allem mit der Analyse beschäftigt. Die Pragmatikerin und Realpolitikerin Angela Merkel mit ihrer CDU wird sich mit den Grünen und auch mit der FDP arrangieren können. Am nervösesten ist die CSU – die Landtagswahl im Herbst 2018 vor Augen. CSU-CHEF Horst Seehofer ist finster entschlossen, seine Positionen etwa bei der Zuwanderung durchzusetzen. Csu-spitzenkandidat Joachim Herrmann äußerte bereits Bedenken. Er könne sich im Moment „noch nicht so recht die gemeinsame Basis mit den Grünen in diesen Dingen vorstellen“.
Ähnlich geht es der Öko-partei. Katrin Göring-eckardt erwartet „sehr komplizierte, sehr schwierige“Sondierungsgespräche. Man werde nicht um jeden Preis in eine Regierung eintreten. Auf dem Weg dorthin wird vor allem um die Themen innere Sicherheit, Umwelt und Einwanderung gestritten. Bei der inneren Sicherheit ist Horst Seehofer unerbittlich. Er beharrt auf einem klaren Mitte-rechts-kurs der Union. Die Union will im öffentlichen Raum mehr Videokameras installieren, mehr Polizei, und den Sicherheitsbehörden mehr Zugriff auf vorhandene Datenbanken geben – zur Verhinderung und Aufklärung schwerer Straftaten. Grüne und Liberale lehnen das ab. FDPCHEF Lindner erklärte am Montag, dass der Einsatz für „bürgerliche Freiheitsrechte“zu den wichtigsten Übereinstimmungen mit den Grünen gehöre.
In einem möglichen Dreierbündnis wollen die Grünen das ökologische Gewissen verkörpern. Intern gilt die Abschaltung der 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke als erstes Ziel. Fast ebenso zentral ist für die Grünen das Ende des Verbrennungsmotors. Die Grünen wollen – am liebsten ab 2030 – nur noch Elektro-autos neu zulassen. Das ist mit den Liberalen und der Union kaum machbar.
Bei der Einwanderungspolitik ist massiver Streit programmiert: Für die CSU ist die künftige Flüchtlingspolitik der Drehund Angelpunkt. Eine Obergrenze von 200000 Flüchtlingen pro Jahr, wie es die Bayern fordern, wird es aber aller Voraussicht nach weder mit der FDP noch mit den Grünen geben.
Neu einführen wollen die Liberalen ein Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild. Deutschland soll sich Zuwanderer nach Qualifikation, Bedarf und Grad der Integration aussuchen können. Da liegen Liberale und Grüne beieinander.
Probleme aber dürfte es geben bei der Frage, wer in seine Heimat zurückkehren muss – etwa bei Abschiebungen nach Afghanistan oder Nordafrika. Unklar ist, wie gerade Grüne und CSU hier zusammenfinden sollen.