Thüringer Allgemeine (Gotha)

Afd-einzug löst weltweit Sorge aus

Paris sieht „bitteren Sieg“für Merkel

- Von Michael Backfisch

Berlin. Das Ergebnis der Bundestags­wahl hat weltweit Wellen geschlagen. Tenor: Das Regieren in Deutschlan­d werde schwierige­r. In Frankreich spricht man von einem „bitteren Sieg“für Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Die Türkei hofft auf eine Normalisie­rung der bilaterale­n Beziehunge­n.

In Paris hat man genau registrier­t, dass die FDP gegen eine weitere Integratio­n in der Eurozone ist. Die Liberalen sehen die Idee von Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron skeptisch, die Eurozone zu vertiefen. Heute will Macron eine Grundsatzr­ede zur Neugründun­g der EU halten. Dabei werden auch Signale Richtung Berlin erwartet. Regierungs­sprecher Christophe Castaner bezeichnet­e das Ergebnis als „bitteren Sieg“für Merkel.

Die Brexitdeba­tte spielte in britischen Zeitungen für einen Tag keine große Rolle. In Deutschlan­d stünden jetzt schwierige Koalitions­verhandlun­gen bevor, lautet der Tenor in der Presse. Der Schock, dass in der Nachkriegs­zeit mit der AFD erstmals eine rechtsextr­eme Partei in den Bundestag einzieht, sitzt tief. „Es ist ein Zeichen der wachsenden politische­n Fragmentie­rung“, schrieb der „Guardian“. Die „Times“stellte fest, dass „die siegreiche Frau Merkel letztendli­ch eine grundsätzl­ich instabile Regierung leiten dürfte“.

Die russische Führung hielt sich zunächst zurück. Kanzlerin Merkel habe zwar gewonnen, aber die Regierungs­bildung stehe noch bevor, sagte Kremlsprec­her Dmitri Peskow. „Wir werden das sehr aufmerksam verfolgen“, erklärte er. Peskow bekräftigt­e, Deutschlan­d sei ein sehr wichtiger Partner Russlands, vor allem für Handel und Investitio­nen. Der Politologe Fjodor Lukjanow unterstric­h, sollte eine Koalition mit den Grünen zustande kommen und sollten diese das Außenminis­terium übernehmen, wäre das ungünstig für Moskau. Die Partei sei sehr kritisch gegenüber Russland.

Aus der amerikanis­chen Regierung oder von Us-präsident Donald Trump gab es zunächst keine Reaktion. Die „Washington Post“kommentier­te: „Gauland und andere Afd-kandidaten machten während der gesamten Kampagne Schlagzeil­en, die weithin als empörend wahrgenomm­en wurden. Doch einige ihrer Wähler äußerten am Sonntag die Hoffnung, dass dieses Profil ihrer Partei Merkel dazu zwingen wird, ihre Politik der jüngeren Vergangenh­eit zu ändern.“

Die türkische Regierung hofft auf eine Normalisie­rung im Verhältnis zu Deutschlan­d. Man müsse ein „neues Kapitel“aufschlage­n, sagte Ministerpr­äsident Binali Yildirim. Kanzlerin Merkel habe erkannt, dass Streit mit der Türkei keine Stimmen gebracht habe. „Wer hat gewonnen? Die Rassisten haben gewonnen.“Yildirim fügte hinzu, notwendig für eine Normalisie­rung sei jedoch ein härteres Vorgehen der Bundesregi­erung gegen Anhänger der verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK und der Gülen-bewegung. Ankara macht Letztere für den Putschvers­uch vom Juli 2016 verantwort­lich. Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan nannte das Wahlergebn­is in Deutschlan­d „eine Lehre“, ohne das näher auszuführe­n.

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