Thüringer Allgemeine (Gotha)

Horror-clown in der Kleinstadt

Andrés Muschietti hat Stephen Kings Klassiker „Es“neu verfilmt. Am Donnerstag kommt der erste Teil ins Kino

- Von Christian Fahrenbach

Erfurt. Dieser Stoff hat Horror neu definiert: Stephen Kings „Es“sorgt seit 30 Jahren dafür, dass ganze Generation­en Albträume von grinsenden Clowns haben. Nun kommt eine Neuverfilm­ung in die deutschen Kinos, die in den USA Kassenreko­rde gebrochen hat. Der Erfolg hat gute Gründe.

Das weit aufgerisse­ne Gebiss aus „Der Weiße Hai“, der Holzschlit­ten vom Ende von „Citizen Kane“, die Laserschwe­rter aus „Star Wars“: Filmemache­rn gelingt ein riesiger Coup, wenn sofort alle Betrachter beim Anblick eines einzelnen Motivs wissen, welcher Film gemeint ist. Aktuell erleben die USA genau einen solchen Hype – und wer einen roten Ballon sieht, der denkt recht zuverlässi­g an einen gruseligen Clown. Pennywise heißt er und ist die Hauptfigur in Stephen Kings „Es“.

Nach einer Tv-verfilmung vor gut 25 Jahren kommt der Bestseller nun in zwei Teilen in die Kinos, und in den Vereinigte­n Staaten ist der Erfolg des Films immens: „It“, so der Originalti­tel, gelang dort der beste Start für einen Horrorfilm aller Zeiten, der bisherige Rekordhalt­er „Paranormal Activity 3“kam zum Auftakt nicht einmal auf die Hälfte der rund 123 Millionen Dollar, die „Es“eingespiel­t hat.

Teenager müssen sich ihren schlimmste­n Ängsten stellen

Schon vor Monaten war der erste Trailer im Internet am ersten Tag rund 197 Millionen Mal aufgerufen worden, laut „New York Times“war das der erfolgreic­hste Vorschaufi­lmclip Hollywoods aller Zeiten. Rund 85 000 Fans hatten sich für Besuchstou­r und Fotos vor dem Horrorhaus aus dem Film angemeldet, das der Filmverlei­h Warner in Los Angeles nachbaute.

Viele Vorschussl­orbeeren also für die Verfilmung eines 31 Jahre alten und im Original rund 1100 Seiten langen Buchs. Erzählt wird die Geschichte einer Gruppe von Teenagern in der Kleinstadt Derry im Bundesstaa­t Maine der späten 80erjahre. Zu Beginn ermordet der gruselige Clown den sechsjähri­gen Georgie Denbrough, einige Monate später versucht dann eine Gruppe von Teenagern, angeführt von Georgies Bruder Bill, den Tod und weitere mysteriöse Geschehnis­se in Derry aufzukläre­n. Dabei merken sie schnell, dass sie sich ihren schlimmste­n Ängsten stellen müssen, um die Taten des seit Jahrhunder­ten mordenden Clowns zu verstehen.

Ignorante, behäbige Erwachsene in einer klaustroph­obischen Kleinstadt, arrogante Schulhofrü­pel und ein halbes Dutzend Teenagerro­llen mit den üblichen Charakterz­ügen vom „dicken Nerd“bis zum „heißen Mädchen“: Die Liste üblicher Horror-klischees ist auch in „Es“lang. Trotzdem funktionie­rt der Film wegen seiner gelungenen Mischung von Zeitgeist und traditione­llen Motiven.

„Es“knüpft einerseits in Ästhetik und Thematik an Stoffe wie die immens erfolgreic­he Netflix-serie „Stranger Things“an. Anderersei­ts behandelt der Schocker genug universell­e Themen, mit denen viele Zuschauer etwas anfangen können: Einsamkeit, der Kampf gegen Schrecken, den Erwachsene nicht wahrnehmen wollen, und die zerstöreri­sche Macht, die Angst über uns bekommt, wenn wir uns ihr nicht stellen. In den USA haben diese Mischung und eine herausrage­nde Mundpropag­anda dazu geführt, dass rund die Hälfte aller Zuschauer weiblich ist – ungewöhnli­ch für einen Horrorfilm.

Trotzdem ist Andrés Muschietti­s King-verfilmung nicht perfekt. Mit 135 Minuten gerät „Es“gerade im Computer-effekte-überladene­n letzten Drittel zu lang, und nicht alle Gags der sehr solide agierenden Teenagerri­ege zünden. Nichtsdest­otrotz schafft Muschietti mit diesem ersten Kapitel seiner zweiteilig­en Buchverfil­mung eine der besten King-adaptionen der vergangene­n Jahrzehnte – vor allem deshalb, weil er neben Schockeffe­kten auch in den Szenen überzeugt, die vom schwierige­n Heranwachs­en von Teenagern in der Provinz handeln.

 ??  ?? Bill Skarsgard als Pennywise in der Neuverfilm­ung von „Es“. Der Film handelt von der zerstöreri­schen Angst, die Macht über uns bekommt, wenn wir uns ihr nicht stellen. Foto: Brooke Palmer/warner Bros/dpa
Bill Skarsgard als Pennywise in der Neuverfilm­ung von „Es“. Der Film handelt von der zerstöreri­schen Angst, die Macht über uns bekommt, wenn wir uns ihr nicht stellen. Foto: Brooke Palmer/warner Bros/dpa
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Foto: Paul Zinken
Besetzer der Volksbühne protestier­en gegen die Berliner Kulturpoli­tik. Foto: Paul Zinken

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