Ergebnis der Union macht betroffen
Jörg Kellner will gründliche Analyse
Gotha. Tankred Schipanski (CDU), mit einem Vorsprung von fünf Prozent Gewinner des Direktmandats für den Wahlkreis Gotha-ilmkreis, sieht in der Flüchtlingskrise eine wesentliche Ursache für das Erstarken der AFD und räumte eigene Fehler seiner Partei ein. „Wir haben viele Maßnahmen nicht richtig kommuniziert“, sagte er zur Verschärfung des Asylrechts im Mai dieses Jahres.
Seiner Ansicht nach habe aber auch die rot-rot-grüne Landesregierung für das gute Abschneiden der AFD mit knapp 23 Prozent in Thüringen gesorgt, indem sie etwa „bei Abschiebungen blockiert hat“, meint er. Deswegen müsse sich die Linke selbst über ihre Rolle Gedanken machen, verwies er auf die Wahlergebnisse in den Orten Friedersdorf und Wildenspring: Wo sonst immer konsequent links gewählt wurde, fuhr die AFD über 30 Prozent der Stimmen ein, in Friedersdorf sogar 40 Prozent – wo die Partei gleichzeitig ihr stärkstes Ergebnis im Wahlkreis Gotha-ilmkreis erreichte.
Matthias Hey aus Gotha, Fraktionsvorsitzender der SPD im Thüringer Landtag, hätte sich bundesweit ein paar Prozentpunkte mehr gewünscht für seine Partei. „Es ist gut, dass wir in die Opposition gehen. Dieses Feld dürfen wir der AFD nicht überlassen. Außerdem muss die SPD sich neu aufstellen und wieder auf die Beine kommen. Die Zahl der Ministerien und Staatssekretäre in der Bundesregierung ist nicht entscheidend für uns. Nach 16 Jahren Kohl ging es der SPD besser, als es ihr nach zwölf Jahren Merkel geht.“
Gerhard Neumann, der für die SPD im Wahlkreis Gotha zwölf Jahre – bis 2002 – im Bundestag saß, ist erschrocken über das schlechte Ergebnis der Genossen. „Es wird höchste Zeit, dass sie sich aus der großen Koalition verabschieden. Nur so können sie alte Stärke zurück gewinnen.“
Gothaer Vertreter der Partei Die Linke sind nicht nur mit dem Bundesergebnis ihrer Partei zufrieden, sondern auch mit dem Wahlkampf. „Wir haben keine schlechten Erfahrungen gemacht“, sagt Vera Fitzke, Vorsitzende der Linke-kreistagsfraktion in Gotha. „Wenn die SPD in die Opposition geht, ist das eine gute Gelegenheit, endlich mit uns auf Bundesebene zusammenzuarbeiten“, sagt Bernd Fundheller, Gothaer Kreisvorsitzender.
„Wir haben mit unserem Direktkandidaten Martin Mölders einen engagierten Wahlkampf geführt und sind dafür belohnt worden“, so der Gothaer Fdpkreisvorsitzende Jens Panse, den aber das Gesamtergebnis bedenklich stimmt. „Die Regierungsbildung dürfte schwierig werden“, so Panse.
Bei Carsten Günther von der AFD überwog natürlich die Freude – zum einen über die 23,9 Prozent, die er bei den Erststimmen holte, zum anderen aber auch, dass er die SPD in „der Wiege der Partei“– in Gotha – überholt hat. Zu den Äußerungen des Afd-spitzenkanidaten Alexander Gauland am Sonntagabend, man werde Merkel „jetzt jagen“, sagte er: „Das ist nicht mein Stil und nicht meine Wortwahl.“Er habe den Wahlkampf im Landkreis Gotha und im Ilm-kreis „als ausgesprochen fair“erlebt, man könne zwar in der Sache unterschiedlicher Meinung sein, „müsse sich danach aber immer in die Augen sehen und sich die Hand geben können. Und das war bei allen sieben Kandidaten im Wahlkreis der Fall.“
Petra Heß hatte ihre Enttäuschung am Montagmorgen noch nicht ganz überwunden. Sie holte zwar „das beste von vielen schlechten Ergebnissen in Thüringen“für die Sozialdemokraten – trotzdem: „Ich hätte mir natürlich ein besseres Ergebnis erhofft.“Den Schritt ihrer Partei, ab sofort in die Opposition zu gehen, bezeichnet sie „als richtig und konsequent, das haben die Wähler so entschieden“. Zimmernsupra. Wechselnde Gefühle bewegen den Gothaer Cdu-kreisvorsitzenden Jörg Kellner hinsichtlich des Ausgangs der Bundestagswahl. Wegen der großen Verluste der Union sei er sehr betroffen, auf der anderen Seite sieht er eine starke AFD.
Dass sein Parteifreund Tankred Schipanski das Direktmandat verteidigt habe, dazu hätten maßgeblich Wähler aus dem Landkreis Gotha beigetragen, stellt Kellner fest. „In Arnstadt sind die Ergebnisse für uns nicht berauschend.“Warum das so sei, das bedürfe einer gründlichen Analyse und Aufklärung. Diese müsse bis in jeden Ort gehen.
Selbst in Kellners Heimatort Zimmernsupra lag die AFD bei Erst- und Zweitstimmen rund zehn Prozent vor der CDU. „Da bin ich nicht verwöhnt“, räumt Kellner ein. „Da muss die Linke zugunsten der AFD Federn gelassen haben.“Die Linke sei in Zimmernsupra immer sehr stark gewesen. Die Gründe für die Zuwächse der AFD liegen nach Kellners Ansicht in einer allgemeinen Unzufriedenheit begründet. „Die AFD hat vom Bauchgefühl des Wählers profitiert. Dieses Bauchgefühl haben wir mit verursacht“räumt er selbstkritisch ein. (wifi)