Thüringer Allgemeine (Gotha)

Gewerkscha­ft: Thüringen fehlen 1000 Lehrer

Ernüchtern­de Bilanz vor den Herbstferi­en: Spardiktat auf Rücken von Schülern und Pädagogen

- Von Elena Rauch

Erfurt. Die Engpässe in Thüringens Lehrerzimm­ern sind prekär wie im alten Jahr. Kurz vor den Herbstferi­en zieht die Bildungsge­werkschaft GEW eine ernüchtern­de Bilanz. Rein rechnerisc­h seien mit den Einstellun­gen zwar die Altersabgä­nge dieses Jahres ausgeglich­en, in der Realität würden nur Löcher in der knappen Personalde­cke gestopft, kritisiert die Gew-landeschef­in Kathrin Vitzthum. Angesichts steigender Schülerzah­len und den Herausford­erungen der Inklusion würden auch die zusätzlich­en Einstellun­gen in den kommenden zwei Jahren die Personalsi­tuation kaum spürbar entlasten, befürchtet sie. Sie spricht von etwa 1000 zusätzlich­en Stellen, die in den kommen beiden Jahren nötig werden. Den Kampf um mehr Lehrer habe die Regierung bislang nicht so geführt, wie sie es sollte. Dabei spare die Regierung bei den Neueinstel­lungen sogar Geld, weil neue Lehrer in der Regel niedriger eingruppie­rt werden, als die ausscheide­nden älteren Kollegen. Allein für dieses Jahr errechnete die GEW die eingespart­e Summe auf fünf bis sieben Millionen Euro. Das Geld müsse genutzt werden, um kurzfristi­g die Personalsi­tuation zu entlasten, fordert Kathrin Vitzthum. So laufe die Personalre­serve von 100 Stellen völlig ins Leere, weil sie im regulären Unterricht Lücken schließt. Angesichts der steigenden Zahl der langzeiter­krankten Kollegen müsste eine echte Reserve von mindestens 500 Stellen her.

Besorgnise­rregend sei die Entwicklun­g bei den Bewerbunge­n in den Schuldiens­t. Auf eine ausgeschri­ebene Stelle kamen 2016 noch 7,6 Bewerbunge­n, in diesem Jahr waren es nur noch 3,4 Bewerber, und das trotz Verbeamtun­g. Im Ergebnis wurden in vielen Fällen Stellen besetzt, die nicht dem eigentlich­en Bedarf der Schulen entspreche­n. Um Lehrer für den Unterricht in Mangelfäch­ern fit zu machen, brauche man schnell feste Weiterbild­ungsstrukt­uren.

Die Gewerkscha­ft wirft der Regierung, die sich bei der Personalmi­sere stets auf das Erbe der Sparpoliti­k ihrer Vorgänger beruft, eigene Versäumnis­se und Spardogmat­ik auf dem Rücken von Schülern und Pädagogen vor. Hausgemach­t sei die dramatisch­e Entwicklun­g in den Horten. Nach ihrer Rückführun­g in das Land werden Erziehern in der Regel lediglich halbe Stellen angeboten. Davon kann man kaum leben, so Kathrin Vitzthum, im Ergebnis finden sich kaum noch Bewerber. Wenn hier nicht schnell nachgebess­ert werde, stehe das Zukunftsmo­dell Gesamtschu­le auf dem Spiel. Mit den Hochschule­n müsse dringend über eine Neuausrich­tung des Lehramtsst­udiums verhandelt werden, das habe die Regierung bis heute nicht angefasst. Immer wieder angemahnt wurde eine Aufstockun­g der Referendar­stellen. Thüringen brauche zumindest ein drittes Studiensem­inar, die zwei bestehende­n in Erfurt und Gera seien überforder­t.

Solange es nicht mehr Lehramtsst­udierende gebe, würde eine Erhöhung der Referandar­stellen ins Leere laufen, kontert indessen das Bildungsmi­nisterium. In den vergangene­n Jahren habe man allen Bewerbern einen Platz anbieten können, lediglich für die Gymnasien habe es Wartesemes­ter gegeben.

Die durch Neueinstel­lungen eingespart­e Summe konnte man im Ministeriu­m gestern nicht bestätigen. In jedem Falle aber werde jeder eingespart­e Euro in Bildung investiert. Allein für die Besoldungs­erhöhung der Regelschul­lehrer gebe man rund acht Millionen Euro aus. ▶

Modell der Gesamtschu­le steht auf dem Spiel

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Schulallta­g, der auch in diesem Jahr von Lehrermang­el geprägt ist. Archiv-foto: Daniel Karmann, dpa

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