Wie die Briefwahl die Wahlbeteiligung senkt
Bleibt die Zahl der Briefwähler unter 50, wird sie dem Gemeindeergebnis nicht hinzugerechnet
Abo-service Anzeigen-service Ticket-service () () () () Quirla. Bürgermeister Robin Kusch staunte am Tag nach der Bundestagswahl nicht schlecht, als er die Ergebnisse für die Gemeinde Quirla (Saale-holzlandkreis) in der Zeitung las. Nicht das Ergebnis, aber die Wahlbeteiligung sorgte für Stirnrunzeln.
Als der Gemeindechef am Sonntagabend von den Mitgliedern des Wahlvorstandes die Wahlbeteiligung mitgeteilt bekam, war er zufrieden. Schließlich hätte sie bei fast 82 Prozent gelegen – ohne Briefwähler.
„Und wenn alle Briefwähler tatsächlich gewählt hatten, käme man sogar auf eine Beteiligung über 84 Prozent“, erinnert sich Kusch an die Aussage. „Im Internet stand allerdings nur eine Zahl von 70,3 Prozent.“Nun fragt er sich: Haben sich die Wahlhelfer so verrechnet? „Die Frage stellt sich nach jeder Wahl“, sagt Cornelia Schönfuß, Mitarbeiterin im Büro des Landeswahlleiters. Mathematisch sei alles korrekt – die eine wie die andere Zahl.
Doch wie kommt es zu dieser geringeren Wahlbeteiligung? Das hat mit der Anzahl der Briefwähler je Gemeinde zu tun – und mit dem Wahlgeheimnis.
Laut Bundeswahlgesetz soll die Zahl der eingehenden Wahlbriefe pro Gemeinde 50 nicht unterschreiten. Ist sie kleiner, dann bekommt eine Gemeinde keinen eigenen Briefwahlbezirk. Stattdessen wird ein „überregionaler“Briefwahlbezirk gebildet. „Der Briefwahlvorstand ermittelt hier für mehrere zusammengelegte Gemeinden das Briefwahlergebnis“, erklärt Cornelia Schönfuß. Um das Wahlgeheimnis zu gewährleisten, sei eine Aufteilung auf die zusammengefassten Gemeinden nicht möglich. Denn die Briefwähler senden mit dem zugeklebten Stimmzettel-umschlag auch ein unterschriebenes Formular mit, auf dem sie garantieren, selbst gewählt zu haben.
Für Quirla gilt: Von den 417 Wahlberechtigten waren 293 am Sonntag im Wahllokal wählen. Das ergibt eine Wahlbeteiligung von 70,3 Prozent.
Nehmen wir an, weitere fünf Quirlaer hätten per Briefwahl gewählt, so würde die Zahl der Wähler auf 298 steigen und damit auch die Wahlbeteiligung. Doch da fünf Stimmen keinen eigenen Briefwahlbezirk rechtfertigen und leicht zurückverfolgbar wären, werden sie stattdessen dem überregionalen Briefwahlbezirk zugeschlagen.
Auch die Überlegung, die Zahl der Wahlberechtigten für den Wahlsonntag um die der Briefwähler – in Quirla von 417 auf 412 – zu reduzieren, fällt aus. Man sei ans Wählerverzeichnis gebunden, sagt Schönfuß – und damit für Quirla an 417.
„Es ist uns durchaus bewusst, dass dadurch die Wahlbeteiligung in den Gemeinden herabgesetzt dargestellt wird“, sagt sie, „aber eine andere Zuordnung, könnte als Manipulation aufgefasst werden, da keine Transparenz des Wahlergebnisses mehr gegeben wäre.“Außerdem gehe der Gesetzgeber davon aus, dass für das Wahlergebnis und die Sitzverteilung im Bundestag das Wahlkreisergebnis ausschlaggebend ist. Und im Wahlkreis 195 ist das Briefwahlergebnis von Quirla mit eingeflossen. (bas)