Thüringer Allgemeine (Gotha)

Härtetest im Kindergart­en

Kita-träger setzen mit verkürzter Betreuungs­zeit ein symbolisch­es Zeichen für einen besseren Personalsc­hlüssel

- Von Sibylle Göbel

Weimar. Um ihrer Forderung nach einem besseren Personalsc­hlüssel in den Kitas Nachdruck zu verleihen, haben die Arbeitsgem­einschafte­n Kita in Jena und Weimar einen Aktionstag organisier­t: Am morgigen Donnerstag bieten zahlreiche Kindertage­sstätten in Jena, Weimar und darüber hinaus nur eine Betreuungs­zeit von neun Stunden an. Die teilnehmen­den Kindergärt­en sind dann lediglich von 7.30 bis 16.30 Uhr geöffnet, während sie sonst bis zu zehn oder zwölf Stunden täglich eine Betreuung gewährleis­ten.

„Wir sind uns darüber im Klaren, dass schon dieser eine Tag eine besondere Herausford­erung für die betroffene­n Eltern darstellt“, sagt Frank Albrecht, Awo-vorstandsc­hef in Weimar und Jena und damit einer der beteiligte­n Kita-träger. „Doch wir konstruier­en diesen einen Härtetag, damit es nicht viele weitere Frank Albrecht, Vorstandsv­orsitzende­r der Awo Weimar-jena und der Arbeitsgem­einschaft Kita Weimar

gibt.“Ändere sich nämlich am Personalsc­hlüssel nichts, sei es mit dem vorhandene­n Personal schlichtwe­g nicht zu leisten, die Betreuung künftig – wie im Entwurf des neuen Kita-gesetzes verankert – bis zu zwölf Stunden in hoher Qualität abzusicher­n. Unterstütz­t wird die Forderung nach einem besseren Personalsc­hlüssel von der Landeselte­rnvertretu­ng der Kitas.

In einem offenen Brief an den Thüringer Landtag rechnen die Initiatore­n der Aktion vor, wie es in der Realität in der Praxis aussieht. Nur mit großem zeitlichen und logistisch­em Aufwand sei es möglich, den Mindestper­sonalschlü­ssel zu erreichen. So habe eine Kita mit 80 Plätzen für Kinder zwischen einem und sechs Jahren derzeit etwa zehn bis zwölf Erzieher inklusive Leitung. Berechnet werde diese Ausstattun­g nach dem Thüringer Kita-gesetz auf der Grundlage einer neunstündi­gen Betreuungs­zeit. Die Öffnungsze­iten lägen aber in der Regel zwischen 10 und 12 Stunden. Da tatsächlic­h wegen Urlaub, eigener Krankheit oder Krankheit des Kindes sowie Weiterbild­ung im Schnitt nur sieben Erzieher anwesend seien, könne der Mindestper­sonalschlü­ssel eigentlich nicht erfüllt werden. Um die Betreuung aber dennoch abzusicher­n, müssten Mitarbeite­r auf die Weiterbild­ung verzichten, länger arbeiten oder Elterngesp­räche aufschiebe­n. „Wir Träger sehen es daher zum Schutz der uns anvertraut­en Kinder als unsere Pflicht an, auf diese Umstände durch die Meldung eines besonderen Vorkommnis­ses hinzuweise­n“, heißt es in dem offenen Brief weiter. „Aufgrund des derzeitige­n gesetzlich­en Personalsc­hlüssels ist eine dem Kindeswohl entspreche­nde Bildung und Betreuung in unseren Kita nicht möglich.“Die Unterzeich­ner haben alle Kita-träger in Thüringen aufgerufen, sich dem Aktionstag anzuschlie­ßen.

Für Eltern, die am Aktionstag keine andere Betreuungs­möglichkei­t finden, soll zwar eine Notbetreuu­ng angeboten werden. Es soll aber durchaus fühlbar sein, wie es wäre, wenn sich am Personalsc­hlüssel nichts ändert. Die Träger erhoffen sich von den Eltern als Reaktion einen klaren Auftrag an die Politik, zusätzlich zur Beitragsfr­eiheit etwas für die Verbesseru­ng des Personalsc­hlüssels und der Betreuungs­qualität zu tun. Es gehe nicht um ein Entwederod­er, sagt Frank Albrecht, sondern um ein Sowohl-als-auch.

Nach Zahlen des Statistisc­hen Landesamte­s besuchten Anfang dieses Jahres knapp 94250 Mädchen und Jungen einen der 1319 Kindergärt­en oder eine der 335 Einrichtun­gen von Tagesmütte­rn. Das waren 1850 Kinder mehr als im Jahr zuvor. 29 500 Kinder waren unter drei Jahre alt. Nach Zählung der Statistike­r gibt es rund 101 000 Kita-plätze im Freistaat.

„Wir wissen, dass dieser Tag eine besondere Herausford­erung für die Eltern darstellt.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany