Der bayerische Patient
CSU - Chef Horst Seehofer steht nach dem schlechten Wahlergebnis stark unter Druck
Berlin. Die vergangenen beiden Tage haben Spuren hinterlassen – man sieht es dem bayerischen Ministerpräsidenten am Dienstag einen kurzen Moment lang an. Er streicht sich über die Brauen, verdeckt das Gesicht kurz hinter seinen Händen, atmet tief durch.
Neben dem Csu-vorsitzenden Horst Seehofer sitzt in der bayerischen Landesvertretung zur gleichen Zeit der frisch gewählte Chef der Csu-landesgruppe, Alexander Dobrindt. Er erklärt, dass die CSU nicht der 16. Landesverband der CDU sei, „sondern eine eigenständige politische Kraft“. Die man nicht übergehen dürfe.
So weit, so gut. Das hat auch Seehofer in den aufreibenden Stunden seit Sonntagabend in München mantraartig betont. Diese Salven waren im Kanzleramt im fernen Berlin nicht zu überhören. Am Dienstagmorgen kommt es dann zur ersten persönlichen Begegnung mit Kanzlerin Angela Merkel. Gesprächsbedarf zwischen den Vorsitzenden der Schwesterparteien CDU und CSU gibt es viel: Merkel hatte am Montag in ihrer Wahlanalyse erklärt, sie sehe nicht, was sie grundsätzlich ändern solle, sie habe den Wahlkampf nach ihren Vorstellungen geplant und geführt. Seehofer dagegen beharrte in München zwei Stunden später darauf, vor Sondierungen mit FDP und Grünen stehe eine neue gemeinsame Kursbestimmung der Schwestern. Insbesondere in der Flüchtlingsfrage, die rote Linie der CSU. Hinter den Begriff der Obergrenze, die den Zuzug nach Deutschland begrenzen soll, will man in München nicht zurück. Und Merkel lehnte dies bislang auch unter größtem Druck genauso strikt ab. Eine verfahrene Situation, die jetzt unter Zeitdruck gelöst werden soll. Doch es brodelt in der CSU, und zwar gewaltig. Die 38,8 Prozent, ein Minus von 10,5 Prozent, sind ein Debakel für eine Partei, die sich als den Staat tragend definiert. Im Bundestag stellt die CSU künftig die kleinste Gruppe. Zu allem Überfluss korrigiert der Wahlleiter am Dienstag das Ergebnis der Union von 33 auf 32,9 nach unten.
Doch für Seehofer geht es um mehr, es geht um das politische Überleben. Er selbst hatte ein Spektakel aus der Suche nach einem würdigen Nachfolger gemacht, im April verkündete er dann, dass er bei der Suche nur sich selbst gefunden habe – und über die Landtagswahl 2018 hinaus weitermachen wolle. Wenn die Bundestagswahl schiefgehe, könne man ihn „köpfen“. Soweit ist es noch nicht, doch es braut sich etwas zusammen.
Am Dienstag fordern immer mehr bayerische Landtagsabgeordnete, Orts- und Kreisverbände den Ministerpräsidenten auf, Konsequenzen aus dem historisch schlechten Ergebnis zu ziehen. Als erster Bezirksverband stellt die Oberpfalz-csu Seehofers politische Zukunft in Frage. Auch Seehofers Dauerrivale, der bayerische Finanzminister Markus Söder, genießt es, von „Debakel“und dem „schlechtesten Wahlergebnis seit 1949“zu sprechen.
Seehofer nennt es eine Debatte zur Unzeit. Nach dem enttäuschenden Ergebnis gehörten Fragen dazu, „aber mit dem richtigen Stil und am richtigen Platz: Parteitag.“Er betont: „Wir werden keine schrägen Kompromisse machen“, und verweist darauf, Horst Seehofer, Csu-vorsitzender
dass er die Zustimmung eines Csu-parteitags und möglicherweise auch die Zustimmung der Basis in einer Mitgliederbefragung braucht. Es klingt wie eine Beschwörung.
Am Nachmittag dann das erste öffentliche Aufeinandertreffen von Merkel und Seehofer vor den neuen und alten Abgeordneten. Die Kanzlerin analysiert einen Stimmungsumschwung im Land nach dem Tvduell Anfang September. Man müsse jetzt „den Leuten zeigen, dass wir verstanden haben, was sie von uns erwarten“, wird sie später zitiert. Seehofer spricht danach, macht deutlich, dass man diese Einschätzung nun auch nach außen öffentlich machen muss. „Wir dürfen jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen.“Die Linie, darauf haben die beiden sich verständigt, ist, dass man sich in der ersten Hälfte des Oktobers innerhalb der Union verständigt und dann gemeinsam und geschlossen in die Sondierungen geht.ein guter Plan, doch auch wenn es bis auf eine Hand voll Wortmeldungen ruhig in der Fraktionssitzung bleibt: Ein Viertel der Abgeordneten stimmt gegen den neuen Fraktionschef von der CDU, Volker Kauder. Ein klarer Dämpfer.
Und Seehofer? Kämpfen, so sagt er, das wolle er – wie nach seiner schweren Krankheit auch. Kämpfen, für einen klaren Kurs, dann eine starke Regierung. Doch er wird für mehr kämpfen müssen. Am heutigen Mittwoch trifft sich in München die Landtagsfraktion.
Merkel hat Votum der Wähler „verstanden“
„Wir werden keine schrägen Kompromisse machen.“