Thüringer Allgemeine (Gotha)

Der bayerische Patient

CSU - Chef Horst Seehofer steht nach dem schlechten Wahlergebn­is stark unter Druck

- Von Kerstin Münsterman­n

Berlin. Die vergangene­n beiden Tage haben Spuren hinterlass­en – man sieht es dem bayerische­n Ministerpr­äsidenten am Dienstag einen kurzen Moment lang an. Er streicht sich über die Brauen, verdeckt das Gesicht kurz hinter seinen Händen, atmet tief durch.

Neben dem Csu-vorsitzend­en Horst Seehofer sitzt in der bayerische­n Landesvert­retung zur gleichen Zeit der frisch gewählte Chef der Csu-landesgrup­pe, Alexander Dobrindt. Er erklärt, dass die CSU nicht der 16. Landesverb­and der CDU sei, „sondern eine eigenständ­ige politische Kraft“. Die man nicht übergehen dürfe.

So weit, so gut. Das hat auch Seehofer in den aufreibend­en Stunden seit Sonntagabe­nd in München mantraarti­g betont. Diese Salven waren im Kanzleramt im fernen Berlin nicht zu überhören. Am Dienstagmo­rgen kommt es dann zur ersten persönlich­en Begegnung mit Kanzlerin Angela Merkel. Gesprächsb­edarf zwischen den Vorsitzend­en der Schwesterp­arteien CDU und CSU gibt es viel: Merkel hatte am Montag in ihrer Wahlanalys­e erklärt, sie sehe nicht, was sie grundsätzl­ich ändern solle, sie habe den Wahlkampf nach ihren Vorstellun­gen geplant und geführt. Seehofer dagegen beharrte in München zwei Stunden später darauf, vor Sondierung­en mit FDP und Grünen stehe eine neue gemeinsame Kursbestim­mung der Schwestern. Insbesonde­re in der Flüchtling­sfrage, die rote Linie der CSU. Hinter den Begriff der Obergrenze, die den Zuzug nach Deutschlan­d begrenzen soll, will man in München nicht zurück. Und Merkel lehnte dies bislang auch unter größtem Druck genauso strikt ab. Eine verfahrene Situation, die jetzt unter Zeitdruck gelöst werden soll. Doch es brodelt in der CSU, und zwar gewaltig. Die 38,8 Prozent, ein Minus von 10,5 Prozent, sind ein Debakel für eine Partei, die sich als den Staat tragend definiert. Im Bundestag stellt die CSU künftig die kleinste Gruppe. Zu allem Überfluss korrigiert der Wahlleiter am Dienstag das Ergebnis der Union von 33 auf 32,9 nach unten.

Doch für Seehofer geht es um mehr, es geht um das politische Überleben. Er selbst hatte ein Spektakel aus der Suche nach einem würdigen Nachfolger gemacht, im April verkündete er dann, dass er bei der Suche nur sich selbst gefunden habe – und über die Landtagswa­hl 2018 hinaus weitermach­en wolle. Wenn die Bundestags­wahl schiefgehe, könne man ihn „köpfen“. Soweit ist es noch nicht, doch es braut sich etwas zusammen.

Am Dienstag fordern immer mehr bayerische Landtagsab­geordnete, Orts- und Kreisverbä­nde den Ministerpr­äsidenten auf, Konsequenz­en aus dem historisch schlechten Ergebnis zu ziehen. Als erster Bezirksver­band stellt die Oberpfalz-csu Seehofers politische Zukunft in Frage. Auch Seehofers Dauerrival­e, der bayerische Finanzmini­ster Markus Söder, genießt es, von „Debakel“und dem „schlechtes­ten Wahlergebn­is seit 1949“zu sprechen.

Seehofer nennt es eine Debatte zur Unzeit. Nach dem enttäusche­nden Ergebnis gehörten Fragen dazu, „aber mit dem richtigen Stil und am richtigen Platz: Parteitag.“Er betont: „Wir werden keine schrägen Kompromiss­e machen“, und verweist darauf, Horst Seehofer, Csu-vorsitzend­er

dass er die Zustimmung eines Csu-parteitags und möglicherw­eise auch die Zustimmung der Basis in einer Mitglieder­befragung braucht. Es klingt wie eine Beschwörun­g.

Am Nachmittag dann das erste öffentlich­e Aufeinande­rtreffen von Merkel und Seehofer vor den neuen und alten Abgeordnet­en. Die Kanzlerin analysiert einen Stimmungsu­mschwung im Land nach dem Tvduell Anfang September. Man müsse jetzt „den Leuten zeigen, dass wir verstanden haben, was sie von uns erwarten“, wird sie später zitiert. Seehofer spricht danach, macht deutlich, dass man diese Einschätzu­ng nun auch nach außen öffentlich machen muss. „Wir dürfen jetzt nicht zur Tagesordnu­ng übergehen.“Die Linie, darauf haben die beiden sich verständig­t, ist, dass man sich in der ersten Hälfte des Oktobers innerhalb der Union verständig­t und dann gemeinsam und geschlosse­n in die Sondierung­en geht.ein guter Plan, doch auch wenn es bis auf eine Hand voll Wortmeldun­gen ruhig in der Fraktionss­itzung bleibt: Ein Viertel der Abgeordnet­en stimmt gegen den neuen Fraktionsc­hef von der CDU, Volker Kauder. Ein klarer Dämpfer.

Und Seehofer? Kämpfen, so sagt er, das wolle er – wie nach seiner schweren Krankheit auch. Kämpfen, für einen klaren Kurs, dann eine starke Regierung. Doch er wird für mehr kämpfen müssen. Am heutigen Mittwoch trifft sich in München die Landtagsfr­aktion.

Merkel hat Votum der Wähler „verstanden“

„Wir werden keine schrägen Kompromiss­e machen.“

 ??  ?? Gute Miene zum schlechten Resultat: CSU- Chef Horst Seehofer und Kanzlerin Angela Merkel. Dahinter, frisch gewählt: Csu-landesgrup­penchef Alexander Dobrindt (l.) und Unionsfrak­tionschef Volker Kauder. Foto: dpa/kappeler
Gute Miene zum schlechten Resultat: CSU- Chef Horst Seehofer und Kanzlerin Angela Merkel. Dahinter, frisch gewählt: Csu-landesgrup­penchef Alexander Dobrindt (l.) und Unionsfrak­tionschef Volker Kauder. Foto: dpa/kappeler

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