Graffiti-projekt vereint verschiedene Generationen
Junge Gothaer Künstler bereichern die Seniorenakademie. Für die Stadtbibliothek entsteht ein Luther-kopf
Gotha. Angelika Nyga traut sich. Genau wie Rainer Gattinger und Michael Dittmar. Die drei Teilnehmer der Gothaer Seniorenakademie haben gerade im Cibulka-saal der Stadtbibliothek einen Vortrag über Graffitikunst gehört. Nach der Theorie folgt die Praxis: Im Hof steht dafür alles bereit – sowohl Farbe in Spraydosen als auch das Motiv – ein überdimensionaler Lutherkopf, aufgeteilt in vier Platten. Schließlich haben wir das Reformationsjahr.
Die drei Mutigen streifen sich schwarze Gummihandschuhe über. Dann suchen sie sich eine der Spraydosen aus, die mit Zahlen markiert aufgereiht sind. Kurz schütteln, und schließlich auf das Feld sprühen, das mit der selben Zahl wie die Dose bezeichnet ist – wie bei Malen nach Zahlen.
Angelika Nyga strahlt. „Das macht Spaß“, sagt sie, und hat schnell eine Fläche mit der Nummer drei gefüllt. Die anderen Zuhörer der Seniorenakademie schauen sich das erst mal aus der Ferne an. Zögerlich kommen einige von ihnen näher – und versuchen es dann auch.
„Der erste Durchgang am Vormittag war aufgeschlossener. Da wollten fast alle gleich loslegen und es gab Streit um die Farbdosen“, sagt Ronny Lehmann. Der Bildungskoordinator der Stadtbibliothek „Heinrich Heine“hat das Graffiti-projekt mit vorbereitet. „Es ist spannend, Jung und Alt mit scheinbar ungewöhnlichen Themen zusammen zu bringen. Da gibt es Interesse, aber auch Skepsis. Auf jeden Fall hilft es, Vorurteile abzubauen.“ Der Gothaer Graffiti-künstler „Fuenfzwo“hat die Vorlage für den Lutherkopf gestaltet. Sven Kerber, selbst Sprayer und in der städtischen Jugendarbeit im „Big Palais“und als Betreuer im Präventionsprogramm Graffiti beschäftigt, hat den Vortrag über „Graffiti – Schmiererei oder sogar eine Kunstform?“gehalten. Die beiden jungen Leute geben nun ihren Gästen Anleitung fürs Sprayen. Zusätzlich zum Luther-kopf sind Folien mit einem Luther-schriftzug gespannt, auf denen die Teilnehmer ebenfalls probieren können, wie Graffiti entstehen.
Platziert werden soll das ungewöhnliche Luther-porträt im Torbogen des einstigen Hofgärtnerhauses. „Auch unser Freundeskreis hat das Projekt unterstützt. Er hat die Materialkosten bezahlt“, macht Nicole Strohrmann, Leiterin der Stadtbibliothek und Vorstandsmitglied des Fördervereins, aufmerksam. „Solche generationsübergreifenden Projekte finden wir sehr wichtig.“
Es ist nicht das einzige Angebot der Bibliothek, bei dem sich Junge und jung Gebliebene begegnen können. Ronny Lehmann verweist auf zwei Veranstaltungsreihen, die er zusammen gebracht hat – „Wortraum“, einen Dichterzirkel für junge Leute, und die Lesereihe „Lebensbilder“für die ältere Generation. „Die Diskussion war sehr interessant. Junge und alte Menschen haben dabei zwar Unterschiede, aber auch viele Gemeinsamkeiten festgestellt. Das betrifft die Motivation fürs Texteschreiben genauso wie den Ärger über einen Text, der nicht gelingen will“, so Lehmann.
Die Gothaer Seniorenakademie findet bereits zum 11. Mal statt. In dieser Vortragsreihe werden von September bis März insgesamt zehn lokale, historische, wissenschaftliche oder international interessante Themen – gut verständlich – aufbereitet. In den beiden nächsten Veranstaltungen geht es um Friedrich Myconius und um Gothas Städtepartnerschaften.
Freundeskreis der Bibliothek hilft finanziell