Thüringer Allgemeine (Gotha)

„Verabredun­gen im Hinterzimm­er“

Wegen der nötigen Zweidritte­lmehrheit hat die Opposition ein Wörtchen mitzureden. Die AFD wird dafür nicht gebraucht

- Von Volkhard Paczulla

Erfurt. „So wahr mir Gott helfe.“Kjell Eberhardt benutzte gestern die religiöse Bekräftigu­ngsformel, als er im Landtag nach seiner Wahl zum stellvertr­etenden Mitglied des Thüringer Verfassung­sgerichtsh­ofs vereidigt wurde.

Für ihn, den ehemaligen Kultus-staatssekr­etär, ist es die zweite Amtszeit als Richter-reserve in Weimar. Die CDU hatte ihn erneut vorgeschla­gen. Seine Wiederwahl war im Grunde ein Routinevor­gang.

Nur nicht für die AFD. Stefan Möller, ihr parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer, beklagte sich in einem Brief an Landtagspr­äsident Christian Carius (CDU) darüber, dass seine Fraktion einmal mehr vom parlamenta­rischen Geschehen ausgegrenz­t worden sei. „Die Besetzung solcher Ämter verabreden die anderen im sprichwört­lichen Hinterzimm­er“, sagte Möller dieser Zeitung. Die AFD könne dann den präsentier­ten Kandidaten nur noch mitwählen oder ihn ablehnen. Das sei zu wenig, wenn man es denn ernst meine mit der parlamenta­rischen Demokratie.

In den anderen Fraktionen wird sich gewundert, worüber sich Möller eigentlich beschwert. Auf Wunsch werde sich Eberhardt selbstvers­tändlich auch bei der Afd-fraktion noch vor der Wahl vorstellen, erklärte Volker Emde (CDU).

Auch habe die AFD rechtzeiti­g von der anstehende­n Wahl erfahren, so dass es ihr unbenommen war, einen eigenen Kandidaten aufzustell­en. Wenn dieser dann nicht gewählt werde, liege es wohl an den Mehrheitsv­erhältniss­en.

Das alles weiß Stefan Möller selbst. Aber er will es nicht akzeptiere­n, wenn Dorothea Marx (SPD) achselzuck­end anmerkt, die CDU habe für diese Amtsbesetz­ung das Vorschlags­recht gehabt. Denn das ist kein geschriebe­nes Recht. Es ist eine Verabredun­g unter politische­n Konkurrent­en.

Schuld daran ist die gesetzlich­e Vorschrift, dass Mitglieder des Verfassung­sgerichts mit Zweidritte­lmehrheit des Landtags gewählt werden müssen.

Weil noch keine Thüringer Koalition seit 1990 über diese Mehrheit verfügte, musste man sich stets mit der Opposition arrangiere­n. Besser gesagt: Nur mit dem Teil von ihr, der zur Zweidritte­lmehrheit ausreichte. Nutznießer davon war lange die SPD, während die Linke, damals PDS, außen vor gelassen werden konnte. Erst als sich im Parlament die Kräfteverh­ältnisse änderten, brachte auch sie Personalvo­rschläge unter.

Zum Beispiel den Verfassung­srichter Jens Petermann, ehemals Bundestags­abgeordnet­er der Linken und im Hauptberuf Sozialrich­ter. Ihn griff die AFD erst kürzlich rüde an und will ihn für befangen erklären lassen. Besondere Großzügigk­eit im parlamenta­rischen Umgang sollte sie dafür eher nicht erwarten.

Übrigens: Kjell Eberhardt kam als stellvertr­etender Verfassung­srichter bisher kein einziges Mal zum Einsatz.

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Foto: Steffen Högemann
Kjell Eberhardt. Foto: Steffen Högemann

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