Der Mann mit den drei Herzen
Harald Becker aus Gera hat zwei Unterstützungspumpen eingepflanzt bekommen – normalerweise eine Notlösung, die aber immer öfter angewendet wird
Gera/berlin. Harald Becker hat viel Herz – allein schon medizinisch gesehen. In seiner Brust schlägt sein eigenes, dazu kommen zwei eingepflanzte künstliche Pumpen. Damit ist der 66 Jahre alte Thüringer einer der wenigen Menschen weltweit, die mit drei Herzen leben.
Am Anfang war das eine Notlösung. Doch inzwischen bekommen auch andere schwer herzkranke Patienten diese Chance, obwohl das künstliche „Doppelherz“noch gar nicht offiziell zugelassen ist.
„Mein Herz war so schwach, dass ich kaum noch atmen konnte“, erinnert sich Harald Becker im Vorfeld des Weltherztages am 29. September. Bohrwerksdreher war er früher, dann erlitt er einen schweren Herzinfarkt. Eine Grippe hätte ihn später beinahe umgebracht.
Nun hat er es sich in seinem Gärtchen vor einem Neubaublock in Gera bequem gemacht. Er erinnert sich an zwölf Operationen und fünf lange Monate im Krankenhaus und weiß: Ohne all das wäre er jetzt tot.
Vielleicht hätte Harald Becker früher eine Chance auf eine Herztransplantation gehabt. Bei Mitte 60 liegt die Altersgrenze. Noch vor 20 Jahren gab es für Deutschland mehr als 500 Spenderherzen im Jahr, die Verteilung verlief oft großzügiger als heute. Inzwischen gibt es jährlich nur noch rund 300 Spender für ein Herz.
Für Thomas Krabatsch, Oberarzt am Deutschen Herzzentrum, hat das nicht allein mit mangelnder Spendenbereitschaft oder dem Organspendeskandal zu tun, bei dem auch das Herzzentrum ins Visier der Ermittler geriet. „Unsere Fahrzeuge werden immer sicherer und unser Rettungswesen immer besser“, sagt er. Das führe dazu, dass nach Unfällen weniger hirntote Patienten in Kliniken liegen – und damit weniger potenzielle Spender. Krabatsch ist Herzchirurg und Experte für Unterstützungspumpen. Dabei bleibt das Herz, wo es ist – aber der Herzmuskel bekommt Hilfe. Reicht ein Herzschrittmacher dafür nicht aus? „Das ist wie beim Auto“, so der Mediziner. „Die Zündung nutzt nichts, wenn der Motor kaputt ist.“Und der Motor des Körpers ist das Herz.
Unter Harald Beckers Sonnenschirm stehen zwei Taschen, jede 2,5 Kilo schwer. Sie sind seine ständigen Begleiter. Denn darin stecken die Steuerungseinheiten für die Pumpen und die Akkus. Aus jeder Tasche ragt ein Kabel. Becker zieht sein Hemd hoch: Die Kabel verschwinden unter Pflastern in seinem Bauch. Durch sie bekommen die Pumpen ihre Energie. Er darf aber nicht vergessen, jeden Tag rund ein Dutzend Tabletten zu schlucken. Blutverdünner gehören zur Therapie – lebenslang.
Künstliche Unterstützung mit kleinen implantierbaren Pumpen gibt es bisher nur für die linke Herzkammer. Rund 1000 Patienten im Jahr bekommen nach Angaben des Herzzentrums in Deutschland eine Pumpe eingesetzt. In Beckers Fall haben die Berliner Ärzte zwei Linksherzpumpen genommen und eine davon rechts eingesetzt. „Das ist so noch nicht zugelassen, aber die ärztliche Therapiefreiheit erlaubt uns das“, sagt Krabatsch.
Becker genießt die gewonnene Lebenszeit. „Man freut sich selbst über kleine Sachen“, sagt er. Regelmäßig geht er nun wieder zu seinen Stammtischen. Und auf Reisen muss er auch nicht verzichten. (dpa)
Zwei Taschen als ständige Begleiter