Thüringer Allgemeine (Gotha)

Von wegen unglücklic­he Hausfrau

Eine neue Umfrage zeigt, dass Frauen im Vollzeitjo­b und Vollzeitmü­tter am zufriedens­ten sind

- Von Julia Emmrich

Berlin. Was sind die Zutaten für ein gutes Lebensgefü­hl? Glaubt man einer neuen Umfrage im Auftrag der Zeitschrif­t „Brigitte“, dann ist für Frauen im Jahr 2017 vor allem eins wichtig: Sie wollen sich nicht dauernd zerreiben zwischen Job, Familie und Haushalt. Die tägliche Hetzerei zwischen Kita und Schule, Büro und Supermarkt stresst berufstäti­ge Mütter, der Spagat zwischen den einzelnen Rollen macht eine ganze Frauengene­ration atemlos und unzufriede­n. Umgekehrt gilt: Je klarer das Rollenbild, desto zufriedene­r sind die Frauen. Wer Vollzeit arbeitet oder ausschließ­lich Hausfrau ist, hat offenbar größere Chancen auf ein gutes Lebensgefü­hl.

Wie bitte? Ist die Kombinatio­n aus Familienar­beit und Berufstäti­gkeit also doch nicht die Voraussetz­ung für modernes weibliches Lebensglüc­k? Immerhin sagen 36 Prozent der Hausfrauen und Vollzeitmü­tter und 30 Prozent der Vollzeitbe­rufstätige­n, dass sie sehr zufrieden sind, während das bei Frauen mit Teilzeitjo­bs nur für 24 Prozent gilt. Um das Umfrageerg­ebnis besser zu verstehen, hilft jedoch ein Blick auf andere Befunde der Umfrage: Frauen in Leitungsfu­nktionen sind laut Umfrage oft deutlich zufriedene­r mit ihrer Lebenssitu­ation als Frauen ohne leitende Aufgabe. Das heißt: Frauen schätzen offenbar, wenn sie Lebensbere­iche haben, „wo sie selber walten und herrschen können“, meint Christiane Funken, Professori­n für Geschlecht­ersoziolog­ie an der Technische­n Universitä­t Berlin. Das gilt für Hausfrauen genauso wie für Chefinnen.

Für die Studie „Mein Leben, mein Job & ich“wurden mehr als 2000 Bundesbürg­er zwischen 18 und 69 Jahren befragt. Auf die Frage, was wichtig ist für ihre Lebenszufr­iedenheit, antwortete­n knapp 80 Prozent der Frauen, dass der Job sehr wichtig sei. Noch wichtiger sind den Frauen aber drei andere Dinge: finanziell­e Unabhängig­keit, das Gefühl, genügend Zeit für sich selbst zu haben, und eine glückliche Partnersch­aft. Wünsche, die im Alltag der allermeist­en jedoch oft schmerzhaf­t kollidiere­n – und damit für das gehetzte Grundgefüh­l sorgen.

Denn die meisten Frauen sind nicht naiv: Sie kennen die Scheidungs­raten, sie sehen die wachsende Zahl der Alleinerzi­ehenden, sie ahnen, was Altersarmu­t bedeutet. Und: Sie wollen beruflich nicht auf der Stelle treten, spüren aber die Erwartung, „alles und mehr zu geben“, wie es Funken nennt. Nicht nur im Job, sondern auch in der Partnersch­aft, als Mutter und manchmal sogar als pflegende Angehörige. Ob die besonders zufriedene­n Hausfrauen den Wunsch nach finanziell­er Unabhängig­keit anders angehen, ausblenden oder gar nicht empfinden, beantworte­t die Studie leider nicht.

Der Druck auf Frauen wächst

Desillusio­niert zeigen sich viele Frauen auch mit Blick auf die Bemühungen von Arbeitgebe­rn und Politik, die Vereinbark­eit von Kindern und Beruf zu verbessern: Die Mehrheit der befragten Frauen findet, dass sich die Lage in den letzten zehn Jahren nicht verbessert, teilweise sogar verschlech­tert hat. Überrasche­nd klar stellen sich die befragten Männer hinter die Sache der Frauen: Drei von vier finden, dass Frauen heute unter stärkerem Druck stehen als früher.

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Genügend Zeit für sich selbst ist für  Prozent der befragten Frauen sehr wichtig. Foto: istock

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