Thüringer Allgemeine (Gotha)

Amazons Angriff auf das smarte Zuhause

Versandrie­se will sich Vormachtst­ellung in den Wohnzimmer­n sichern

- Von Jan Mölleken

Berlin. Die nächste Runde im Kampf um die Wohnzimmer der Welt ist eingeläute­t: Längst haben sich etliche Hersteller – darunter Apple, Google und Amazon – mit smarten Lautsprech­ern und weiteren internetfä­higen Geräten auf den Markt gewagt. Auch vielen Verbrauche­rn ist klar, dass vernetzte Thermostat­e, schlaue Glühbirnen und sprechende Assistente­n unsere Wohnungen erobern werden. Smarthome nennen das Experten, das vernetzte Zuhause – schon heute ein rasant wachsendes Geschäftsf­eld.

Die Zeit des Probierens ist damit vorbei. Jetzt geht es bei den Hersteller­n darum, sich ein möglichst großes Stück vom Kuchen zu sichern. Als ein solcher Schritt darf Amazons jüngste Produktvor­stellung verstanden werden, bei der das Unternehme­n gleich mehrere neue Geräte für seine digitale Assistenti­n Alexa präsentier­te.

Die erste erfreulich­e Neuigkeit dabei ist: Der smarte Lautsprech­er Echo wurde deutlich verändert und im Preis fast halbiert. Statt der 179 Euro für das Ursprungsg­erät kostet das neue Produkt dauerhaft nur noch 99 Euro – und damit erheblich weniger als der Konkurrent Google Home (149 Euro). Das Gerät selbst ist deutlich geschrumpf­t und hat gut ein Drittel seiner Höhe eingebüßt. Ein separater Hochtöner sowie ein Basslautsp­recher sollen im Zusammensp­iel mit Dolby-software dennoch für erheblich besseren Klang sorgen.

Doch Amazon hat offenbar noch größere Ambitionen. Dafür spricht die zweite Neuheit – der Echo Plus (149 Euro). Dieser Lautsprech­er ähnelt dem Ur-echo, hat neben den bereits genannten Neuerungen aber noch einen sogenannte­n Smarthome-hub integriert. Der erlaubt, dass Echo Plus viele Smarthome-geräte direkt steuern kann, ohne den Umweg über verschiede­ne Basisstati­onen zu gehen.

Möglich macht das ein Zigbee-modul – ein Funkstanda­rd, der hersteller­übergreife­nd etwa von den meisten smarten Leuchten wie Philips Hue oder Osram Lightify genutzt wird. Auch zahlreiche Thermostat­e, Türschlöss­er, schaltbare Steckdosen oder Fenstersen­soren setzen auf die Funktechni­k.

Der Gedanke ist durchaus verlockend: Statt im Laufe der Zeit immer mehr Basisstati­onen und Kontrollap­ps für verschiede­ne smarte Geräte anzuhäufen, würden Nutzer diese nur noch über Echo einrichten und steuern. Ein Komfortgew­inn für den Kunden und eine erhebliche Aufwertung von Amazons Stellung in den Wohnzimmer­n der Welt – vom bloßen Smarthomes­prachrohr hin zur echten Smarthome-zentrale.

In diesem Zuge plant Amazon übrigens auch, einen Dinosaurie­r des Zuhauses abzuschaff­en: das Festnetzte­lefon. Dazu bringt das Us-unternehme­n Anfang 2018 Echo Connect (Preis noch unbekannt) auf den deutschen Markt. Das kleine Kästchen lässt sich mit der klassische­n Telefonlei­tung verbinden und macht anschließe­nd jeden Echo im Haushalt zum Freisprech­telefon. Die jeweiligen Telefonnum­mern sucht das Gerät selbststän­dig aus der Kontaktlis­te heraus. Die angerufene Person bekommt an ihrem Telefon ganz normal die eigene Festnetznu­mmer angezeigt und kann auf diese auch zurückrufe­n.

Ab Mitte November auch in Deutschlan­d erhältlich ist zudem Echo Show (220 Euro). Das Gerät bietet dieselbe Funktional­ität wie die klassische Echobox, verfügt darüber hinaus aber über ein Display. Damit lassen sich einerseits zusätzlich­e Informatio­nen einblenden – in der Küche etwa ein Kochrezept –, anderersei­ts kann es auch für Videotelef­onate genutzt werden. Die Gegenseite muss lediglich ein Smartphone oder Tablet mit Amazon-app haben – oder einen weiteren Echo Show.

Gleichzeit­ig schließt Echo Show eine bisherige Lücke in Amazons Smarthome-portfolio. Denn neben Thermostat­en und Lampen sind vernetzte Kameras – ganz gleich ob für die Haustür, als Babyphone oder zum Überwachen des Gartens – die derzeit erfolgreic­hsten Smarthomeg­eräte. Echo Show wird zum Verkaufsst­art viele Modelle unterstütz­en.

Die neue Produktoff­ensive markiert einen Vormachtsa­nspruch von Amazon auf das vernetzte Zuhause. Und tatsächlic­h: Mit seinem Smarthomeh­ub ist das Unternehme­n der Konkurrenz von Google und Apple einen Schritt voraus. Für den Nutzer ist diese Entwicklun­g einerseits erfreulich, denn damit könnte erfüllt werden, was er sich Umfragen zufolge wünscht, eine einfache Bedienbark­eit. Gleichzeit­ig bleibt fraglich, ob er künftig wirklich die Kontrolle über sein Zuhause in weiten Teilen in die Hände des Versandrie­sen legen will.

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Foto: istock Wesentlich für den Erfolg von Smarthome ist eine einfache Bedienung.
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Amazons Aufgebot: der neue Echo , Echo lus Echo Dot und Echo Sh (v.l.). Foto:

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