Behördennummer 115 scheitert in Thüringen am Geld
Bis auf den Saale-holzland-kreis ist keine Kommune im Freistaat unter der bundesweit einheitlichen Rufnummer erreichbar
Eisenberg. Vor sieben Jahren wurde die Behördennummer 115 offiziell eingeführt. Sie soll in ganz Deutschland der „direkte telefonische Draht in die Verwaltung und erste Anlaufstelle für Fragen aller Art“werden. Ganz egal ob es sich um Fragen zur Kfz-zulassung, zum Reisepass oder zum Wohngeld handelt. Doch in Thüringen ist die 115 nur im Saale-holzlandkreis (SHK) erreichbar. Die kreisfreien Städte wie Jena und Gera sowie die übrigen Landkreise setzen bislang auf ihre eigenen Telefonzentralen.
Bundesweit können mehr als ein Drittel der Bürger die Servicenummer wählen. Aber warum stößt das vielversprechende Vorhaben hierzulande auf taube Ohren? Das wollten Leser von uns wissen, zumal unter 115 alle Verwaltungsfragen – von der kommunalen bis zur Bundesebene – zügig beantwortet werden sollen.
Die Idee scheitert vor allem am Geld. Die Städte und Landkreise scheuen die Kosten für die technische Einrichtung des Telefonservices sowie die Folgekosten durch Neueinstellungen. Außerdem verweisen sie auf eigene Angebote wie zentrale Einwahlen, Internetseiten und Bürgerservices. „Erfahrungen aus dem Saaleholzland-kreis haben gezeigt, dass die Einführung dieser Nummer viel zu teuer ist und sie kaum von Bürgern genutzt wird“, heißt es von der Stadt Gera. Das sieht man im Landratsamt des SHK anders. Auch wenn der überwiegende Teil der Bürger das Servicecenter bislang unter seiner alten Rufnummer kontaktiert, zieht man dort nach anderthalbjährigem Betrieb ein positives Fazit. Die einheitliche Telefonnummer helfe den Bürgern, sich im Behördendschungel zurechtzufinden, ist man in Eisenberg überzeugt. Die schnellen telefonischen Auskünfte ersparten nicht selten den Weg zum Amt. Ein wichtiger Grund, warum sich die Nummer nur langsam durchsetze, sieht der SHK in seiner Einzelstellung. Würde ganz Thüringen an einem Strang ziehen, könnte die 115 ganz anders beworben werden. Zu Mehrausgaben habe die Einführung der 115 nicht geführt, da der Landkreis sowieso plante, ein neues Servicecenter einzurichten, sagt Shk-sprecherin Claudia Bioly.
Obwohl der Freistaat Thüringen zu den vier Ländern zählt, die dem 115-Verbund nicht angehören, unterstützte er den Landkreis bei der Einführung. Er stellte seinen „Zuständigkeitsfinder“zur Verfügung, jene Thüringer Internet-datenbank (www.portal.thueringen.de), die behördliche Auskünfte und Formulare versammelt.
Dass Thüringen neben Bayern, Brandenburg und Niedersachsen kein 115-Partner ist, begründet das Finanzministerium in Erfurt mit dem geringen Interesse: „Vom letzten Treffen mit den Vertretern der Kommunen habe ich das Signal mitgenommen, dass die Einführung der 115 derzeit nicht in Frage kommt“, sagt der zuständige Finanzstaatssekretär Hartmut Schubert. „Die Thüringer Kommunen und deren Spitzenverbände sehen momentan keinen praktischen Nutzen in der Etablierung der 115.“
Grundsätzlich sei das Land „bereit für die 115“. Es würde auch die jährlichen Kosten des Verbundes tragen. Aber solange die Kommunen den Service ablehnten, werde Thüringen nicht beitreten.
Ganz so abgeneigt, ist jedoch nicht jeder. Der Saale-orlakreis (SOK) etwa ist prinzipiell „von der Richtigkeit und Notwendigkeit der Einführung der einheitlichen Behördennummer überzeugt“und kann sich die Umsetzung perspektivisch vorstellen. Der SOK sieht aber das Land in der Verantwortung: „Die Verzögerung der Einführung liegt auch darin begründet, dass der Freistaat Thüringen bereits vor einigen Jahren angekündigt hat, hierfür eine eigene Lösung anzubieten.“Eine Entwicklung sei hier jedoch noch nicht zu sehen.
Ähnlich argumentiert der Landkreis Saalfeld-rudolstadt: „Der Verbund wirbt damit, dass das Land gemeinsam mit dem Bund die zentrale Infrastruktur zur Verfügung stellen soll. Dies ist bisher nicht erkennbar.“
Tatsächlich müssen die Kommunen für den Betrieb des Servicecenters selbst aufkommen. Land und Bund teilen sich nur die Kosten der zentralen technischen Komponenten, etwa des Netzbetriebes.
Dem Finanzministerium zufolge müsse eine Kommune für die Einrichtung eines 115Arbeitsplatzes zwischen 2750 und 25 000 Euro aufbringen. Hinzu kämen noch die Personalkosten.
Shk-sprecherin Bioly empfiehlt deshalb Kommunen, die ohnehin Neuerungen im Bürgerservice planen, diese mit der Einführung der 115 zu verbinden. Zusätzliche Stellen wurden in Eisenberg im Übrigen nicht geschaffen. Um Personalkosten zu sparen, werden die Öffnungszeiten von 8 bis 18 Uhr nicht allein vom Shk-servicecenter abgedeckt. Außerhalb der Sprechzeiten werden die Anrufe dank einer länderübergreifenden Vereinbarung an das Servicecenter nach Frankfurt am Main umgeleitet. Die Kosten für diese Vertretung beliefen sich auf wenige Hundert Euro im Jahr, wie der SHK mitteilt.
Kurioserweise musste das Land aktuell aufgrund einer technischen Umstellung eine weitere Behördennummer einführen. Die Telefonzentrale der Landesbehörden ist künftig unter (0361) 57 100 erreichbar.
Kommunen sehen Land in der Pflicht