Thüringer Allgemeine (Gotha)

Höchststra­fe für den Kindermörd­er von Altenfeld

Urteil gefallen: Vater muss lebenslang ins Gefängnis. Richter: „Sie haben ein Massaker an Ihren Kindern verübt“

- Von Fabian Klaus

René Freiberg (53), Endkontrol­leur für Kurbelwell­en aus Nordhausen: Ich selbst bin seit 30 Jahren Nichtrauch­er und kein großer Freund davon. Mich stört aber nicht, wenn andere es tun, solange es nicht gerade im Beisein von Kindern ist. Fraglich ist dabei nur der staatliche Einfluss, es sollte doch jedem selbst überlassen sein. Erfurt/altenfeld. Im Schwurgeri­chtssaal des Erfurter Landgerich­ts fließen Tränen. In grausamer Detailtreu­e schildert Richter Markus von Hagen, was Christian S. im Juni 2017 angerichte­t hat. Viele Zuschauer, darunter Angehörige und Freunde der Opferfamil­ien, können das nur schwer ertragen. Teilweise nehmen sie erstmals an dem qualvollen Prozess teil, der mit dem gestern gesprochen­en Urteil vorerst endet.

Die Kammer befindet Christian S. für schuldig des zweifachen Mordes und des versuchten Mordes zum Nachteil seiner drei Kinder. Timo, elf Monate alt, und Noah, gerade vier Jahre alt, sterben durch gezielte Stiche mit einem Küchenmess­er. Till überlebt nach 24 Messerstic­hen schwer verletzt.

Christian S. wird lebenslang ins Gefängnis gehen und, so urteilt das Gericht, soll auch die Chance, dass seine Reststrafe nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt wird, nicht erhalten. Deshalb wird die besondere Schwere der Schuld festgestel­lt, wie Richter von Hagen deutlich macht. Er sagt an den Kindermörd­er von Altenfeld gerichtet: „Sie haben ein Massaker am Ihren Kindern verübt.“

Den Einlassung­en des Angeklagte­n glaubt die Kammer nicht und folgt mit ihrem Urteil dem Antrag von Staatsanwa­lt und Nebenklage­vertreteri­nnen. S. hatte zu Prozessbeg­inn durch seinen Anwalt verlesen lassen, er habe die grausame Tat begangen, weil er seiner Frau nicht zutraute, sich um die Kinder kümmern zu können, wenn er selbst sterbe. Die Kammer glaubt ihm nicht. Vielmehr sei es ihm darum gegangen, Rache an seiner Frau zu nehmen. Der hatte er in den Wochen vor der Tat ein Verhältnis mit seinem Arbeitskol­legen unterstell­t, für das auch die polizeilic­hen Ermittlung­en nie einen konkreten Anhaltspun­kt gefunden haben. S. selbst verfügt bis zum Schluss nicht über Beweise. Dennoch bildet er sich ein, dass seine Frau und der Arbeitskol­lege mit den Kindern ein neues Leben anfangen wollen. „Er hat seine Kinder getötet, um seiner Frau einen Strich durch die Rechnung zu machen, die er für sie aufgemacht hatte“, heißt es im Urteil.

Deshalb entscheide­t die Kammer auf Mord beziehungs­weise versuchten Mord in allen drei Fällen – Mordmerkma­l sind niedere Beweggründ­e. „Die Motivation, die ich geschilder­t habe, ist nach Anschauung der Allgemeinh­eit auf die niedrigste Stufe zu stellen“, so von Hagen.

Die Ehefrau des Angeklagte­n, die im Juni 2017 ihre blutüberst­römten Kinder in dem gemeinsame­n Haus in Altenfeld entdeckt hatte, wird weiterhin ärztlich betreut. Das Gericht hatte auf ihre Vernehmung als Zeugin verzichtet. Kati Streiter, die die Interessen von Daniela S. als Nebenkläge­rin vertreten hat, sagt gegenüber dieser Zeitung, es sei ihrer Mandantin nie um eine möglichst hohe Strafe gegangen. Die Kinder würden dadurch nicht wieder lebendig.

Der Verteidige­r des Angeklagte, Stephan Rochlitz, hatte auf Totschlag plädiert. „Mein Mandant hat mich gebeten, fristwahre­nd Revision einzulegen“, erklärt er nach dem Urteilsspr­uch. Ob diese aufrecht erhalten werden soll, das sei nach Zustellung der schriftlic­hen Urteilsbeg­ründung zu prüfen.

Klare Worte findet der Richter in seiner Urteilsbeg­ründung für die Rolle des Jugendamte­s des Ilmkreises. „Es ist festzustel­len, dass die Rolle des Jugendamte­s hier nicht mustergült­ig gewesen ist“, sagt er. Besonders kritikwürd­ig erscheint der Kammer, dass es kein Jugendamts­vertreter fertig gebracht hat, nachdem Christian S. seine Frau zwei Tage vor den Morden krankenhau­sreif schlug, vor Ort zu erscheinen. Die schwer verletzte Frau entschied nach der Attacke, dass die Kinder dennoch beim Vater bleiben sollen. „Gar nicht vor Ort zu erscheinen und sich anzuschaue­n, ob die Frau eine verantwort­ungsvolle Entscheidu­ng treffen konnte, das war kein großer Einsatz“, sagt der Richter. Als Daniela S. aus dem Krankenhau­s nach Hause kam, wollte sie mit ihren Kindern ins Frauenhaus – und fand sie tot beziehungs­weise schwer verletzt. Als der Richter das in der Urteilsbeg­ründung noch einmal beschreibt, fließen wieder Tränen bei einigen Zuhörern im Schwurgeri­chtssaal.

 ??  ?? Christian S. verbirgt auch am letzten Prozesstag sein Gesicht hinter einem grünen Ordner. Er wird von Justizbeam­ten in den Saal geführt, wo wenige Minuten später das Urteil gegen ihn gesprochen wird. Das nimmt er ohne Regung auf. Foto: Fabian Klaus
Christian S. verbirgt auch am letzten Prozesstag sein Gesicht hinter einem grünen Ordner. Er wird von Justizbeam­ten in den Saal geführt, wo wenige Minuten später das Urteil gegen ihn gesprochen wird. Das nimmt er ohne Regung auf. Foto: Fabian Klaus
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