Zahl der Kurzsichtigen steigt stark
Computerarbeit und Smartphone-nutzung beeinflussen Wachstum des Augapfels. Kinder brauchen Tageslicht und Pausen
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Ct / min , , Düsseldorf. Die rapide Ausbreitung starker Kurzsichtigkeit bei jungen Menschen bereitet Augenärzten Sorge. Bereits 46 Prozent der 25-Jährigen in Europa sind kurzsichtig, besagen die aktuellsten Zahlen des European Eye Epidemiology Consortium.
„Vor allem bei den Jüngeren sind die Ursachen bei Umweltbedingungen und Lebensgewohnheiten zu suchen. Nicht nur das Lesen, auch die Arbeit am Computer oder die Zeit, die man mit dem Smartphone verbringt, wirken sich aus“, sagt Dr. Joachim Wachtlin, Chefarzt der Klinik für Augenheilkunde im Berliner St.-gertrauden-krankenhaus. Die Nahsicht aufs Display scheine das Längenwachstum des Augapfels anzuregen. Kurzsichtig ist ein Auge, wenn der Augapfel zu lang oder der Brechwert der Linse zu hoch ist – einfallende Lichtstrahlen bündelt sich dann bereits vor der Netzhaut. Ergebnis ist ein Abbildungsfehler, der weit entfernte Objekte unschärfer erscheinen lässt als nahe gelegene. „Bei einer Kurzsichtigkeit von minus 6 Dioptrien (Maßeinheit für die Brechkraft, d. Red.) spricht man von einer krankhaften Myopie“, so Wachtlin. In solchen Fällen steigt das Risiko von Augenerkrankungen: „Unter anderem wird das Auge dünnwandig und die Netzhaut anfällig für Schäden.“Kurzsichtige Menschen sollten sich daher regelmäßig untersuchen lassen.
Studien aus Asien zeigen, dass Kinder vor starker Kurzsichtigkeit bewahrt werden können, wenn sie häufiger im Tageslicht unterwegs sind und immer wieder Abstand zum Bildschirm von Computer oder Smartphone nehmen. Bei einer Studie in China gab es bereits deutliche Effekte auf das Augenwachstum, wenn die Jungen und Mädchen nur für eine Stunde täglich zum Toben nach draußen geschickt wurden. Entsprechende Aufklärung in Schulen könnten Wachtlin zufolge die Entwicklung der krankhaften Kurzsichtigkeit ausbremsen.
Neben der Myopie bleibt auch der grüne Star ein Problem, das Ärzte und Forscher der Augenheilkunde stark beschäftigt. Hinter dem harmlos klingenden Namen verbirgt sich eine unheimliche Krankheit, die in der Fachsprache Glaukom heißt, und von der in Deutschland etwa eine Million Menschen betroffen sind. Ein Glaukom bemerkt man erst, wenn die Folgen nicht mehr rückgängig gemacht werden können: Der Sehnerv wird nach und nach zerstört, das Gesichtsfeld schrumpft.
„Der Sehnerv lässt sich mit einem Datenkabel vergleichen, das das Auge mit dem Gehirn verbindet. Er ist etwa vier Millimeter dick und besteht aus rund einer Million Nervenfasern“, erläutert Prof. Lutz E. Pillunat, Direktor der Universitäts-augenklinik Dresden. Immer wieder werde ein zu hoher Augeninnendruck dafür verantwortlich gemacht, dass diese Nervenfasern absterben. Doch es gibt auch das sogenannte „Normaldruckglaukom“. Dabei schreitet die Krankheit ohne erhöhten Augeninnendruck voran.
Eine Ursache dafür könnte die Therapie mit Betablockern gegen zu hohen Blutdruck sein: Sie kann dafür sorgen, dass der Blutdruck vorübergehend stark sinkt und der Sehnervkopf nicht ausreichend durchblutet ist. Auch sogenannte Vasospasmen, bei denen sich Blutgefäße krampfartig verengen, könnten eine schlechte Durchblutung des Gewebes verursachen.
Damit Augenerkrankungen früh behandelt werden, raten Augenärzte zu regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen ab dem 40. Lebensjahr. Diese werden aber meist nicht von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Der Berufsverband der Augenärzte kritisiert das: Ein Glaukom etwa kann nach Einschätzung von Sprecher Dr. Ludger Wollring nur durch eine Augendruckmessung und eine Untersuchung des Sehnervs in der Arztpraxis festgestellt werden. Der Sehtest beim Optiker sei kein Ersatz dafür.
Prof. Josef Hecken, Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), dem Beschlussgremium der Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland, hält dagegen: „Die Aufgabe des Ausschusses ist, zum Schutze der Patienten nur auf Grundlage eindeutiger Nutzenbelege Untersuchungs- und Behandlungsmethoden als Gkv-leistung anzuerkennen.“Was das Glaukom-screening angehe, sei in letzter Zeit weder von Ärzte-, Kassen- oder Patientenseite ein weiterer Antrag zur erneuten Bewertung gestellt worden. „Im Übrigen kann die Messung des Augeninnendrucks bei begründetem Verdacht zulasten der gesetzlichen Krankenkassen vorgenommen werden“, so Hecken.
Auch die Verbraucherschützer von Stiftung Warentest kommen nach einer aktuellen Auswertung wissenschaftlicher Übersichtsstudien zu einem differenzierten Urteil: Die Glaukom-vorsorgeuntersuchung sei zwar für Menschen mit Risikofaktoren sinnvoll, als Reihenuntersuchung für alle Gesunden habe sie aber sowohl für 40- als auch für 60-Jährige nur einen geringen Nutzen.
Die Netzhaut wird anfällig für Schäden