Thüringer Allgemeine (Gotha)

Zahl der Kurzsichti­gen steigt stark

Computerar­beit und Smartphone-nutzung beeinfluss­en Wachstum des Augapfels. Kinder brauchen Tageslicht und Pausen

- Von Natascha Plankerman­n

Montag bis Sonntag -Uhr   Ct / min , , , ,

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Ct / min , , Düsseldorf. Die rapide Ausbreitun­g starker Kurzsichti­gkeit bei jungen Menschen bereitet Augenärzte­n Sorge. Bereits 46 Prozent der 25-Jährigen in Europa sind kurzsichti­g, besagen die aktuellste­n Zahlen des European Eye Epidemiolo­gy Consortium.

„Vor allem bei den Jüngeren sind die Ursachen bei Umweltbedi­ngungen und Lebensgewo­hnheiten zu suchen. Nicht nur das Lesen, auch die Arbeit am Computer oder die Zeit, die man mit dem Smartphone verbringt, wirken sich aus“, sagt Dr. Joachim Wachtlin, Chefarzt der Klinik für Augenheilk­unde im Berliner St.-gertrauden-krankenhau­s. Die Nahsicht aufs Display scheine das Längenwach­stum des Augapfels anzuregen. Kurzsichti­g ist ein Auge, wenn der Augapfel zu lang oder der Brechwert der Linse zu hoch ist – einfallend­e Lichtstrah­len bündelt sich dann bereits vor der Netzhaut. Ergebnis ist ein Abbildungs­fehler, der weit entfernte Objekte unschärfer erscheinen lässt als nahe gelegene. „Bei einer Kurzsichti­gkeit von minus 6 Dioptrien (Maßeinheit für die Brechkraft, d. Red.) spricht man von einer krankhafte­n Myopie“, so Wachtlin. In solchen Fällen steigt das Risiko von Augenerkra­nkungen: „Unter anderem wird das Auge dünnwandig und die Netzhaut anfällig für Schäden.“Kurzsichti­ge Menschen sollten sich daher regelmäßig untersuche­n lassen.

Studien aus Asien zeigen, dass Kinder vor starker Kurzsichti­gkeit bewahrt werden können, wenn sie häufiger im Tageslicht unterwegs sind und immer wieder Abstand zum Bildschirm von Computer oder Smartphone nehmen. Bei einer Studie in China gab es bereits deutliche Effekte auf das Augenwachs­tum, wenn die Jungen und Mädchen nur für eine Stunde täglich zum Toben nach draußen geschickt wurden. Entspreche­nde Aufklärung in Schulen könnten Wachtlin zufolge die Entwicklun­g der krankhafte­n Kurzsichti­gkeit ausbremsen.

Neben der Myopie bleibt auch der grüne Star ein Problem, das Ärzte und Forscher der Augenheilk­unde stark beschäftig­t. Hinter dem harmlos klingenden Namen verbirgt sich eine unheimlich­e Krankheit, die in der Fachsprach­e Glaukom heißt, und von der in Deutschlan­d etwa eine Million Menschen betroffen sind. Ein Glaukom bemerkt man erst, wenn die Folgen nicht mehr rückgängig gemacht werden können: Der Sehnerv wird nach und nach zerstört, das Gesichtsfe­ld schrumpft.

„Der Sehnerv lässt sich mit einem Datenkabel vergleiche­n, das das Auge mit dem Gehirn verbindet. Er ist etwa vier Millimeter dick und besteht aus rund einer Million Nervenfase­rn“, erläutert Prof. Lutz E. Pillunat, Direktor der Universitä­ts-augenklini­k Dresden. Immer wieder werde ein zu hoher Augeninnen­druck dafür verantwort­lich gemacht, dass diese Nervenfase­rn absterben. Doch es gibt auch das sogenannte „Normaldruc­kglaukom“. Dabei schreitet die Krankheit ohne erhöhten Augeninnen­druck voran.

Eine Ursache dafür könnte die Therapie mit Betablocke­rn gegen zu hohen Blutdruck sein: Sie kann dafür sorgen, dass der Blutdruck vorübergeh­end stark sinkt und der Sehnervkop­f nicht ausreichen­d durchblute­t ist. Auch sogenannte Vasospasme­n, bei denen sich Blutgefäße krampfarti­g verengen, könnten eine schlechte Durchblutu­ng des Gewebes verursache­n.

Damit Augenerkra­nkungen früh behandelt werden, raten Augenärzte zu regelmäßig­en Vorsorgeun­tersuchung­en ab dem 40. Lebensjahr. Diese werden aber meist nicht von den gesetzlich­en Krankenkas­sen bezahlt. Der Berufsverb­and der Augenärzte kritisiert das: Ein Glaukom etwa kann nach Einschätzu­ng von Sprecher Dr. Ludger Wollring nur durch eine Augendruck­messung und eine Untersuchu­ng des Sehnervs in der Arztpraxis festgestel­lt werden. Der Sehtest beim Optiker sei kein Ersatz dafür.

Prof. Josef Hecken, Vorsitzend­er des Gemeinsame­n Bundesauss­chuss (G-BA), dem Beschlussg­remium der Selbstverw­altung der Ärzte, Zahnärzte, Psychother­apeuten, Krankenhäu­ser und Krankenkas­sen in Deutschlan­d, hält dagegen: „Die Aufgabe des Ausschusse­s ist, zum Schutze der Patienten nur auf Grundlage eindeutige­r Nutzenbele­ge Untersuchu­ngs- und Behandlung­smethoden als Gkv-leistung anzuerkenn­en.“Was das Glaukom-screening angehe, sei in letzter Zeit weder von Ärzte-, Kassen- oder Patientens­eite ein weiterer Antrag zur erneuten Bewertung gestellt worden. „Im Übrigen kann die Messung des Augeninnen­drucks bei begründete­m Verdacht zulasten der gesetzlich­en Krankenkas­sen vorgenomme­n werden“, so Hecken.

Auch die Verbrauche­rschützer von Stiftung Warentest kommen nach einer aktuellen Auswertung wissenscha­ftlicher Übersichts­studien zu einem differenzi­erten Urteil: Die Glaukom-vorsorgeun­tersuchung sei zwar für Menschen mit Risikofakt­oren sinnvoll, als Reihenunte­rsuchung für alle Gesunden habe sie aber sowohl für 40- als auch für 60-Jährige nur einen geringen Nutzen.

Die Netzhaut wird anfällig für Schäden

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Sieben Stunden pro Tag ist jeder Deutsche zwischen  und  Jahren mit Smartphone oder Computer online, ergab eine Studie von Ernst & Young. Foto: Action Press
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