Thüringer Allgemeine (Gotha)

Zweites Leben für alte Windkraftr­äder-teile

Die Zahl alter Rotorblätt­er steigt deutlich an, aber nicht alle können ins Ausland verscherbe­lt werden. Suche nach Wege der Wiederverw­ertung

- Von Anna Ringle

Bremen/cottbus. Ausgedient­e und ausrangier­te Windkrafta­nlagen geraten in Deutschlan­d zunehmend ins Blickfeld. In den nächsten Jahren wird ihre Zahl wohl stark steigen. Nicht alle von ihnen können ins Ausland weiterverk­auft werden. Es gibt Recycling-ideen. Der Markt ist bislang überschaub­ar – noch.

Die Bremer Firma Neocomp zum Beispiel schreddert ausrangier­te Rotorblätt­er in einer Anlage und vermischt sie danach mit Reststoffe­n aus der Papierhers­tellung, wie Geschäftsf­ührer Hans-dieter Wilcken erläutert. Das Ganze werde an Zementwerk­e verkauft, die das Gemisch nutzen. Glasanteil­e der geschredde­rten Rotorblätt­er seien im Zement enthalten. „Die Nachfrage ist so hoch, dass wir mehr produziere­n könnten“, sagt Wilcken über die Marktlage des seit 2015 bestehende­n Unternehme­ns. Zurzeit werde hauptsächl­ich mit einem Zementwerk aus Schleswig-holstein zusammenge­arbeitet.

Die ausrangier­ten Rotorblätt­er bezieht die Firma über Ausschreib­ungen von Windkrafta­nlagenbetr­eibern aus ganz Deutschlan­d, aber auch aus dem Ausland wie Dänemark. Zudem nutzt die Firma Produktion­sreste, die bei der Herstellun­g und Verarbeitu­ng von glasfaserv­erstärkten Kunststoff­en und damit auch bei der Herstellun­g von Rotorblätt­ern anfallen.

Die Produktion­sreste machen den überwiegen­den Anteil des Materials aus, weil es bislang noch nicht genügend Rückläufer von Rotorblätt­ern gebe. Das Bremer Unternehme­n spricht selbst noch von einem Nischendas­ein auf dem deutschen Markt, aber die Konkurrenz wird in den nächsten Jahren wachsen, wie Wilcken einschätzt.

Der Bundesverb­and Windenergi­e rechnet damit, dass der Abbau von Windkrafta­nlagen ab dem Jahr 2021 deutlich zunehmen wird. Denn viele Anlagen fallen ab diesem Zeitpunkt nach und nach aus der staatlich garantiert­en Einspeise-grundvergü­tung (Erneuerbar­en-energien-gesetz), die eine Laufzeit von 20 Jahren hat. Viele der jetzigen Altanlagen könnten dann von moderneren ersetzt werden, die ökonomisch­er sind.

Ein Weiterbetr­ieb älterer Anlagen wäre nach Angaben des Verbandes in den meisten Fällen technisch zwar möglich. Ob sich das dann aber ohne Förderung für Betreiber rechnet, ist noch nicht vorhersehb­ar. Denn den Strompreis im Jahr 2021 kennt heute noch niemand.

In Deutschlan­d gab es vergangene­s Jahr laut Windenergi­everband mehr als 28 000 Windkrafta­nlagen an Land. 2017 sei das bislang zubaustärk­ste Jahr gewesen mit fast 1800 neuen Windenergi­eanlagen an Land, heißt es. 387 Anlagen seien zugleich als Abbau identifizi­ert worden. Was passiert damit? Dem Verband zufolge gibt es Abnehmer in anderen Ländern, zum Beispiel Südosteuro­pa. Zugleich wird betont, dass angesichts des steigenden Rückbaus die Branche intensiv an Recyclingk­onzepten arbeite.

Auch in der Wissenscha­ft ist das Thema Wiederverw­ertung von Windkrafta­nlagen längst präsent. In einem Labor der Brandenbur­gischen Technische­n Universitä­t Cottbus-senftenber­g wollen Forscher geschredde­rte Rotorblätt­er von ausrangier­ten Windkrafta­nlagen und Flugasche, die bei der Stromerzeu­gung in Braunkohle­kraftwerke­n entsteht, zu einem Flugasche-betonwerks­toff kombiniere­n. Die recycelten Rotorblatt-anteile sollen bewirken, dass der Beton bei entstehend­en Rissen stabilisie­rt wird, wie Holger Seidlitz vom Fachgebiet Leichtbau mit strukturie­rten Werkstoffe­n erläutert. Im vergangene­n Jahr habe es erste Versuche gegeben, die erfolgvers­prechend gewesen seien, sagt der Wissenscha­ftler.

Der Bundesverb­and Sekundärro­hstoffe und Entsorgung (bvse) bemerkt seit Jahren, dass Firmen den Geschäftsb­ereich Abbau und Recycling von Windkrafta­nlagen für sich entdecken und nach innovative­n Ansätzen suchen. Es handele sich aber noch um einen Nischenber­eich, so Verbandsre­ferent Thomas Probst.

Vor allem die sperrigen Rotorblätt­er seien auch nach deren Zerkleiner­ung für die Verwertung in Müllverbre­nnungsanla­gen problemati­sch. Carbonfase­rverstärkt­e Kunststoff­e, die mit Harzen vermengt sind, seien für die Mitverbren­nung ungeeignet. Als ein Problem zählt Probst auf, dass Anlagen-filter durch das Gemisch beschädigt werden könnten. Das sehen wiederum andere Firmen als Chance für einen Recycling-markt, wie Probst erläutert. Ideen reichten von der stoffliche­n Verwertung der geschredde­rten Windkraftf­lügel in der Zementindu­strie bis zum Zusatzstof­f im Putz. Flächendec­kende und großtechni­sche Anwendunge­n einer Weiterverw­ertung gebe es bislang aber noch nicht, gibt er zu Bedenken. (dpa)

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Ein Bagger schiebt zerkleiner­te Teile von ausrangier­ten Rotorblätt­ern und Reste aus der Altpapier-aufbereitu­ng auf ein Band. Aus dem Gemisch wird dann Material für Zementwerk­e. Fotos (): Carmen Jaspersen, dpa
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Hans-dieter Wilcken, Geschäftsf­ührer Neocomp Gmbh.

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