Mehr Hilfe für Blutkrebspatienten
Jeder Zehnte findet keinen Spender. Um Chancen zu verbessern, wachsen die Datenbanken
Berlin/santiago. Lebensretterin. Das Wort kommt Tatjana Tröger gewaltig vor. „Es war ja nicht viel anders als Blutspenden“, sagt sie. „Aber es ist wirklich ein sehr schönes Gefühl, ein Leben gerettet zu haben.“Tatjana Tröger aus der Nähe von Stuttgart war Anfang 20, als sie eine Werbung für die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) sah. Nun ist die Bürokauffrau 26. Im Gepäck hat sie ein Trikot vom VFB Stuttgart und Gummibärchen. Es sind Geschenke für den fünfjährigen Juan Carreño, der in Chile an Leukämie erkrankte. Tatjana Tröger hat vor drei Jahren Stammzellen für ihn gespendet, es war ein genetischer Zufallstreffer. Heute ist Juan gesund – und beide sind ein positives Beispiel für Globalisierung: beim Kampf gegen Blutkrebs.
Chile ist seit dieser Woche offiziell das jüngste Mitglied der weltweiten Gemeinschaft von Staaten mit Registern für Blutkrebspatienten. Die DKMS mit Sitz in Tübingen organisiert den Aufbau der Datei in dem südamerikanischen Land. Juan hatte vor drei Jahren Glück. Bereits damals gab es Kooperationen zwischen chilenischen Medizinern und der DKMS. Was sachlich klingt, hat eine hochemotionale Ebene. Wenn Spender und Empfänger möchten, können sie sich nach einer erfolgreichen Übertragung der Zellen kennenlernen.
Zum offiziellen Start der Datei in Chile ist Tatjana Tröger in dieser Woche dorthin gereist, zusammen mit ihrem Vater. „Ich wusste am Anfang nur, dass die Spenderin eine junge Frau aus Deutschland ist. Ich schulde ihr ein Stück meines Lebens“, sagt Juans Mutter Magdalena Herrera Prieto in Santiago di Chile. Sie schließt Tatjana Tröger spontan in die Arme.
Welche Dynamik eine Spenderdatei entwickeln kann, zeigt das Beispiel Polen. Hier ging die DKMS 2008 an den Start – heute gibt es 1,2 Millionen mögliche Spender. Das System trage sich nach einem Anschub in Höhe von 16 Millionen Euro inzwischen selbst, sagt ein Sprecher. Die Finanzierung funktioniert wie ein Kreislauf: Spender zu sein ist ein „Ehrenamt“. Geld zahlen in der Regel die Krankenkassen von Blutkrebspatienten, dazu kommen Geldspenden. Um Gewinn geht es nicht. Mit den Einnahmen – 2016 waren das bei der DKMS mehr als 100 Millionen Euro – werden zum Beispiel neue Dateien aufgebaut.
Die DKMS, 1991 in Deutschland gegründet, ist heute ein Global Player. Ihr Engagement in Chile ist die vierte direkte Auslandsverbindung – neben den USA, Großbritannien und Polen. Rund ein Viertel aller weltweit registrierten potenziellen Stammzellspender sind bei der DKMS gelistet. Damit ermögliche sie – weltweit mit anderen Organisationen vernetzt – rund 40 Prozent der Stammzellspenden rund um den Globus. (dpa)