Thüringer Allgemeine (Gotha)

Musikshow Echo eine „Schande“

Der Preis für die Hip-hopper Kollegah und Farid Bang mit ihren antisemiti­schen Zeilen sorgt für große Empörung

- Von Patrick Goldstein

Berlin. Davon haben die Veranstalt­er jahrelang geträumt: dass die Verleihung der Echos, bei der sich die Musikindus­trie in ermüdender Regelmäßig­keit selbst feiert, am kommenden Tag in aller Munde sein würde. Am gestrigen Freitag war es so weit. Nicht allerdings wegen einmaliger Showeinlag­en bei der Gala in Berlin am Donnerstag­abend, bei der Stars wie Kylie Minogue oder Helene Fischer dabei waren, sondern weil der wichtigste Musikpreis Deutschlan­ds für ein Album mit antisemiti­schem Text verliehen wurde. Die Entscheidu­ng sorgte bei Künstlern und Verbänden für empörte Reaktionen.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d, sprach etwa von einem „Skandal“. Auslöser ist die Vergabe eines Echos in der Kategorie „Hip-hop/urban National“an die Rapper Kollegah und Farid Bang für ihr Album „Jung brutal gutaussehe­nd 3“. Im Songtitel „0815“findet sich die Zeile: „Mein Körper definierte­r als von Auschwitz-insassen.“An anderer Stelle heißt es auf dem Album: „Mache wieder mal nen Holocaust, komm an mit dem Molotow.“Die Nominierun­g des Duos hatte bereits im Vorfeld der Echos für scharfe Kritik gesorgt. Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass die Platte in die engere Wahl kam? Es liegt am Auswahlpro­zess. Die Echos werden vom Bundesverb­and Musikindus­trie (BVMI) in 22 Kategorien verliehen. Die jeweils fünf erfolgreic­hsten Interprete­n kommen in die Auswahl. Dies erfolgt nicht nach künstleris­chen Maßstäben – weshalb die meisten deutschen Sänger, Musiker, Songschrei­ber und kleinen Plattenfir­men dem Echo seit Langem nur mit Spott und Verachtung begegnen. Allein die Verkäufe zählen.

Um etwas gegen den zunehmende­n Ansehensve­rlust zu unternehme­n, riefen die Veranstalt­er Fachjurys ins Leben. 550 Juroren gab es 2018. Jeder wählt in seiner Kategorie aus den Nominierte­n seinen Favoriten. In der Hip-hop-jury sitzen Rapper, etwa Fettes Brot und Peter Fox, sowie Vertreter von Musikindus­trie und Medien. Am Ende wird alles addiert, wobei die Verkäufe erhebliche­s Gewicht behalten, und ein Gewinner ermittelt. Toten-hosen-sänger Campino hatte schon während der Verleihung kritisiert: Für ihn sei nun eine Grenze überschrit­ten. Nach der Kritik sagte Kollegah: „Ich will hier keine Politikdeb­atte daraus machen.“Später bezeichnet­e er Campinos Kritik als „stillos“und warf diesem vor, sich als moralische Instanz aufgespiel­t zu haben. Mousse T., Musiker

Harsche Kritik an den Rappern kam von Zentralrat-präsident Schuster: Die Entscheidu­ng, den Echo an die Rapper zu verleihen, sei eine „Schande“: Rapper, die für Millionen von Jugendlich­en ein Idol sind und diese wiederum mit antisemiti­schen und menschenve­rachtenden Musiktexte­n beeinfluss­en, dürfen keine Akzeptanz der Gesellscha­ft erfahren und erst recht keine Preise hierfür gewinnen.“

Musikprodu­zent Mousse T. („Sex Bomb“) sagte, mit dem Wissen um antisemiti­sche Übergriffe sei der Preis „kein gutes Zeichen“. Der neue Antisemiti­smus-beauftragt­e der Bundesregi­erung, Felix Klein, beklagte in der „Bild“: „Solche Zeilen verletzen nicht nur Holocaustü­berlebende, sondern auch ihre Familien.“

Verkäufe bleiben entscheide­nd

„Der Preis setzt kein gutes Zeichen.“

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Foto: Getty Images Rapper Kollegah hält bei der Preiserlei­hung eine Karikatur seines Kritikers Campino in die Höhe.
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Campino kritisiert­e die Entscheidu­ng auf der Bühne. Foto: rtr

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