Thüringer Allgemeine (Gotha)

Von imaginären und echten Reisen

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Ein lupenrein sympathisc­her Romanheld ist Friedrich Bender in „Kaltes Wasser“nicht. Denn er lügt skrupellos. Weil er das aber auf so charmant-witzige Weise tut, schließt man ihn doch ins Herz.

Friedrich wird in der DDR geboren als Sohn systemtreu­er Eltern und mit einer ehrgeizige­n Schwester. Um mit ihr mithalten zu können, erfindet er Geschichte­n.

Je älter er wird, desto verrückter werden auch seine Erzählunge­n. Seine erste große Kreation ist Emily: „Emily kam aus Bristol. Ihre Eltern waren Kommuniste­n aus weltanscha­ulichen Gründen hatten sie ihre Tochter in ein ostdeutsch­es Ferienlage­r geschickt. Außerdem hofften sie, dass ihre Tochter im Ferienlage­r ,Kim Irsen‘ nicht nur Ostseeluft und Erholung bekommen, sondern auch Ordnung und Disziplin lernen würde.“

Friedrich wird durch seine angebliche Ferienlage­rromanze bei seinen Mitschüler­n nach den Ferien zum Helden. Doch als einige Monate später die Mauer fällt, ändert sich alles. Seine Eltern – am Boden zerstört nach dem Fall der Mauer – können ihm keinerlei moralische­n Kompass bieten. Friedrich ist auf sich gestellt. Das Wasser, in das er geschubst wird, mag kalt sein – aber Friedrich bewegt sich darin wie ein Fisch . (cowo)

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