Thüringer Allgemeine (Gotha)

Wie teuer darf Europa werden?

Frankreich­s Plan zur Reform der Europäisch­en Union hat in Deutschlan­d einen Koalitions­streit entfacht

- Von Tim Braune, Christian Kerl und Kerstin Münsterman­n

Cyberattac­ke

Berlin. Der Begriff Cyberattac­ke bezeichnet einen elektronis­chen Angriff, der über eine Netzwerkve­rbindung erfolgt. Der Angriff findet im virtuellen Cyber-raum statt und richtet sich gegen einzelne Computer oder ganze It-systeme. Bei Cyberattac­ken kommt sogenannte Schad- und Spähsoftwa­re zum Einsatz, die dazu dient, die Sicherheit­sbarrieren eines fremden It-systems auszuhebel­n. Hat der Angreifer die Sicherheit­sbarrieren durchbroch­en, kann er beispielsw­eise geheime Informatio­nen ausspähen oder Daten manipulier­en. Als Angriffszi­ele wurde vor allem Netzwerkte­chnik bei Behörden und Unternehme­n, aber auch bei Anbietern von Internet-zugängen ausgemacht. (red) Berlin/straßburg. Während Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron vor dem Europaparl­ament in Straßburg auftrat, um eine weitere Grundsatzr­ede zu Europa zu halten, ist in Berlin ein veritabler Streit zwischen Union und SPD über die Reformen für die EU entbrannt. Dabei drängt die Zeit: Die Eu-staatsund -Regierungs­chefs wollen bereits bei einem Gipfel im Juni über einen Umbau befinden. Am Donnerstag schon kommt Macron zu Besuch nach Berlin.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel beruhigte zunächst, zeigte sich zuversicht­lich, dass Deutschlan­d und Frankreich für den Eu-gipfel gemeinsame Reformvors­chläge vorlegen werden. Es gehe auch nicht nur um die umstritten­e Frage, wie sich die Euro-zone weiterentw­ickle, sagte die Cdu-chefin. Für sie seien Fortschrit­te in der gemeinsame­n Verteidigu­ngs- oder Forschungs­politik ebenso wichtig.

Der französisc­he Präsident drückte es etwas pathetisch­er aus. „Ich möchte nicht zu einer Generation der Schlafwand­ler gehören“, rief Macron. „Die europäisch­e Demokratie ist angesichts der

Wirren in der

Welt unsere Trumpfkart­e.“Deshalb dürfe es in der EU keinen „Rückzug auf nationale Egoismen“geben, Gräben zwischen Nord und Süd, Ost und West müssten überwunden werden – notwendig sei eine „Wiedergebu­rt Europas“. Doch in Berlin geht es derzeit eher um nackte Zahlen. Csulandesg­ruppenchef Alexander Dobrindt gab sich ob des französisc­hen Appells ungerührt: „Ich habe keine Veranlassu­ng, Macrons persönlich­e Glücksgefü­hle zu meinem politische­n Programm zu machen.“Nicht alles, was Macron vorschlage, könne in deutschem Interesse sein. Eine europäisch­e Arbeitslos­enversiche­rung etwa führe zur Finanzieru­ng der Arbeitslos­igkeit in anderen Ländern auf deutsche Kosten.

Dobrindt betonte, der Streit mit der SPD drehe sich vor allem um die Frage, inwieweit die nationalen Parlamente bei Reformen eingebunde­n werden sollen. Diese hätten sich mühevoll Beteiligun­gsrechte beim Rettungsme­chanismus ESM erstritten, daher sei es nicht vorstellba­r, dass sie dann etwa bei der geplanten Weiterentw­icklung zu einem europäisch­en Währungsfo­nds außen vor gelassen werden sollten. Mit Blick auf den Koalitions­streit und den Vorwurf von Spdfraktio­nschefin Andrea Nahles, die Union ziehe „rote Linien“, sagte Dobrindt: „Bremsen tun eher die, die nationale Rechte nach Brüssel abgeben wollen.“

Um welche Summen geht es eigentlich? Derzeit zahlt Deutschlan­d jährlich 24 Milliarden Euro in den Eu-haushalt, den Rückfluss an Fördermitt­eln abgezogen, liegt der Nettobeitr­ag bei 13 bis 14 Milliarden Euro. Deutschlan­d ist damit der größte Nettozahle­r – und mit dem Ausscheide­n Großbritan­niens wird diese Spitzenpos­ition noch stärker. Wobei Politik und Wirtschaft mehrheitli­ch nicht müde werden, zu betonen, dass Deutschlan­d als großes Exportland auch besonders stark von der EU und ihrem Binnenmark­t profitiert, die Gelder mithin gut angelegt seien. Aleander Dobrindt, Csu-landesgrup­penchef

Klar ist aber, dass auf die Mitgliedsl­änder nach dem Brexit neue Lasten zukommen: Der Ausfall Großbritan­niens als Beitragsza­hler reißt ab 2021 eine Lücke von bis zu zwölf bis 14 Milliarden Euro – weitere zehn Milliarden Euro an zusätzlich­en jährlichem Finanzbeda­rf kommen im nächsten Jahrzehnt durch neue Aufgabensc­hwerpunkte der EU hinzu: Stärkere Zusammenar­beit bei Verteidigu­ng, besserer Schutz der Außengrenz­en, mehr Forschungs­förderung und anderes.

Auch wenn Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger (CDU) für die mittelfris­tige Finanzplan­ung von 2020 bis 2027 die Hälfte der Mehrausgab­en von etwa 20 Milliarden Euro durch Einsparung­en im etwa 150 Milliarden Euro großen Euhaushalt gegenfinan­zierten will, blieben mindestens zehn Milliarden Euro, die zusätzlich aufgebrach­t werden müssen. Oettinger hat deshalb bereits signalisie­rt, dass auf Deutschlan­d jährlich 3,5 Milliarden an zusätzlich­en Beitragsmi­tteln zukommen. Das könnte wohl im Rahmen dessen liegen, was die Koalition an Mehrzahlun­gen zu stemmen bereit ist.

Union möchte keine Kompetenze­n abgeben

„Ich habe keine Veranlassu­ng, Macrons persönlich­e Glücksgefü­hle zu meinem politische­n Programm zu machen.“

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Europa ist ihnen viel wert – und die Kulisse ist prächtig: der französisc­he Präsident Macron und Kanzlerin Merkel im Élysée-palast in Paris im März. Foto: Action Press
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