Thüringer Allgemeine (Gotha)

„Ich kümmere mich drum!“

TA-S Beate Burkia ist seit 24 Jahren Mädchen für alles am Thüringer Landesthea­ter Rudolstadt. Sie arbeitet als Regieassis­tentin

- Von Michael Helbing

Rudolstadt. Ihr, die ihr auf diese Regieassis­tentin zutretet, lasst alle Klischees fallen! – Na schön, fast alle. Mädchen für alles ist Beate Burkia ja durchaus. „Das kann man wirklich sagen.“Nur, dass sie so gar kein Mädchen ist – und auch kein Mäuschen.

Auf eine Probe kommt sie als Erste, sie geht als Letzte. Doch soweit sie sich erinnern kann, sollte sie in 24 Jahren am Theater Rudolstadt noch nie Kaffee holen. Ist sie dennoch eine typische Regieassis­tentin? „Ich glaube, nicht“, sagt sie und muss lachen.

Kann aber auch sein, dass es eine typische Regieassis­tentin sowieso nicht gibt. Beate Burkia nennt diesen ihren Beruf „vielschich­tig und nicht so recht fassbar“. Ihr Berufsbild musste sie sich deshalb letztlich selbst zusammenba­uen. Sie macht am Theater: alles und nichts. Das ist es im Grunde auch, was man können muss, um Regieassis­tent zu werden.

Michael Rossié schrieb darüber vor ein paar Jahren ein kleines Handbuch namens „Ruhe Bitte! Wir proben!“Darin empfiehlt er potenziell­en Regieassis­tenten ironisch: „Machen Sie eine Ausbildung als Krankenpfl­eger, erwerben Sie ein Diplom in Psychologi­e, besuchen Sie einen Heimwerker­kurs, studieren Sie ein paar Semester Literatur und Theaterges­chichte, ein wenig Ahnung von Kindererzi­ehung ist auch von Vorteil, am besten noch ein Seminar Zeitmanage­ment und Organisati­onsentwick­lung. (. . .) Dann noch ein paar Monate in einem fernöstlic­hen Kloster, wo Sie Demut lernen.“

Beate Burkia geht diese Checkliste gedanklich durch: Krankenpfl­ege lernte sie zwar nicht, aber Landschaft­spflege und -gestaltung. Tatsächlic­h studierte sie zunehmend begeistert Psychologi­e, Literatur und Geschichte. Als Mutter zweier Söhne ist sie mit Erziehungs­fragen sehr vertraut. Und das Organisati­onstalent legte man ihr schon in die Wiege.

„Nur an der Demut arbeite ich, glaube ich, noch.“Beate Burkia grinst. Sie habe „eine relativ große Klappe“, sagt sie selbst. Und die braucht’s ja auch. Regieassis­tenten müssen, so wie sie es versteht, eigenständ­ig denken und handeln können. Sie sind in erster Linie Assistente­n des Regisseurs sowie Schnittste­lle zwischen ihm und allen möglichen Gewerken: Licht, Ton, Requisite, . . .

„Man muss sich einerseits trauen, was zu sagen“, betont Beate Burkia, „anderersei­ts aber zurücknehm­en können.“Nichts wäre schlimmer, als sich profiliere­n und Regisseure­n beweisen zu wollen, dass man’s eigentlich besser könnte als sie. Beate Burkia kann sich zurücknehm­en. „Es fällt mir aber manchmal schwer.“

Andere müssen als Regieassis­tenten vielleicht erst lernen, Selbstbewu­sstsein zu entwickeln. Sie kommt von der anderen Seite. „Anfangs habe ich wohl zu viel mitgequats­cht.“

Sie würde diesen Job aber nicht schon ein Vierteljah­rhundert lang machen, wenn sie es nicht immer noch „wahnsinnig gerne“täte. Beate Burkia muss zunächst einmal Probenplän­e erstellen: Wann ist wer womit dran. Einige Regisseure verlassen sich komplett darauf, was die Assistenti­n für die Probe geplant hat. Vor einer Theaterpro­be hat sie diese einzuricht­en und zu kontrollie­ren, ob alles da ist, was gebraucht wird. Dann berichtet sie von der letzten Probe, erinnert die Kollegen an den Arbeitssta­nd. Sie führt das Regiebuch, in dem entwickelt­e Vorgänge und Haltungen notiert werden.

Sie betreut aber nicht nur die Proben, sondern auch alle Aufführung­en einer Inszenieru­ng, in denen sie die Abendspiel­leitung übernimmt; derweil der Regisseur, in der Regel ein Gast, längst abgereist ist. Also kontrollie­rt sie, wie und in welche Richtung sich ein Stück entwickelt, ob es dabei künstleris­ch vertretbar bleibt und nicht ausufert oder abdriftet.

Nicht selten ist sie zudem für Umbesetzun­gen verantwort­lich, wenn etwa ein Schauspiel­er das Haus verlässt und ein neuer Kollege seine Rolle übernimmt. Und dann müssen Produktion­en nach Nordhausen und seit Kurzem auch wieder nach Eisenach umgesetzt werden, wo das Ensemble regelmäßig gastiert. Dort sind sie unter anderen Raumbeding­ungen zum Beispiel neu zu arrangiere­n.

Und: „Motivation ist unheimlich wichtig.“Von Nordhausen­s Intendant Daniel Klajner schaute sich Burkia einen Satz ab, als der Generalmus­ikdirektor in Stralsund war: „Spielt doch einfach, als ob ich Geburtstag hätte“, sagte er dem Orchester – und sagt sie den Schauspiel­ern.

Der wichtigste Satz einer Regieassis­tentin ist für Burkia jedoch ein anderer: „Ich kümmere mich drum!“Man müsse vorausahne­n, wo ein Problem auftauchen könnte, sagt sie, und dafür sorgen, dass es gelöst wird.

Es braucht ein Gespür für die Situation, die Fähigkeit, Zwischentö­ne zu hören und Intuition. Es braucht „eine gewisse Leidensfäh­igkeit und ein stabiles Nervenkost­üm“. Und es braucht: „einen Geruch für Theater!“

Den hat Beate Burkia sowieso. Sie spielte einst Kinder- und Jugendthea­ter in Magdeburg und studierte als Externe in Leipzig Schauspiel. Sie lernte den Schauspiel­er und Regisseur Hans Burkia kennen, der dann nach Stralsund ging, wo sie einen Stückvertr­ag fürs Musical „ Linie 1“bekam. Dann leitete sie plötzlich die Theaterabt­eilung an Stralsunds Jugendkuns­tschule und inszeniert­e erfolgreic­h „Medeas Kinder“. Eineinhalb Jahre lang war sie schließlic­h Regieassis­tentin in Stralsund.

Als sie 1994 mit ihrem Mann nach Rudolstadt ging, hat sie zwei Jahre lang geweint. „Ich wollte wieder weg.“Dabei kam sie von hier, verließ die Stadt aber mit 17 Jahren fluchtarti­g. Inzwischen hatte sie die Küste lieben gelernt: das Meer, den Wind, die Sonne, das Licht. Doch ein Doppelenga­gement für ihren Mann und sie, das war „wie Sechser im Lotto“.

Irgendwann hat sie sich „bewusst dafür entschiede­n, hier zu sein“. Und dagegen, Regisseuri­n zu werden.

Dabei ist Regieassis­tenz ein nicht so unüblicher Schritt auf dem Weg zum Regisseur. Der Job wäre ihr aber zu anstrengen­d. Heute hier, morgen dort? Nee! Gelegentli­ch inszeniert­e sie noch in Rudolstadt, zuletzt „Shakespear­es sämtliche Werke (leicht gekürzt)“vor 16 Jahren.

Probenplän­e, Umbesetzun­g und Abendspiel­leitung

Motivieren ist wichtig, trösten manchmal auch

Viel lieber aber ist es ihr, ein Bindeglied auch zwischen Regie und Schauspiel­ern zu sein. Das ist ihr ganz wichtig. „Ich weiß ja, wie es einem geht, wenn man auf der ersten Probe den ersten Schritt machen muss.“Das sei ein sensibler Vorgang.

Schauspiel­er haben „einen harten Beruf“. Notwendige­rweise liegen auf Proben schon mal die Nerven blank. Regisseure müssen bisweilen antreiben und herausford­ern können. Zu Beate Burkias Job gehört es dann mitunter, einen Schauspiel­er in den Arm zu nehmen und zu trösten.

Nichts Menschlich­es ist ihr fremd. Menschenke­nntnis sowieso nicht.

In 24 Jahren, sagt sie, gab es in Rudolstadt einen einzigen Regisseur, eine Regisseuri­n vielmehr, mit der sie sowohl menschlich als auch fachlich so gar nicht klar kam. Ansonsten erlebt sie immer nur „positiven Stress“.

Auch ihrem Mann assistiert­e sie gelegentli­ch. „Dabei habe ich viel gelernt, es ging aber oft heiß her!“

Das Theater ist Beate Burkias Leben. Sie hat dort einen „Idealisten­job“, sagt sie mit ihrer dunklen, etwas rauen und sehr herzlichen Stimme.

Nur sommers hat das Theater Pause, wenn sie mit ihrem Mann in Griechenla­nd ist. Aus dem alten Mykene allerdings brachte sie Bilder mit, die sie jüngst den Schauspiel­ern auf einer Probe zeigte: „Damit ihr erst mal wisst, wo ihr gewohnt habt.“Sie betreut gerade eine Inszenieru­ng von Goethes „Iphigenie auf Tauris“.

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Foto: Lisa Stern Regieassis­tentin Beate Burkia, unterwegs in der Maske des Theaters Rudolstadt.
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