Alltag und Projekte im Flüchtlingslager Al Azraq
Anne-marie Störger aus Gotha verbringt elf Wochen im Nahen Osten und berichtet darüber am Donnerstag im Tivoli
Gotha. Fußball ist nicht das bevorzuge Interessengebiet von Anne-marie Störger. Und doch hat sie diese Sportart während ihres Aufenthaltes im Nahen Osten sehr beschäftigt. Und das hat mit Freunden in Erfurt zu tun. Denn im Flüchtlingslager in Al Azraq begleitete sie ein interessantes Projekt mit, nämlich „Spirit of Football“.
„Ich bekam dank der Initiative meines Freundes Mario Teschke vom Verein für soziale und berufliche Integration in Erfurt und diesem Projekt sozusagen ein Heimspiel als Johanniter mit Erfurtern im Flüchtlingscamp. Während meiner Abwesenheit in Deutschland spannen meine Freunde die Idee, wie großartig es wäre, wenn ich die Workshops im All Azraq Camp im Norden von Jordanien mit dem Fußballprojekt mit begleiten könnte“, erzählt die junge Frau.
Dazu musste sie eine Genehmigung für die Einreise in das Flüchtlingslager bekommen. Kein einfaches Unterfangen. „Die bürokratischen Hürden sind wesentlich schwieriger als noch 2015. Ich habe erst nicht so richtig daran geglaubt, dass es wirklich klappt und mich unglaublich gefreut, als es wirklich spruchreif war. Die Mitarbeiter und Andrew Aris, der Projektbegründer, haben sich für mich mächtig ins Zeug gelegt.“Die Mitarbeiterin der Johanniter lernte schnell, dass „Spirit of Football“mehr ist als nur Sport. Anne-marie Störger: „Mich fasziniert das gemeinschaftsstiftende Potenzial des Fußballspiels, und – das gefällt mir persönlich an diesem Projekt am meisten – es nutzt die Regeln, um sie auch in unser alltägliches Leben zu übertragen. Es geht hier nicht um gut und schlecht, sondern um Fairplay, Respekt und die Gemeinschaft und darum, Schwächere zu unterstützen. Es geht nicht um Sieg oder Niederlage, sondern um ein ganzheitliches Miteinander.“
Nach Erledigung aller Bürokratieangelegenheiten durfte Anne-marie endlich ins Camp und lernte die gemischt geschlechtliche Gruppe aus ehrenamtlichen Lehrkräften von verschiedenen Hilfsorganisationen kennen. Eine bunte Truppe von Syrern, die mehr oder minder schon länger im Camp leben. „Bei der Ankunft vertreibe ich mir die Zeit, indem ich mich mit den Menschen unterhalte.“ Die Message sei eindeutig: Wir wollen zurück, wir wollen arbeiten, uns als Menschen fühlen. Viele der Geflüchteten sind zwischen zwei und vier Jahren im Camp, in dem gegenwärtig rund 50000 Menschen leben.
Im Vorfeld hat die Frau aus Deutschland Bedenken, ob Männer und Frauen zusammen zum Fußballspiel zu bewegen sind. Überraschenderweise gibt es kein Problem, und die Gruppe beginnt mit den Workshops.
Sie sei immer wieder erstaunt gewesen, wie willkommen die Helfer als Menschen waren. „Ich stieß in dieser Zeit oft an meine übersetzerischen Fähigkeiten, zumindest empfand ich es so. Sportvokabular, das war nie ein Thema, aber dennoch funktioniert es. Unsere Erwartung, dass alle Lehrer Englisch verstehen, bewahrheitete sich nicht.“Die Workshops mit den Kindern erweisen sich als eine große Herausforderung für alle. Kindern, die bereits viele Jahre im Camp leben, wollen die verschiedenen Hilfsorganisationen ein einigermaßen kindgerechtes Aufwachsen ermöglichen trotz aller Umstände, die dem entgegenstehen. In vielen Momenten sei die Gruppe hilflos gewesen, „doch wir alle gaben alles, um die Situation im Camp positiv zu beeinflussen. Es gelang uns immer, wir lernten alle viel voneinander und hatten keine Berührungsängste“.
Elf Wochen sind schnell vorbei. Anne-marie Störger von der Servicestelle für Integration der Johanniter-unfall-hilfe, Regionalverband Westthüringen, hat mittlerweile ihre aufregende Reise im Nahen Osten beendet. Sie berichtete regelmäßig über ihre Erlebnisse in dieser Zeitung. Vieles blieb dabei allerdings ungesagt, bislang jedenfalls. Anne-marie Störger wird in einem reich bebilderten Vortrag über ihre Reise berichten.
Am Donnerstag, 19. April, laden „Willkommen in Gotha“, die Servicestelle Integration der Johanniter-unfall-hilfe, Regionalverband Westthüringen, und weitere Partner ins Tivoli, wo die Historikerin einen Einblick in die aktuellen Lebenswelten in Jordanien und Palästina geben wird. Auf ihrer Reise durch zwei Länder, die außer Kunst und Kultur noch wesentlich mehr zu bieten haben, traf sie großartige Menschen, bewunderte die Vielfalt und Gastfreundlichkeit. Sie besuchte ebenso Flüchtlingslager und möchte über die Situation vor Ort informieren.
Alle lernen voneinander ohne Berührungsängste
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Beginn des Vortrages: Donnerstag, . April, Uhr im Tivoli