Thüringer Allgemeine (Gotha)

Alltag und Projekte im Flüchtling­slager Al Azraq

Anne-marie Störger aus Gotha verbringt elf Wochen im Nahen Osten und berichtet darüber am Donnerstag im Tivoli

- Von Klaus-dieter Simmen

Gotha. Fußball ist nicht das bevorzuge Interessen­gebiet von Anne-marie Störger. Und doch hat sie diese Sportart während ihres Aufenthalt­es im Nahen Osten sehr beschäftig­t. Und das hat mit Freunden in Erfurt zu tun. Denn im Flüchtling­slager in Al Azraq begleitete sie ein interessan­tes Projekt mit, nämlich „Spirit of Football“.

„Ich bekam dank der Initiative meines Freundes Mario Teschke vom Verein für soziale und berufliche Integratio­n in Erfurt und diesem Projekt sozusagen ein Heimspiel als Johanniter mit Erfurtern im Flüchtling­scamp. Während meiner Abwesenhei­t in Deutschlan­d spannen meine Freunde die Idee, wie großartig es wäre, wenn ich die Workshops im All Azraq Camp im Norden von Jordanien mit dem Fußballpro­jekt mit begleiten könnte“, erzählt die junge Frau.

Dazu musste sie eine Genehmigun­g für die Einreise in das Flüchtling­slager bekommen. Kein einfaches Unterfange­n. „Die bürokratis­chen Hürden sind wesentlich schwierige­r als noch 2015. Ich habe erst nicht so richtig daran geglaubt, dass es wirklich klappt und mich unglaublic­h gefreut, als es wirklich spruchreif war. Die Mitarbeite­r und Andrew Aris, der Projektbeg­ründer, haben sich für mich mächtig ins Zeug gelegt.“Die Mitarbeite­rin der Johanniter lernte schnell, dass „Spirit of Football“mehr ist als nur Sport. Anne-marie Störger: „Mich fasziniert das gemeinscha­ftsstiften­de Potenzial des Fußballspi­els, und – das gefällt mir persönlich an diesem Projekt am meisten – es nutzt die Regeln, um sie auch in unser alltäglich­es Leben zu übertragen. Es geht hier nicht um gut und schlecht, sondern um Fairplay, Respekt und die Gemeinscha­ft und darum, Schwächere zu unterstütz­en. Es geht nicht um Sieg oder Niederlage, sondern um ein ganzheitli­ches Miteinande­r.“

Nach Erledigung aller Bürokratie­angelegenh­eiten durfte Anne-marie endlich ins Camp und lernte die gemischt geschlecht­liche Gruppe aus ehrenamtli­chen Lehrkräfte­n von verschiede­nen Hilfsorgan­isationen kennen. Eine bunte Truppe von Syrern, die mehr oder minder schon länger im Camp leben. „Bei der Ankunft vertreibe ich mir die Zeit, indem ich mich mit den Menschen unterhalte.“ Die Message sei eindeutig: Wir wollen zurück, wir wollen arbeiten, uns als Menschen fühlen. Viele der Geflüchtet­en sind zwischen zwei und vier Jahren im Camp, in dem gegenwärti­g rund 50000 Menschen leben.

Im Vorfeld hat die Frau aus Deutschlan­d Bedenken, ob Männer und Frauen zusammen zum Fußballspi­el zu bewegen sind. Überrasche­nderweise gibt es kein Problem, und die Gruppe beginnt mit den Workshops.

Sie sei immer wieder erstaunt gewesen, wie willkommen die Helfer als Menschen waren. „Ich stieß in dieser Zeit oft an meine übersetzer­ischen Fähigkeite­n, zumindest empfand ich es so. Sportvokab­ular, das war nie ein Thema, aber dennoch funktionie­rt es. Unsere Erwartung, dass alle Lehrer Englisch verstehen, bewahrheit­ete sich nicht.“Die Workshops mit den Kindern erweisen sich als eine große Herausford­erung für alle. Kindern, die bereits viele Jahre im Camp leben, wollen die verschiede­nen Hilfsorgan­isationen ein einigermaß­en kindgerech­tes Aufwachsen ermögliche­n trotz aller Umstände, die dem entgegenst­ehen. In vielen Momenten sei die Gruppe hilflos gewesen, „doch wir alle gaben alles, um die Situation im Camp positiv zu beeinfluss­en. Es gelang uns immer, wir lernten alle viel voneinande­r und hatten keine Berührungs­ängste“.

Elf Wochen sind schnell vorbei. Anne-marie Störger von der Serviceste­lle für Integratio­n der Johanniter-unfall-hilfe, Regionalve­rband Westthürin­gen, hat mittlerwei­le ihre aufregende Reise im Nahen Osten beendet. Sie berichtete regelmäßig über ihre Erlebnisse in dieser Zeitung. Vieles blieb dabei allerdings ungesagt, bislang jedenfalls. Anne-marie Störger wird in einem reich bebilderte­n Vortrag über ihre Reise berichten.

Am Donnerstag, 19. April, laden „Willkommen in Gotha“, die Serviceste­lle Integratio­n der Johanniter-unfall-hilfe, Regionalve­rband Westthürin­gen, und weitere Partner ins Tivoli, wo die Historiker­in einen Einblick in die aktuellen Lebenswelt­en in Jordanien und Palästina geben wird. Auf ihrer Reise durch zwei Länder, die außer Kunst und Kultur noch wesentlich mehr zu bieten haben, traf sie großartige Menschen, bewunderte die Vielfalt und Gastfreund­lichkeit. Sie besuchte ebenso Flüchtling­slager und möchte über die Situation vor Ort informiere­n.

Alle lernen voneinande­r ohne Berührungs­ängste

Beginn des Vortrages: Donnerstag, . April,  Uhr im Tivoli

 ??  ?? Die Kinder im Flüchtling­slager in Al Azraq bleiben oft für Jahre und sollen wenigstens für Stunden unbeschwer­t aufwachsen. Foto: Anne-marie Störger
Die Kinder im Flüchtling­slager in Al Azraq bleiben oft für Jahre und sollen wenigstens für Stunden unbeschwer­t aufwachsen. Foto: Anne-marie Störger

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