Fachwerk, Stroh und Lehm
Eine junge Familie aus Friedrichroda baut sich in Bad Tabarz ein Haus wie vor Hunderten von Jahren. Gestern wurde Richtfest gefeiert
Bad Tabarz. Der Rost, auf dem später die Würste braten, wenn die Richtkrone hängt, steht Steffen Dachsel noch viel zu nah am Haus. Auch wer rauchen muss, soll das, bitteschön, in ausreichender Entfernung tun. Stroh und Holz, richtig trocken, sind eine zu große Gefahrenquelle.
Dachsel ist Architekt und Bauingenieur. Er gründete 1998 in Erfurt die Firma „lehm-baukunst dachsel“. Mit dem Ziel, „planerisch ausschließlich ökologisch motivierte Auftraggeber zu bedienen und gleichermaßen Lehm- und Naturbaustoffe handwerklich solide zu verarbeiten“, wie der Mann betont.
Gegenwärtig macht er das in Bad Tabarz. In der Waltershäuser Straße entsteht ein Fachwerkhaus, auf die gleiche Weise, wie vor Hunderten von Jahren gebaut wurde. Fast jedenfalls, denn die Materialien sind die gleichen. Holz und Lehm und Stroh. Und doch ist es Spitzentechnologie, die hier zum Tragen kommt. Stroh spielt als Dämmmaterial eine herausragende Rolle. Deshalb können auch nicht irgendwelche Getreidehalme verbaut werden.
Bauherr Björn Ramm hat sich schon vor Jahresfrist darum gekümmert, das richtige Baumaterial zu bekommen. Bei Bauer Dübner in Mühlberg erhielt er genau das Stroh, das er suchte. Insgesamt 300 festgepresste Ballen braucht er für sein Haus. Danach suchte er eine Scheune, um diese trocken lagern zu können – bis vor einigen Tagen die gepressten Ballen nach Tabarz gefahren werden konnten. Doch ehe das passierte, reiste ein Experte aus Bremen an, um das Stroh als Baumaterial zu zertifizieren. Nur dann kann es verarbeitet werden.
Für Susanne Kalb und Björn Ramm war früh klar: Wenn wir ein Haus bauen, dann muss es ein ökologisches Bauwerk sein. „Lange haben die beiden, die in Friedrichroda wohnen, nach einem Grundstück für ihr Vorhaben gesucht. Bei einem Spaziergang in Bad Tabarz entdeckten sie es. Mit den Besitzern war sich das Paar schnell einig.
Am Montag begannen die Zimmerleute mit dem Errichten des Fachwerkes auf der Bodenplatte. Tag für Tag wuchs das Haus. Am gestrigen Freitag konnte bereits Richtfest gefeiert werden. Bis Frühjahr wird es aber noch dauern, ehe die Familie, zu der zwei Kinder gehören, einziehen kann. Nach dem die Fächer mit dem Stroh gefüllt sind, wird innen und außen Lehmputz aufgetragen.
Was alles bei dieser Art des Bauens zu beachten ist, erklärte Dachsel gestern Vormittag Studenten anhand dieses Hauses. Er arbeitet an der Fachschule Erfurt als Dozent und nutzt die Gelegenheit des praktischen Beispiels. Die Studenten haben sich das Wahlfach Lehmbau ausgesucht, weil „ökologisches Bauen immer wichtiger wird“, wie Anna Büttner betont. Kommilitone Kristof Schüler sieht das ebenso. Zu beobachten, wie ihr Dozent umsetzt, was er ihnen in der Theorie erklärt, findet er spannend.
Die junge Familie wird in Bad Tabarz auf rund 110 Quadratmetern in einem Haus wohnen, das über ein gesundes Raumklima verfügt und viele andere Vorteile hat. Doch weder Susanne Kalb noch Björn Ramm sind Menschen, denen ein Leben in den eigenen vier Wänden genügt. „Wir haben bereits Kontakte im Ort“, sagt Susanne Kalb, „und die wollen wir natürlich als Neubürger ausbauen.“Sie kann sich vorstellen, in der Fairtradegruppe in Bad Tabarz mitzuarbeiten. „Im Ort bewegt sich viel“, freut sich ihr Mann. Begeistert sind beide von den Möglichkeiten, die durch die Thüringerwaldbahn gegeben sind. „Wann immer es geht, nutzen wir öffentliche Verkehrsmittel.“
Freitagnachmittag wurde die Richtkrone auf den Bau gesetzt. Und ordentlich gefeiert, mit Bauleuten und Nachbarn.