„Die Schüler und den Unterricht werde ich vermissen, die Verwaltungsaufgaben nicht“
Gespräch mit Siegfried Nucke über 40 Jahre Arbeit als Lehrer. Claudia Grünewald wird Leiterin des Beruflichen Gymnasiums
Gotha. Die Schüler im Landkreis Gotha gehen in die Sommerferien. Lehrer Siegfried Nucke (63) geht in den Ruhestand. 40 Jahre war er im Schuldienst. Zuletzt, seit 2002, leitete er das Wirtschaftsgymnasium in Gotha-sundhausen. Über das, was ihn in all den Jahren bewegte und begegnete hält der Tabarzer Rückschau im Gespräch.
Herr Nucke, Sie gehen nach 40 Jahren Schuldienst in den Ruhestand. Sie sind ein gutes Beispiel dafür, dass Pädagogen im Lehrerberuf alt werden können.
Ich bin bis zum heutigen Tag gern Lehrer. Das war mir nie eine Last. Ich habe gern unterrichtet und Unternehmungen mit Schülern organisiert.
Wo haben Sie begonnen? 1978 an der Polytechnischen Oberschule 2 in Waltershausen. Als 23-jähriger Lehrer ging es für mich erst einmal darum, mir einen Stand zu verschaffen. Zum Glück ist das relativ schnell gelungen.
Wie gewinnt ein Lehrer die Schüler für sich?
Er/sie muss konsequent, offen und dem Schüler zugewandt sein. Sie brauchen jemanden, dem sie vertrauen können – damals wie heute.
Was hat sich in all den Jahren in der Schule verändert? Vieles. Damals in Waltershausen sind die Heranwachsenden zur Schule gelaufen. Heute fahren Schüler der 12. und 13. Klasse mit dem Auto vor. Wir haben deswegen 2004 am Beruflichen Gymnasium einen Parkplatz gebaut, nachdem die Schüler dort regelmäßig Knöllchen wegen Falschparkens bekommen hatten. Wenn ich zurückblicke, überrascht es mich, wie viele Dinge im Lauf der Jahre eine Rolle gespielt haben.
Das Niveau der Schüler sinkt, besagt eine weit verbreitete Meinung.
Ich würde es anders formulieren. Die Möglichkeiten, sich Interessen zuzuwenden, die außerhalb der Schule liegen, sind inzwischen so vielfältig, dass es nahezu überall Schüler gibt, die ein unglaubliches Inselwissen besitzen. Das erstreckt sich aber oft nicht unbedingt auf die Kernkompetenzen, die in der Schule gelehrt werden.
Ihre Profession war Deutsch und Geschichte.
Die Kombination habe ich bewusst gewählt. Gerfried Fuhlbrügge war mein Deutschlehrer an der Salzmannschule. Hätte es ihn nicht gegeben, ich wäre kein Deutschlehrer geworden. Sein Unterricht hat mich begeistert.
Was hat Sie bewogen, die Leitung des Wirtschaftsgymnasiums zu übernehmen? Neugier. Nach acht Jahren Tätigkeit als Fachberater Deutsch habe ich eine neue Herausforderung gesucht. In den 16 Jahren seitdem ist es doch sehr zu meiner Schule geworden.
Früher hieß es landläufig: In Sundhausen werden Bauer mit Abitur ausgebildet. Was zeichnet das Berufliche Gymnasium heute aus?
Unsere Schüler legen nach den drei Jahren das gleiche Abitur ab wie an den allgemeinen Gymnasien, nur in dem einen Leistungsfach Wirtschaft oder Technik liegt der Schwerpunkt anders. Sie haben also Vorwissen in BWL und Rechnungswesen oder Technik – sie erfüllen also das, was von der Politik gefordert wird: Besser vorbereitet sein auf das Studium und das berufliche Leben.
Auch kritische Jahre haben Sie am Wirtschaftsgymnasium erlebt. 2011 stand es vor der Schließung.
Das war eine ganz schwierige Zeit, weil ganz offen diskutiert wurde, das Haus hier zu schließen. Das wäre für das Berufliche Gymnasium eine Katastrophe gewesen. Wir leben davon, dass in diesem Haus nur Abiturienten unterrichtet werden. Das bestimmt die Lern-atmosphäre des Hauses. Die da wäre?
Freundlich und angenehm. Konzentriertes Arbeiten. Respektvoller Umgang. Das Gebäude am Ortsrand von Sundhausen trägt dazu bei, dass dieses Gymnasium seinen guten Ruf wahren kann.
Wie steht es um das Internat? Das Internat wird von der „Internate im Landkreis Gotha Gmbh“betrieben. Dort können Sie Auskunft erhalten.
Wie viele der Absolventen schlagen eine Hochschullaufbahn ein?
Das ist von Jahr zu Jahr verschieden. Wir haben dieses Jahr 56 Abiturienten. Davon strebt der größere Teil ein Studium an. Etwa ein Drittel geht in Richtung Ausbildung, die häufig dann noch ein Studium ermöglicht. Das Finanzamt zum Beispiel ist seit Jahren daran interessiert, Absolventen unserer Schule zu bekommen. Das trifft auch für die Verwaltung, für Banken zu. Die Bandbreite unserer Ehemaligen ist mittlerweile sehr groß, vom Musikwissenschaftler über Ärzte, Anwälte, Ingenieure bis hin zu Wirtschaftsförderern.
Was trägt ein Abteilungsleiter zum Erfolg einer Schule bei? Allein geht gar nichts. Es bedarf aller Kollegen, die mitziehen, die sich für die Schule einsetzen. Das ist hier der Fall. Deswegen ist es gar nicht so wild, wenn ich hier nicht mehr da bin.
Wie steht es um die Nachfolge? Seit Donnerstag wissen wir, es wird Claudia Grünewald sein, die in meiner Abteilung als Fachbereichsleiterin arbeitet. Sie kennt sich also aus!
Welche Herausforderung wartet auf Sie im Ruhestand? Mein Verlag „Tasten und Typen“, den ich 2014 mit dem Blick auf das E-book gegründet habe. Inzwischen habe ich das Spektrum um gedruckte Bücher erweitert. Das ist in der Konsequenz schneller gewachsen, als ich dachte. Dieses Frühjahr war ich zum ersten Mal mit meinem Verlag auf der Leipziger Buchmesse mit sieben Neuerscheinungen vertreten. Ich muss sehen, wie sich das weiter wirtschaftlich vernünftig entwickeln kann.
Sie als Germanist kommen ja vom Wirtschaftsgymnasium. Das hat mir als Verlagsleiter schon geholfen. Es ist ungemein anregend, selbst Entscheidungen treffen zu können. Wenn sich etwas in Schule verändert hat in den letzten Jahrzehnten: Man wird immer mehr zum Verwalter und immer weniger zum Gestalter. Das ist unbefriedigend, wenn man Schule entwickeln will. Den Schreibtisch mit seinen Verwaltungsaufgaben verlasse ich leichten Herzens. Die Schule mit ihren Schülern, dem Unterricht, mit den Möglichkeiten etwas dort zu entwickeln, das werde ich mit Sicherheit vermissen.