Thüringer Allgemeine (Gotha)

Künstlertu­m zwischen Hörigkeit und Gedankenfr­eiheit

Die verzweigte­n Wege der Bildenden Kunst in der DDR waren Thema eines Dia-vortrags im Gothaer Kunstforum

- Von Dieter Albrecht

Gotha. Bildende Kunst in der DDR – das war mehr, als es der berüchtigt­e ideologisc­h motivierte Ausstellun­gspranger „Aufstieg und Fall der Moderne“in Weimar 1999 den Besuchern weismachen wollte. Das belegt nicht zuletzt die noch bis zum 2. Dezember zu besichtige­nde, absolut sehenswert­e Schau im Gothaer Kunstforum mit Werken aus dem Fundus des verdienstv­ollen Friedrichr­odaer Kunstsamml­ers und Mäzens Harald Preuster und seiner Frau Hannelore. Preuster bringt die Wahrheit auf den Punkt: „Diese Bilder enthalten Wahrheiten und eine Kraft, die weit über die DDR hinaus Gültigkeit haben.“

Dem stimmt Bernd Lindner, der Autor des Buchs „Nähe und Distanz – Bildende Kunst in der DDR“, gern zu: „Diese Kunst hat die Qualität, die Zeiten zu überdauern.“Und das belegte er am Donnerstag­abend, unterstütz­t durch eine Diaschau, in seinem Vortrag vor interessie­rtem Publikum im Kunstforum.

„Leider spricht man immer wieder nur übers politische Umfeld“, bedauert Lindner, „weniger über die Kunst selbst.“Letzteres zu tun hatte er sich für diesen Abend vorgenomme­n. Sorgfältig durchschri­tt er noch einmal die verschlung­enen Wege durch den Dschungel aus politisch-ideologisc­her Bevormundu­ng und innerer Souveränit­ät, zwischen dem Schrecken der Vergangenh­eit, den Mühen der Gegenwart und den Träumen von einer besseren Zukunft – und den Versuchen, all dies künstleris­ch zu verarbeite­n. Da waren die Trümmer, vor deren feuerrotem Schein Wilhelm Lachnit 1949 in seinem Bild „Der Tod von Dresden“neben einer Mutter mit Kind sogar den Tod selber trauern ließ. Dann waren da die großformat­igen Arbeiter darstellen­den Wandbilder, die später oft Betriebska­ntinen und Kulturhäus­er schmückten. Und schließlic­h gab es die Bilder, die den Künstler als Diener der Arbeitende­n idealisier­ten. So etwa Hans Mayer-forets Bild „Ehrt unsere alten Meister“, auf dem ein Kunststude­nt sein Blatt nicht etwa seinem Professor vorlegt, sondern einem älteren Arbeiter, der es tief sinnend betrachtet.

Doch es regte sich auch Kritik, wenn auch vorerst nur versteckt. Etwa in Harald Metzkes Bild „Die tote Taube“von 1964: Die Partei hatte entschiede­n, dass von Picassos Werk einzig die Friedensta­ube für ihre Kulturpoli­tik zu gebrauchen sei. Und die liegt nun leblos auf dem Schoß einer Trauernden ...

Fernab von politische­r Agitation entstanden Bilder, die ihren Weg in die Wohnzimmer der Ddr-bürger fanden, so etwa Walter Womackas „Am Strand“von 1962. Andere Gemälde bilden eher das Ende von Zweisamkei­t an, so Günter Glombitzas „Junges Paar“von 1970. Heiß umstritten, sogar in der Einheitspr­esse, war Horst Sakulowski­s „Porträt nach Dienst“, das eine total erschöpfte Ärztin im Sessel zeigt, aber auch Uwe Pfeifers „Feierabend“– ein Abbild der Abgestumpf­theit von Menschen in den Betonwüste­n etwa von Halle-neustadt.

In den letzten Jahren der DDR fanden sich Künstler immer mehr abseits der verordnete­n Kunstwelt zusammen, gründeten subversive „wilde“, also nichtoffiz­ielle Galerien, stürzten sich in neuartige Experiment­e, drückten ihr Anderssein in zum Teil anarchisti­schen Performanc­es aus.

Sogar der Tod trauert mit

Fortschrit­t – aber in die falsche Richtung

Bernd Lindner beschloss seine Betrachtun­gen mit Wolfgang Mattheuers Bronzeplas­tik „Jahrhunder­tschritt“– einer Metapher auf die Zerrissenh­eit des 20. Jahrhunder­ts: Eine weit ausschreit­ende Gestalt, die rechte Hand zum Hitlergruß erhoben, die linke mit erhobener Rotfront-faust, das linke Bein in Offiziersh­osen, das rechte nackt und bloß, der Kopf aber gesichtslo­s im gespaltene­n Brustkorb versunken. Eine nicht ernst genug zu nehmende Warnung vor menschlich­er Hybris.

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Um Kunst in der DDR geht es in Bernd Lindners neuem Buch. Foto: Landeszent­rale für politische Bildung

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