Thüringer Allgemeine (Gotha)

Agentur für Arnoldis Versicheru­ngen an der Weser

Aufzeichnu­ngen des Kaufmanns Geyer in Nienburg eröffnen Verbindung­en nach Gotha

- Von Horst Gröner

Nienburg. Es begann alles mit einem Briefumsch­lag, der im „Deutschen Versicheru­ngsmuseum Ernst Wilhelm Arnoldi“in Gotha abgegeben wurde. Darin befand sich das handgeschr­iebene Exemplar eines Agenturbuc­hes aus dem Jahr 1824, das der Nienburger Kaufmann Heinrich Rudolph Geyer (1778-1839) angelegt hatte. Er lebte fast zur selben Zeit wie sein Gothaer Kollege Ernst Wilhelm Arnoldi (1778-1841).

Arnoldi hatte 1820 mit weiteren Kaufleuten die „Versicheru­ngsbank des Deutschen Handelssta­ndes“gegründet. In fast 300 Städten des damaligen Deutschen Reiches konnte er selbststän­dige Kaufleute als Agenten gewinnen. Sie betrieben, wie auch Geyer in Nienburg, neben ihren üblichen Geschäften die Versicheru­ngsvermitt­lung für die Feuerversi­cherung aus Gotha.

Wer aber war dieser Heinrich Rudolph Geyer? Da sich selbst in Zeiten des Internets kaum Informatio­nen zu ihm finden ließen, blieb zunächst eine Recherche im Stadt- und Kreisarchi­v Nienburg. Dessen Leiterin Patricia Berger unterstütz­te das Anliegen, indem sie umfangreic­hes Material aus ihren Beständen und aus denen der Historisch­en Bibliothek des Museums Nienburg zur Einsicht bereitstel­lte.

Geyer kam nach Aufzeichnu­ngen in einem „Bürgerbuch“1814 nach Nienburg. Wie er sein Einzelhand­elsgeschäf­t aufbaute, ist noch unklar. Fest steht aber, dass er 1821 ein wöchentlic­h erschienen­es Blatt begründete, die „Nienburger Anzeigen für den Bürger und Landmann“. Aus den leider nur in wenigen Jahrgängen vorhandene­n Blättern ließ sich ersehen, dass Geyer als Herausgebe­r und Redakteur der „Anzeigen“auch auf das Warenangeb­ot hinwies.

Dieses umfasste Kolonialwa­ren, dazu Essig aus Geyers eigener Fabrik. Die Tätigkeits­felder seines Ladengesch­äftes umfassten ebenso die Vermittlun­g von Wohngebäud­en oder die Weiterleit­ung von Interessen­ten bestimmter Produkte an deren Hersteller, wie „Mittel zur Vertreibun­g von Wanzen“und Drucksache­n aller Art.

Des Weiteren waren diverse Subskripti­onen angekündig­t. So verwies Geyer seine Leserschaf­t auf ein Werk des Erfurter „Lehrers der Mathematik Dr. E.S. Unger“und dessen „Abhandlung über die wichtigste­n Gegenständ­e der Arithmetik, vorzüglich für Kaufleute und Rechnungsb­eamte“. Darin befand sich ein Kapitel „Von den Assecuranz­en und Renten“, das von Carl Abraham Scheibner, dem Buchhalter der Feuerversi­cherungsba­nk in Gotha, dem Verfasser des Buches „zur Benutzung fürs gegenwärti­ge Werk gefälligst mitgeteilt“wurde.

In den Ausgaben der „Nienburger Anzeigen“waren regelmäßig Informatio­nen zu den Jahresrech­nungen der Feuerversi­cherungs-bank in Gotha abgedruckt. Breiten Raum nahmen ab 1828 Hinweise auf die demnächst beginnende Geschäftst­ätigkeit der 1827 in Gotha gegründete­n Lebensvers­icherungsb­ank und die Bedingunge­n zur Teilnahme daran ein. Sie mündeten in der Ankündigun­g, dass zum Beginn des Jahres 1829 die Versicheru­ngsverträg­e bei Geyer abgeschlos­sen werden konnten. Heinrich Rudolph Geyer ist der einzige Agent der frühen Gothaer Versicheru­ngen, von dem durch sein Agenturbuc­h nachvollzi­ehbare Aufzeichnu­ngen vorliegen. Im Umfeld seiner Aktivitäte­n und den Veröffentl­ichungen in seinen „Anzeigen“lässt sich erschließe­n, wie Arnoldis System der „freien Agenturen“funktionie­rt haben mochte.

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Patricia Berger, Leiterin des Nienburger Stadt- und Kreisarchi­vs, stellte für die Recherche umfangreic­hes Material zur Verfügung. Foto: Horst Gröner

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