Thüringer Allgemeine (Gotha)

Shemsije Gashi trauert um ihre getötete Schwester Florije

Am 19. Dezember beginnt am Mühlhäuser Amtsgerich­t der Prozess gegen die zwei tatverdäch­tigen Männer

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Unstrut-hainich-kreis. In der Nacht vom 11. auf den 12. Januar wurde in Bad Langensalz­a eine 34-jährige Frau getötet. Sie starb durch einen Schuss in den Oberkörper in der Wohnung ihres Lebensgefä­hrten. Er soll auch geschossen haben. Die Waffe gehörte einem Bundespoli­zisten, der sich zur Tatzeit ebenfalls in der Wohnung aufhielt. Er war ein Bekannter des Lebensgefä­hrten, stammt aus Bad Langensalz­a und arbeitete in Bayern. Unklar ist bisher, warum der Polizist in der Nacht seine Dienstwaff­e dabei hatte. Laut Polizei waren beide Männer bei der Festnahme alkoholisi­ert. Am 19. Dezember beginnt nun am Mühlhäuser Amtsgerich­t der Prozess – fahrlässig­e Tötung lautet die Anklage. Eine schwere Zeit für Shemsije Gashi, die Schwester der Getöteten, und ihre Familie. „Wenn ich den beiden Männern gegenüber sitze, die für den Tod meiner Schwester verantwort­lich gemacht werden, werden das die schlimmste­n Stunden meines Lebens“sagt die 38-Jährige, die als Barchefin arbeitet. Sie hat Tränen in den Augen. Mit zitternder Stimme spricht sie über den letzten Abend mit ihrer Schwester Florije, die durch den Schuss starb.

Es sei ein normaler Donnerstag­abend gewesen. Vor Dienstbegi­nn im Bad Langensalz­aer „Manolo“unterhielt­en sich die beiden Schwestern. „Ich war voller Elan und habe mit Überzeugun­g zu Florije gesagt: 2018 wird unser Jahr. Sie antwortete nur lächelnd: Woher nimmst du nur die Kraft, so etwas zu behaupten, aber wenn du es sagst“, erinnert sich Shemsije Gashi.

Die beiden Schwestern begannen mit ihrer Arbeit. Kurz nach 22 Uhr hätten die zwei Männer, die heute Angeklagte­n, die Bar betreten. Man habe sich begrüßt, denn die damals 22 Jahre alten Männer waren keine Unbekannte­n. Einer sei der Freund ihrer Schwester Florije gewesen.

Kurz vor Mitternach­t verabschie­dete sich die Schwestern.

Ein Telefonanr­uf weckte sie am nächsten Morgen. Eine Freundin habe aufgeregt gefragt: „Ist was mit Florije, ist sie bei dir?“Sofort rief Shemsije Gashi im Krankenhau­s an, dort konnte man ihr aber nicht weiter helfen. Gleich danach folgte ein Anruf bei der Polizei. Von dort hieß es: „Die Kollegen der Kripo sind auf dem Weg zu Ihnen“. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sie noch die Hoffnung gehabt, dass es sich um eine Verwechslu­ng handelt. Doch die Polizeibea­mten übermittel­ten kurz darauf die tragische Todesnachr­icht.

Die Schwestern, unzertrenn­lich und 1991 aus dem Kosovokrie­g geflohen, strandeten gemeinsam mit ihren Eltern in einer runter gekommenen Kaserne in Köln. Später, immer wieder von einer Aufnahmest­elle zur nächsten geschickt, fand die Familie ihren Lebensmitt­elpunkt in Eisenach.

„Jeder, der einen geliebten Menschen verloren hat, kann nachvollzi­ehen, dass einen diese Liebe auch kaputt machen kann. Ich fühle mich, als würde ich ohne Herz weiter leben“sagt die 38-Jährige. Der Verlust ihrer Schwester sei nicht wieder gut zu machen. Er habe jedes Gefühlinih­rzerstört.

Hoffnung und Kraft schöpft sie nun aus der Geburt ihrer kleinen Nichte. Genau neun Monate nach dem Tod von Florije habe ihre Schwester Hajri eine gesunde Tochter zur Welt gebracht. Sie trägt den Namen Flora, so habe man ihre Schwester immer gerufen. „Die kleine fängt uns auf, immer wenn ich sie auf dem Arm habe, habe ich ein schlechtes Gewissen. Florije hat Kinder geliebt, leider kann sie das nicht mehr mit erleben“, sagt Shemsije Gashi.

Die schlimmste­n Stunden des Lebens

Den Eltern in Eisenach die Nachricht überbracht

Es könne sich keiner vorstellen, was sie gefühlt hat, als sie am Todestag ihrer Schwester nach Eisenach fuhr und die Nachricht ihren Eltern überbracht­e. Aus dem Auto heraus, habe sie den Notruf gewählt und den Rettungsdi­enst alarmiert. Zeitgleich traf man am Haus der Eltern ein, die Retter hätten bereit gestanden, um die Eltern ärztlich zu versorgen.

Nach dem Tod ihrer Schwester schloss die 38-Jährige die Bar in der Innenstadt. Einige hätten ihr Unverständ­nis darüber geäußert, den Laden nach nur 14 Tagen wieder geöffnet zu haben. „Wir konnten nicht anders, die Rechnungen sind nach wie vor ins Haus geflattert. Wenn du selbststän­dig bist, musst du arbeiten um deine Posten bezahlen zu können“, erklärt es die Barchefin. „Wir sind aus dem Krieg geflohen und dann wurde meine Schwester mit der Waffe eines Bundespoli­zisten erschossen, das geht mir bis heute nicht aus dem Kopf“, meint Shemsije Gashi. Sie empfindet keinen Hass gegen die Täter, wohl aber unglaublic­he Wut.

Laut Informatio­nen unserer Zeitung soll der Bundespoli­zist seit dem Vorfall im Januar vom Dienst suspendier­t sein. Ende August sei seine Entlassung bei der Bundespoli­zei in Kraft getreten. Den beiden Männern drohen nun fünf Jahre Haft.

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Foto: Daniel Volkmann Shemsije Gashi trauert um ihre Schwester Florije, sie wurde im Januar in Bad Langensalz­a erschossen.

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