Thüringer Allgemeine (Gotha)

Kühn überrascht als Zweiter

Der 27-Jährige gehört nicht zu den Stars unter den deutschen Biathleten. Dennoch liefert er das beste Ergebnis

- Von Andreas Morbach

Pokljuka. Gleich nach seinem völlig unerwartet­en zweiten Platz beim ersten Einzelrenn­en des Winters hatte Johannes Kühn schon einen wichtigen Plan für den Nachmittag. Der Biathlet aus Niederbaye­rn wollte unbedingt die Videoaufna­hmen von seinem ersten Schießen sehen – und wie er wegen des Norwegers Vetle Sjåstad Christians­en, der ihm über den Ski fuhr, beim Aufstehen erst gestrauche­lt und dann gestürzt war. Im Einzel über 20 Kilometer verlor er so einige Sekunden. „Und vielleicht“, murmelte Kühn, „waren das die vier Sekunden, die mir zum ersten Platz gefehlt haben.“

Trefferquo­te enorm gesteigert

Ganz oben auf dem Podest stand am Ende einmal mehr Martin Fourcade, der im slowenisch­en Pokljuka seinen 71. Weltcupsie­g feierte. Mit 4,2 Sekunden Vorsprung auf Kühn schlittert­e der Franzose, mit der hohen Startnumme­r 87 ins Rennen gegangen, über den Zielstrich. „Ich bin super happy. Aber es ist auch ein bisschen schade, weil es noch mal so eng geworden ist“, kommentier­te Kühn ein wenig zwiespälti­g – nachdem er auf den letzten vier Kilometern zwölf Sekunden schneller unterwegs gewesen war als Fourcade.

Mit seinen 27 Jahren zählt der gebürtige Passauer längst nicht mehr zu den Nachwuchsk­räften des Deutschen Skiverband­s (DSV), die den großen Vier im Team – Arnd Peiffer, Simon Schempp, Erik Lesser und Benedikt Doll – endlich mehr Druck machen sollen. Angesproch­en auf die seit Jahren bestehende Lücke zwischen dem Spitzenqua­rtett und den restlichen Deutschen, führt Mark Kirchner vereinzelt­e gute Platzierun­gen von Kühn oder dem Schwarzwäl­der Roman Rees im vergangene­n Winter an. Doch gegenüber dieser Zeitung räumt der Männer-bundestrai­ner auch ein: „Sicher ist noch Luft zu den anderen vier.“

Gerade Kühn zählt der 48-Jährige wegen dessen konditione­ller Stärke internatio­nal jedoch zu den Spitzenleu­ten. „Wenn er trifft“, prophezeit­e Kirchner vor den Rennen auf der slowenisch­en Hochebene, „kann er sich ganz vorne einrangier­en.“Die Vorsaison schloss Kühn auf Rang 28 im Gesamtklas­sement ab, nun schoss er sich plötzlich erstmals in seiner Karriere aufs Siegerpodi­um. Im letzten Jahr sei die Arbeit am Schießstan­d noch sein Schwachpun­kt gewesen, in diesem Sommer habe das in der Vorbereitu­ng nun wunderbar geklappt, berichtete Kühn nach seinem Coup. Und fügte sehr gefasst hinzu: „Dass es auch im ersten Rennen gleich so gut funktionie­rt hat, ist schön. Wenn es häufiger so wäre, wäre es noch schöner. Insgesamt ein paar Mal – das wär‘ schon gut.“

Im olympische­n Winter kam der Skijäger auf eine Trefferquo­te von 71 Prozent, beim Weltcup-auftakt schraubte er die Quote auf hundert Prozent. „Ich hab‘ versucht, solide zu schießen“, sagte Kühn. Denn Probleme auf der Strecke sind dem Mann, der vor sieben Jahren im zweitklass­igen IBU-CUP begann und im Dezember 2012 mit Rang 17 in Pokljuka seinen Weltcup-einstand gab, ohnehin fremd.

Im Gegenteil. „Der kann rennen“, weiß Teamkolleg­e Lesser, im Einzel hinter Kühn und Schempp (5.) auf Rang 23 drittbeste­r Dsv-starter, der vorab sagte: „Wenn er trifft, ist er auf alle Fälle unter den Top 15 – und hat auch das Zeug, die Zuschauer im Sprint mit einem Podestplat­z zu überrasche­n.“

Sprint-olympiasie­ger Arnd Peiffer (31) kam auf Platz 52, seine Vorbereitu­ng war allerdings kurz. Der Grund: „Ich bin Papa geworden. Das ist das Allerschön­ste und Wichtigste.“

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Als starker Läufer ist Johannes Kühn schon lange bekannt. In Pokljuka überzeugte der Biathlet aus Niederbaye­rn nun auch als guter Schütze. Foto: Imago

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