Kühn überrascht als Zweiter
Der 27-Jährige gehört nicht zu den Stars unter den deutschen Biathleten. Dennoch liefert er das beste Ergebnis
Pokljuka. Gleich nach seinem völlig unerwarteten zweiten Platz beim ersten Einzelrennen des Winters hatte Johannes Kühn schon einen wichtigen Plan für den Nachmittag. Der Biathlet aus Niederbayern wollte unbedingt die Videoaufnahmen von seinem ersten Schießen sehen – und wie er wegen des Norwegers Vetle Sjåstad Christiansen, der ihm über den Ski fuhr, beim Aufstehen erst gestrauchelt und dann gestürzt war. Im Einzel über 20 Kilometer verlor er so einige Sekunden. „Und vielleicht“, murmelte Kühn, „waren das die vier Sekunden, die mir zum ersten Platz gefehlt haben.“
Trefferquote enorm gesteigert
Ganz oben auf dem Podest stand am Ende einmal mehr Martin Fourcade, der im slowenischen Pokljuka seinen 71. Weltcupsieg feierte. Mit 4,2 Sekunden Vorsprung auf Kühn schlitterte der Franzose, mit der hohen Startnummer 87 ins Rennen gegangen, über den Zielstrich. „Ich bin super happy. Aber es ist auch ein bisschen schade, weil es noch mal so eng geworden ist“, kommentierte Kühn ein wenig zwiespältig – nachdem er auf den letzten vier Kilometern zwölf Sekunden schneller unterwegs gewesen war als Fourcade.
Mit seinen 27 Jahren zählt der gebürtige Passauer längst nicht mehr zu den Nachwuchskräften des Deutschen Skiverbands (DSV), die den großen Vier im Team – Arnd Peiffer, Simon Schempp, Erik Lesser und Benedikt Doll – endlich mehr Druck machen sollen. Angesprochen auf die seit Jahren bestehende Lücke zwischen dem Spitzenquartett und den restlichen Deutschen, führt Mark Kirchner vereinzelte gute Platzierungen von Kühn oder dem Schwarzwälder Roman Rees im vergangenen Winter an. Doch gegenüber dieser Zeitung räumt der Männer-bundestrainer auch ein: „Sicher ist noch Luft zu den anderen vier.“
Gerade Kühn zählt der 48-Jährige wegen dessen konditioneller Stärke international jedoch zu den Spitzenleuten. „Wenn er trifft“, prophezeite Kirchner vor den Rennen auf der slowenischen Hochebene, „kann er sich ganz vorne einrangieren.“Die Vorsaison schloss Kühn auf Rang 28 im Gesamtklassement ab, nun schoss er sich plötzlich erstmals in seiner Karriere aufs Siegerpodium. Im letzten Jahr sei die Arbeit am Schießstand noch sein Schwachpunkt gewesen, in diesem Sommer habe das in der Vorbereitung nun wunderbar geklappt, berichtete Kühn nach seinem Coup. Und fügte sehr gefasst hinzu: „Dass es auch im ersten Rennen gleich so gut funktioniert hat, ist schön. Wenn es häufiger so wäre, wäre es noch schöner. Insgesamt ein paar Mal – das wär‘ schon gut.“
Im olympischen Winter kam der Skijäger auf eine Trefferquote von 71 Prozent, beim Weltcup-auftakt schraubte er die Quote auf hundert Prozent. „Ich hab‘ versucht, solide zu schießen“, sagte Kühn. Denn Probleme auf der Strecke sind dem Mann, der vor sieben Jahren im zweitklassigen IBU-CUP begann und im Dezember 2012 mit Rang 17 in Pokljuka seinen Weltcup-einstand gab, ohnehin fremd.
Im Gegenteil. „Der kann rennen“, weiß Teamkollege Lesser, im Einzel hinter Kühn und Schempp (5.) auf Rang 23 drittbester Dsv-starter, der vorab sagte: „Wenn er trifft, ist er auf alle Fälle unter den Top 15 – und hat auch das Zeug, die Zuschauer im Sprint mit einem Podestplatz zu überraschen.“
Sprint-olympiasieger Arnd Peiffer (31) kam auf Platz 52, seine Vorbereitung war allerdings kurz. Der Grund: „Ich bin Papa geworden. Das ist das Allerschönste und Wichtigste.“