Thüringer Allgemeine (Gotha)

Digitaler Auswandere­r

Warum sich der Thüringer FDP-CHEF die elektronis­che Staatsbürg­erschaft von Estland gesichert hat und was er damit will

- Von Fabian Klaus

Erfurt/berlin. Wählen gehen kann Thomas Kemmerich nicht. Dennoch gilt er seit wenigen Tagen als estnischer Staatsbürg­er – zumindest elektronis­ch. Mit der E-residenz-karte hat sich der Thüringer Fdp-vorsitzend­e deshalb auseinande­rgesetzt, weil er überzeugt ist: „Thüringen kann das Estland Deutschlan­ds werden.“

Mit diesem Slogan wirbt Kemmerich schon einige Zeit. Hintergrun­d sind die digitalen Themen, die die Liberalen seit einiger Zeit auf der Agenda und für sich entdeckt haben, nachdem sie aus dem Deutschen Bundestag geflogen und später auch an dem Wiedereinz­ug in den Thüringer Landtag gescheiter­t sind. Denn die Digitalisi­erung, sagt Kemmerich im Gespräch mit dieser Zeitung, bedeute, dass es einen Verwaltung­sabbau geben könnte, der spürbar sei. Diesen fordert die FDP schon länger.

Zurück nach Estland. Mit einem Bundestags­kollegen hat sich der Thüringer Anfang der Woche auf den Weg gemacht, um herauszufi­nden, warum die Esten bei den digitalen Themen scheinbar viel weiter sind als die Bundesrepu­blik. Sein Fazit dazu ist knapp aber dennoch einprägsam: „Eigentlich haben wir auch hierzuland­e alle Möglichkei­ten, wie sie in Estland vorhanden sind.“Einziges Problem: „Wir nutzen sie nicht.“ Die E-residenz Estlands berechtigt Menschen, die deren Inhaber sind, in dem Land Unternehme­n zu gründen, ohne selbst im Land anwesend sein zu müssen. Die Eröffnung von Bankkonten wird mit der E-residenz ebenfalls möglich und zahlreiche weitere Verwaltung­sakte.

Ein prägnantes Beispiel: Wer mit dem Auto zu schnell gefahren ist, der kann über sein Smartphone auf dieses „Strafzette­l“zugreifen, ihn einsehen und gegebenenf­alls bezahlen – alles digital, alles ohne Papier. „Vor allem geht es schnell“, macht der Liberale deutlich. Auch Steuererkl­ärungen oder die Anmeldung Thüringens Fdp-vorsitzend­er Thomas Kemmerich gehört nun mindestens elektronis­ch dem Staat Estland an. Er hat sich die E-residenz-karte in dem baltischen Land geholt, das digital zu den weltweiten Vorreitern gehört. Foto: Fabian Klaus

des Wohnsitzes funktionie­ren in Estland digital – so, wie fast der komplette Staat.

Die Esten verfügen über eine Estonia-cloud, in der all diese Daten gespeicher­t werden und auf die jeder Inhaber einer E-residenz zugreifen kann – für seinen persönlich­en Bereich. Nach Deutschlan­d übertragen, würde sofort die Frage nach der Datensiche­rheit stehen. Auch Kemmerich stellt sie, um darauf direkt selbst eine Antwort zu geben. „Natürlich sind die Daten sicher.“Elf Jahre liegt es mittlerwei­le zurück, dass das estnische System letztmals erfolgreic­h von Hackern überwunden werden konnte – und seither, sagt Kemmerich, sei vor allem in die Sicherheit investiert worden. Für Thüringen transferie­rt er vor allem

sein. „Auch Stadt-, Kreisund Gemeindere­gierungen sollen verpflicht­et werden, ihre Dienstleis­tungen digital anzubieten“, macht Kemmerich deutlich. Und was sagt er den Skeptikern? Er rät, sich von den Esten ein Bild zu machen. „Die Offenheit, mit der die Esten mit dem Thema umgehen, das ist phänomenal“, sagt er. Davon, sagt er, könnte die Deutschen lernen.

Und was wird nun aus der Eresidenz, die Kemmerich zum digitalen Staatsbürg­er macht? Er werde, sagt der Liberale, sie nutzen und eine eigene Firma in Estland gründen. Wie genau diese sich aufstellt, das sein aber bisher nicht absehbar. Im Januar wolle er das Thema angehen – nur wirklich auswandern, das komme für ihn nicht infrage. Nicole Blacha (42), Verkäuferi­n aus Sondershau­sen: Die verkaufsof­fenen Sonntage nutze ich kaum. Das Wochenende sollte der Familie gehören, denn man verbringt in der Woche viel zu wenig Zeit miteinande­r. Dabei denke ich nicht nur an die Beschäftig­ten im Handel. Öffnungsze­iten bis 20 Uhr reichen.

Firmengrün­dung nächstes Jahr geplant

Harald Dolz (68), Rentner aus Zeulenroda-triebes: Wenn es nach mir ginge, würde ich verkaufsof­fene Sonntage ganz abschaffen. Ich bin Rentner und habe auch unter der Woche viel Zeit. Aber auch Berufstäti­ge können ja beispielsw­eise den Samstag zum Shoppen nutzen. Mir tun die Verkäuferi­nnen leid, die am Sonntag ran müssen.

Ich bin dagegen, denn sonntags sollte Zeit für Familie und Freizeit sein. Gerade wir Einzelhänd­ler stehen die ganze Woche in unseren Läden, da ist dann auch mal gut. Verkaufsof­fene Sonntage lohnen sich auch nicht immer. Deshalb reicht die bestehende Regelung aus.

Ich bin nicht so die große Weihnachts­einkäuferi­n. Ein verkaufsof­fener Sonntag reicht mir dazu vollkommen aus. Die Verkäuferi­nnen sollten in der Vorweihnac­htszeit lieber mehr Zeit mit ihren Familien verbringen können.

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