Sechs Entwürfe für Rosenthal
Im Kunstverein Jena werden die Ergebnisse des Wettbewerbs zum Botho-graef-kunstpreis „Das verschwundene Bildnis“vorgestellt
Jena. Mauern durchdringende Bohrungen, die Replik einer Türklinke, eine noch zu züchtende Rose, rund eine Million Teller, Metallskulpturen und ein Preis für Zivilcourage – der Kunstverein Jena stellt nun vor, wie ein dezentrales Denkmal für Eduard Rosenthal aussehen könnte. Die unter dem Motto „Das verschwundene Bildnis – Ehre für Eduard Rosenthal“im Wettbewerb entstandenen Entwürfe sind ab Sonnabend in Jena zu sehen.
Die Aufgabe für die eingeladenen Künstler war ebenso komplex wie schwierig. Denn es gibt heute kaum greifbare Zeugnisse über den Mann, dem zu Ehren in diesem Jahr der Botho-graef-kunstpreis der Stadt Jena in Zusammenarbeit von Friedrich-schiller-universität und Kunstverein als beschränkter Wettbewerb ausgelobt wurde.
Der angesehene Rechtswissenschaftler Eduard Rosenthal (1853– 1926) gilt als Vater der Thüringer Landesverfassung von 1920 und war zweimal Rektor der Alma Mater Jenensis. Sein für die Sammlung von Professoren-porträts der Uni geschaffenes Bildnis wurde nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wegen Rosenthals jüdischer Herkunft entfernt und ist seit 1944 verschollen.
Kuratorin Verena Krieger entwickelte gemeinsam mit Studenten das Konzept eines dezentralen Denkmals für Eduard Rosenthal, das wie ein Erinnerungsnetzwerk die Wirkungsorte des Gelehrten verbinden soll. Krieger, seit 2011 Inhaberin des Lehrstuhls für Kunstgeschichte der Jenaer Universität, ist eine streitbare, über die Universität hinaus in die Zivilgesellschaft wirkende Professorin, wie schon 2013 das Jenaer Brandschutz-projekt zeigte.
Sechs Entwürfe sind entstanden, die sich auf sehr verschiedene Weise der Aufgabe annehmen. Radikal weitet die Leipziger Künstlerin Luise Schröder die Idee eines dezentralen Denkmals auf das Bundesland Thüringen als Ganzes aus. Zugleich greift sie den längst aus der Mode gekommenen, zu Rosenthals Lebzeiten aber beliebten Brauch auf, besondere Ereignisse mit einem Gedenkteller zu markieren, und entwirft genau so einen Porzellanteller mit dem sinnfällig geteilten Fotoporträt des Wissenschaftlers. Auf der Rückseite des Tellers ist zu lesen, dass er ein Geschenk an alle Privathaushalte in Thüringen ist und die Verdienste Eduard Rosenthals würdigt. Eine akribische Recherche zu den Kosten von Herstellung und Vertrieb hat die Künstlerin mitgeliefert.
Mit einem fast konventionellen Skulpturkonzept nähert sich Patricia Pisani vor allem der Leerstelle, die das Verschwinden des Porträts Eduard Rosenthals hinterlassen hat. Ihre Idee ist, große Metallplatten aufzustellen, aus denen das Porträt herausgeschnitten ist. Der Blick durch das fehlende Porträt fällt auf den Wirkungsort.
Den Gedanken einer Berührung begreifbar macht Patricia Lows Entwurf. Die Replik einer Türklinke und eines Türblatts aus der Villa Rosenthal soll vorhandene Klinken an den Wirkungsorten Rosenthals ersetzen. Je deutlicher der Stilbruch, desto mehr „stört“die „altmodische“Klinke, desto deutlicher imaginiert sie den Gedanken an einen Handschlag mit dem Demokraten und Vater der Thüringer Landesverfassung. Mit Rosenstöcken will die Künstlerin zudem an das tragische Schicksal von Rosenthals Ehefrau Clara erinnern. Wegen ihrer jüdischen Herkunft wurde die Witwe ab 1933 bis zu ihrem Suizid kurz vor ihrer Deportation Opfer von Ausgrenzung und Verfolgung.
Rosen für Rosenthal pflanzen, darauf läuft auch der Vorschlag von Michaela Melian hinaus. Sie will eine mannshohe, sandfarbene Rosenthalrose züchten lassen, die dann die Orte markieren soll, an denen er sich aufgehalten, an denen er gewirkt hat und an denen seine Nachwirkung präsent ist.
Das Künstlerpaar Stih & Schnock dagegen verwirft das Konzept eines sichtbaren Denkmals komplett und schlägt einen Eduard Rosenthal gewidmeten Preis für bürgerschaftliches Engagement, Zivilcourage und gegen Rassismus vor.
Die Idee der bohrenden Suche nach dem Mann, von dem außer seinen Schriften so wenig Greifbares geblieben ist, nehmen Fritz Hoheisel und Andreas Knitz auf. Unter dem Motto „Einblicke. Erkundungsbohrungen nach dem verschwundenen Bildnis“wollen sie die Mauern der Wirkungsorte Rosenthals durchbrechen. Der Blick durch die Bohrung eröffnet einen Blick auf sein Vermächtnis.
In den nächsten Wochen hat die Jury unter der Leitung von Jochen Gerz, Schöpfer wirkungsmächtiger Anti- und Gegendenkmale, die Qual der Wahl, unter den Einreichungen den Entwurf zu wählen, der bis 2020 realisiert werden soll. Die Entwürfe sind im Kunstverein zu sehen.
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Gezeigt wird die Ausstellung im Jenaer Kunstverein (Markt ) bis . Januar dienstags bis freitags bis Uhr, am Wochenende von bis Uhr (an Feiertagen geschlossen).