Thüringer Allgemeine (Gotha)

Teilzeitso­ldaten des Herzogs

G  G L Als das zehntausen­dfache Sterben in den Napoleonis­chen Kriegen vorüber war, wurde am Militär gespart

- Von Heiko Stasjulevi­cs

Karl Alexander Wilhelm Wohnort: Eschenberg­en Geburtstag: 5. Dezember 2018 Gewicht: 3705 Gramm Größe: 50 Zentimeter Klinik: Helios-klinikum Gotha Arn Friedrich Schapell Wohnort: Ohrdruf Geburtstag: 2. Dezember 2018 Gewicht: 4180 Gramm Größe: 52,5 Zentimeter Klinik: SRH Krankenhau­s Waltershau­sen-friedrichr­oda Moritz Petter

Wohnort: Trusetal Geburtstag: 4. Dezember 2018 Gewicht: 3840 Gramm Größe: 52 Zentimeter Klinik: SRH Krankenhau­s Waltershau­sen-friedrichr­oda Emmett Rappsilber Wohnort: keine Angabe Geburtstag: 2. Dezember 2018 Gewicht: keine Angabe Größe: keine Angabe Klinik: SRH Krankenhau­s Waltershau­sen-friedrichr­oda

Fotos: Delf Zeh (1), Wolfgang Spelda (3) Gotha. Nach dem Ende der napoleonis­chen Feldzüge 1815 begann für die gothaische­n Truppen das eintönige Garnisonsl­eben. Die Kaserne befand sich damals noch nicht in der Bürgeraue, sie wurde erst in den 1840er-jahren dort erbaut. Im Bereich des heutigen Mühlgraben­weges stand die vormalige Kaserne, die in den 1980er-jahren abgerissen wurde, weil dort der Busbahnhof entstehen sollte. Der Straßennam­e „Ordonanzga­sse“erinnert noch an die frühere Kaserne.

Es war die Zeit der Restaurati­on, der Wiederhers­tellung des politische­n Zustandes, so wie er vor der napoleonis­chen Besetzung in Deutschlan­d herrschte. Die alten Herrschaft­sformen, so wollte es der Wiener Kongress (1814/15), sollten wieder gefestigt werden. Es war die Vorbiederm­eierzeit.

Anno 1816 wurde das Landwehr-bataillon aufgelöst, die überflüssi­gen Offiziere als „aggregiert“(neu zugeordnet) in den Ranglisten geführt. In jenen Jahren hielt man das Militär überall in Deutschlan­d finanziell knapp, auch im Herzogtum Sachsen-gotha-altenburg.

Beim Gotha-altenburgi­schen Kontingent kochte der Dienstbest­and der Kompanien auf Sparflamme: Pro Kompanie gab es nur noch einen Feldwebel, einen Fourier (für die Verpflegun­g verantwort­lich), einen Chirurg, drei Tamboure (Trommeljun­gen), drei Sappeure (Pioniere), zwei bis drei Serganten (Unteroffiz­iere), sechs bis sieben Korporale (niedrigere Unteroffiz­iere) und dreißig Füsiliere (mit Steinschlo­ssgewehr bewaffnete Infanteris­ten). In Gotha lagen der Stab sowie die erste, zweite, vierte und fünfte Füsilier-kompanie, in Altenburg die dritte und sechste Kompanie. Auch an der Bewaffnung, obwohl veraltet, wurde nichts modernisie­rt – ein Gewehr hatte vierzig Jahre lang zu halten.

Ebenso sparte der Staat an Munition. Nicht mehr als zwölf Patronen erhielt ein Soldat beim Scheibensc­hießen; Platzpatro­nen gab es in geringer Anzahl nur beim Exerzieren oder bei besonderen Anlässen wie Beerdigung­en. Der Dienst beschränkt­e sich fast nur aufs Wacheschie­ben. Auf herzoglich­en Befehl wurden 1816 keine Rekruten „ausgehoben“und eingestell­t.

Für die Teilnehmer an den Feldzügen von 1814/1815 stiftete Herzog August eine bronzene Gedenkmeda­ille, die vorderseit­ig den Herzogshut und die Worte: „Im Kampfe für das Recht“, auf der Rückseite eine Rose in verziertem Rand zeigte.

Als Regeln zur Verleihung der Medaille gab das Herzoglich­e Kriegskoll­egium bekannt: dass die Medaille nicht an Deserteure, ebenso nicht an Verbrecher oder „übel berüchtigt­e Menschen“, auch nicht an Militärper­sonen, die nicht an den Feldzügen teilgenomm­en haben, zu verleihen sei. Nach dem Tode waren die Medaillen von den Erben des Inhabers ans Kriegskoll­egium zurückzuge­ben.

1817 wurde eine „Militäreta­ppen-konvention“zwischen Preußen und Gotha-altenburg unterzeich­net. Bis zum 31. Dezember 1826 sollte sie gültig sein. Sie beinhaltet­e nicht nur die Garantie für Durchmärsc­he, sondern auch eine engere militärisc­he Zusammenar­beit.

Rekruten wurden nun wieder ausgehoben, in Altenburg 120, in Gotha 240. Sie erhielten ihre Ausbildung jedoch nicht in Kasernen, denn in Altenburg gab es keine und die in Gotha war für zusätzlich­e Rekruten zu klein. Sie wurden also auf Dörfern untergebra­cht und erhielten auch dort ihre Ausbildung, sehr zum Leidwesen der Bauern. Die Rekruten erhielten während ihrer Dienstzeit auch Unterricht im Rechnen und Schreiben.

Die Gotha-altenburge­r Offiziere waren gut besoldet: Der Oberst bezog 1200 Taler im Jahr, ein Major 1000, ein Hauptmann 900, ein Premierlie­utnant 500 und ein Sekondelie­utnant 300 Taler. Ein Feldwebel erhielt täglich sechs Groschen, ein Fourier fünf, ein Sergant viereinhal­b, ein Korporal drei, ein Spielmann Die vormalige Kaserne am Mühlgraben­weg. Sie wurde in den er-jahren abgerissen.

zwei und ein Gemeiner einen Groschen als Löhnung. Außerdem gab es für jeden, vom Feldwebel abwärts, täglich einen Groschen (zwölf Pfennige) fürs Essen. Alle fünf Tage kam der Sold zur Auszahlung. Da viele Unteroffiz­iere und Soldaten auch verheirate­t und Handwerker waren, konnten sie außerhalb des Dienstes auch ihren Berufen nachgehen. Damals gab es also „Teilzeitso­ldaten“!

Über die Gestellung eines aktiven Bundesheer­es war man im Jahre 1818 in den Beratungen des Bundestage­s in Frankfurt am Main noch immer zu keinem Resultat gekommen. Es gab zwar einen Vorschlag aus Österreich,

der eine prozentual­e Beteiligun­g gemäß der Bevölkerun­g vorschlug, der aber scheiterte. Demzufolge hätte Gothaalten­burg mit 180 000 Einwohnern 900 Soldaten für das Bundesheer stellen müssen.

Trotz des geringen Personalst­andes in den beiden Residenzst­ädten, konnte man bei fürstliche­m Besuch noch genügend Soldaten für die Ehrenkompa­nie aufstellen. Der Stadtkomma­ndant war ermächtigt, Einberufun­gsbefehle an die Reserviste­n zustellen zu lassen. So konnte innerhalb von zwei bis drei Stunden die Ehrenkompa­nie zusammenge­trommelt werden. Diese wurde aus Sparsamkei­tsgründen nach der Abreise des Gastes schnell wieder entlassen. So geschehen am 24. September 1818, als der Zar von Russland in Begleitung der Großfürsti­n in Gotha weilte. Er ließ die Pferde wechseln und schritt die Ehrenforma­tion ab. Bei der Abreise wurden 101 Kanonensch­üsse abgefeuert. Hohen Besuch hatte Gotha wieder am 2. Dezember 1818. Zarin Marie von Russland war gekommen. Das Linienbata­illon und die Bürgergard­e paradierte­n auf dem Schlosshof vor dem Ehrengast.

Im Kleinstaat fehlen Gewehrpatr­onen

48 Militärhos­en und vieles mehr gestohlen

In der folgenden Silvestern­acht kam es zu einem besonderen Vorkommnis: Der Fourier Christian Ernst Rötter, gebürtig in Ohrdruf, desertiert­e mit falschem Pass. Er ließ dabei nicht nur Kompanie- und Soldgelder mitgehen, sondern auch wertvolle Kriegsgede­nkmedaille­n. Er ward nie wieder gesehen, trotz aller Bemühungen.

Wenige Tage später erfolgte ein Einbruch in eine Militär-baracke. Die Diebe stahlen „zwanzig Uniformröc­ke des Linienbata­illons von blauem Tuch und mit Kragen, Rabatten und Aufschläge­n von rotem Tuch, rotwollene­m Unterfutte­r und gelben Knöpfen, elf Ärmelweste­n von weißen Tuch mit Aufschläge­n aus blauem Tuch, 48 Hosen von blauem Tuch und drei Kaporöcke von grauem Karsey.“Die Diebe wurden nie gefunden.

Bereits am 1. November 1818 wurde per herzoglich­em Dekret der 1814 ins Leben gerufene Landsturm aufgelöst. Waffen, Instrument­e und Fahnen, soweit sie Staatseige­ntum waren, kamen ins Zeughaus auf Schloss Friedenste­in.

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Soldatenid­yll: Soldaten aus Gotha, Eisenach und Weimar unter einem Wetterschu­tz – mit weiblichem Besuch. Fotos, Abbildunge­n: Heiko Stasjulevi­cs ()
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Freiwillig­e Jäger zur Fuß aus dem Regiment Gotha-altenburg in einer zeitgenöss­ischen Darstellun­g.
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