Der tägliche Spaziergang gehört zum gesunden Altern dazu
TA-F G Dr. Henning Gockel, Chefarzt der Geriatrie in Weimar, über Krankheiten und Jungbrunnen
Über die Möglichkeiten der Geriatrie sprach Dr. Henning Gockel, Chefarzt der Klinik für Geriatrie im Sophien- und Hufeland-klinikum in Weimar beim Ta-forum Gesundheit.
Kommt jeder ältere Patient in die Geriatrie?
Nein. In der Regel kommen nur Patienten über 70 Jahre zu uns, bei denen die Erledigung von Alltagsfunktionen und die Bewahrung der Selbstständigkeit durch mehrere Erkrankungen sowie meist noch einen akuten Störfaktor – etwa einen Schlaganfall, einen Sturz mit Knochenbruch oder eine Lungenentzündung – bedroht sind.
Wann beginnt das Altern? Schon ab dem 30. Lebensjahr kommt es zu einer Abnahme der Organ- und Funktionsreserven. Das bedeutet: steckt ein junger Mensch etwa einen Beinbruch relativ locker weg, kann die gleiche Verletzung bei einem über 70-Jährigen schon zur Hilfsoder Pflegebedürftigkeit führen.
Wie kann man den altersbedingten Abbau aufhalten? Durch einige Faktoren kann das Auftreten der alterstypischen Veränderungen verzögert werden, dazu gehören regelmäßiges körperliches Training – da reicht schon ein täglicher Spaziergang – , geistige Regsamkeit, ausgewogene Ernährung. Aber auch eine harmonische Partnerschaft, körperliche Nähe und soziale Faktoren sowie vorbeugende Maßnahmen wie etwa Schutzimpfungen spielen eine Rolle. Das Training von Kraft und Ausdauer ist tatsächlich ein Jungbrunnen: Die Leistungsfähigkeit von Herz und Lunge von 70-jährigen Ausdauersportlern ist mit der von untrainierten 30-Jährigen zu vergleichen. Mit den aktuellen Siegerzeiten in der Altersklasse 70+ beim legendären Triathlon auf Hawaii, dem Ironman, hätte man 1978 den Gesamtwettbewerb gewonnen.
Welche Auswirkungen hat das Altern auf den Körpern? Unter anderem verschlechtern sich die Arbeit der Sinnesorgane sowie der Niere, zudem nehmen die Elastizität der Blutgefäße, Muskelkraft und Knochendichte ab. Dagegen nehmen Herz-, und Lungenerkrankungen zu, ebenso Diabetes mellitus und Demenzen. Mit dem Alter steigt das Risiko für Pflegebedürftigkeit, der Bedarf an Rehabilitationsmaßnahmen und auch an Hilfsmitteln nimmt zu.
Welches sind die häufigsten Erkrankungen im Alter? Die typischen Herzerkrankungen treten auf, Diabetes, Blutarmut, Parkinson, Schlaganfall, Arthrose und Osteoporose, aber auch Zahn- Probleme.
Hängen Demenzen und Alter zusammen?
Ja, Studien zeigen, dass bei Menschen über 80 das Auftreten der Demenz deutlich ansteigt. Bei den über 90-Jährigen ist fast jeder Zweite von Demenz betroffen – die gute Nachricht: mehr als jeder Zweite aber nicht.
Wie ist das mit den anderen typischen Krankheiten?
Durch die Kombination mehrerer chronischer Probleme kann es zu negativen Kettenreaktionen kommen: So können akute Entzündungen oder gar nicht so seltene Schluckstörungen eine Mangelernährung auslösen, die zum Abbau von Muskelmasse führt, was die Gefahr von Stürzen und Knochenbrüchen erhöht. Bettlägerigkeit mit der Gefahr eines weiteren körperlichen Abbaus kann die Folge sein. Zu den körperlichen Einschränkungen kommen oft noch geistige Defizite, etwa durch Demenz und Depressionen. Deshalb versuchen wir, geriatrische Patienten möglichst umfassend zu behandeln. Wie schaffen Sie das?
Indem wir ein Team mit Experten aus unterschiedlichen Fachrichtungen haben, etwa Ärzte, Pfleger, Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden und Ernährungsberater, aber auch Seelsorger und Orthopädiemechaniker.
Welche Defizite stellen sich im Alltag ein?
Es beginnt mit Schwierigkeiten bei der Haushaltsführung, dem Einkaufen, der Kontoführung, dem Bezahlen von Rechnungen, der selbst organisierten und regelmäßigen Medikamenteneinnahme oder dem Wahrnehmen sozialer Kontakte. Der Prozess kann sich dann fortsetzen mit Einschränkungen auch im Bereich der sogenannten basalen Aktivitäten des täglichen Lebens wie Körperpflege, Ankleiden, Morgentoilette und Nahrungsaufnahme.
Kann man sich selbst testen? Ja: Aus einem Sessel aufstehen, drei Meter gehen – auch mit einem Rollator – , zurücklaufen und wieder hinsetzen – das solltemanimalterin20sekunden schaffen. Das ist aber nur ein grober Anhaltspunkt. Wer bei sich selbst oder bei Angehörigen Defizite in den genannten Bereichen wahrnimmt, sollte professionelle Hilfe suchen, als erstes beim Hausarzt. Scannen Sie einfach den Code ein und sehen Sie mehr Bilder. Sollten Sie keine passende App haben, versuchen Sie es mit QR Droid (Android) oder QR Code Scanner (iphone).