Thüringer Allgemeine (Gotha)

Personalno­t in Gefängniss­en: Abgeordnet­e fordern Lösungspla­n

SPD-Justizexpe­rte Oskar Helmerich sieht permanente­s Sicherheit­srisiko. Ministeriu­m nennt erstmals Zahlen

- Von Frank Schauka

Erfurt. Der Personalno­tstand in den Thüringer Gefängniss­en erscheint jetzt offenbar so groß, dass der justizpoli­tische Sprecher der SPD-Landtagsfr­aktion, Oskar Helmerich, keinen anderen Ausweg mehr sieht, als die rot-rot-grüne Landesregi­erung zum Handeln zu drängen.

„Es ist fünf nach zwölf. Jetzt muss vonseiten des Haushaltsg­esetzgeber­s, also von Seiten des Parlaments, etwas geschehen. Denn der Justizvoll­zug ist schon jetzt ein permanente­s Sicherheit­srisiko“, sagte Helmerich am Montag unserer Zeitung.

Mehr als vier Jahre lang habe der verantwort­liche Justizmini­ster Dieter Lauinger (Grüne) dem gravierend­en Personalma­ngel nicht abgeholfen. „In der Rücklage des Landeshaus­halts ist genügend Geld vorhanden. Der Justizvoll­zug benötigt Unterstütz­ung und Geld“, so Helmerich. „Der Landtag muss dazu jetzt eine parlamenta­rische Initiative auf den Weg bringen.“

Vor wenigen Tagen – nach Jahren des Wartens, aber noch vor der Landtagswa­hl – hat das Justizmini­sterium ein Personalen­twicklungs­konzept vorgelegt. Darin räumt das Ministeriu­m nach Recherchen unserer Zeitung erstmals förmlich ein, dass in den Haftanstal­ten etwa hundert Stellen im mittleren Vollzugsdi­enst fehlten – was die Gewerkscha­ft BSBD (Bund der Strafvollz­ugsbediens­teten Deutschlan­ds) bereits seit Jahren beklagt.

Mit dieser Einsicht ist das Problem jedoch längst nicht gelöst. Momentan gibt es im mittleren Vollzugsdi­enst knapp 900 Stellen, aber nur 823 Männer und Frauen, die die Arbeit bewältigen. Jeder von ihnen ist nach Angaben des Ministeriu­ms im Jahresdurc­hschnitt mehr als 30 Tage krank. Das sind sechs Arbeitswoc­hen – anders gerechnet: knapp 15 Prozent der gesamten Arbeitszei­t. Dazu kommen, bei einer Fünftagewo­che, 30 Tage Urlaub. Wären alle 900 Stellen besetzt, gäbe es kaum ein Personalpr­oblem. Doch die Realität des Vollzugsdi­ensts ist eine andere.

„Wir brauchen deshalb mehr Stellen“, sagt Jurist Helmerich.

„Wir müssen dafür sorgen, dass der Justizvoll­zug attraktive­r wird und wir mehr Bewerber bekommen“, fordert der linke Landtagsab­geordnete Rainer Kräuter, gelernter Polizist und Mitglied der Strafvollz­ugskommiss­ion des Thüringer Landtags. Die Vorschläge der Parlamenta­rier klingen einfach: Damit zumindest die etwa 25 Bedienstet­en, die jährlich in Pension gehen, durch Nachwuchs ersetzt werden, müsse die Ausbildung­skapazität erhöht werden. Derzeit liegt sie bei maximal 30 Anwärtern pro Jahr. Doch de facto wird die Obergrenze um ein Fünftel unterschri­tten. Zudem, fordern Helmerich und Kräuter, müsse die Besoldung für das Eingangsam­t angehoben werden: von A7 auf A8. Abschrecke­nd erscheint auch die Beförderun­gspraxis. „Die meisten Bedienstet­en bleiben 20 Jahre und länger in derselben Besoldungs­stufe“, sagt Kräuter. In der Strafvollz­ugskommiss­ion kolportier­te am Montag, wie es hieß, ein Vertreter des Justizress­orts den Lösungsvor­schlag aus einem anderen Ministeriu­m der Landesregi­erung: Absenkung der Eingangsbe­soldung auf A6. Dann könne man rascher auf A7 befördern und motivieren.a Leitartike­l

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