Personalnot in Gefängnissen: Abgeordnete fordern Lösungsplan
SPD-Justizexperte Oskar Helmerich sieht permanentes Sicherheitsrisiko. Ministerium nennt erstmals Zahlen
Erfurt. Der Personalnotstand in den Thüringer Gefängnissen erscheint jetzt offenbar so groß, dass der justizpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Oskar Helmerich, keinen anderen Ausweg mehr sieht, als die rot-rot-grüne Landesregierung zum Handeln zu drängen.
„Es ist fünf nach zwölf. Jetzt muss vonseiten des Haushaltsgesetzgebers, also von Seiten des Parlaments, etwas geschehen. Denn der Justizvollzug ist schon jetzt ein permanentes Sicherheitsrisiko“, sagte Helmerich am Montag unserer Zeitung.
Mehr als vier Jahre lang habe der verantwortliche Justizminister Dieter Lauinger (Grüne) dem gravierenden Personalmangel nicht abgeholfen. „In der Rücklage des Landeshaushalts ist genügend Geld vorhanden. Der Justizvollzug benötigt Unterstützung und Geld“, so Helmerich. „Der Landtag muss dazu jetzt eine parlamentarische Initiative auf den Weg bringen.“
Vor wenigen Tagen – nach Jahren des Wartens, aber noch vor der Landtagswahl – hat das Justizministerium ein Personalentwicklungskonzept vorgelegt. Darin räumt das Ministerium nach Recherchen unserer Zeitung erstmals förmlich ein, dass in den Haftanstalten etwa hundert Stellen im mittleren Vollzugsdienst fehlten – was die Gewerkschaft BSBD (Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands) bereits seit Jahren beklagt.
Mit dieser Einsicht ist das Problem jedoch längst nicht gelöst. Momentan gibt es im mittleren Vollzugsdienst knapp 900 Stellen, aber nur 823 Männer und Frauen, die die Arbeit bewältigen. Jeder von ihnen ist nach Angaben des Ministeriums im Jahresdurchschnitt mehr als 30 Tage krank. Das sind sechs Arbeitswochen – anders gerechnet: knapp 15 Prozent der gesamten Arbeitszeit. Dazu kommen, bei einer Fünftagewoche, 30 Tage Urlaub. Wären alle 900 Stellen besetzt, gäbe es kaum ein Personalproblem. Doch die Realität des Vollzugsdiensts ist eine andere.
„Wir brauchen deshalb mehr Stellen“, sagt Jurist Helmerich.
„Wir müssen dafür sorgen, dass der Justizvollzug attraktiver wird und wir mehr Bewerber bekommen“, fordert der linke Landtagsabgeordnete Rainer Kräuter, gelernter Polizist und Mitglied der Strafvollzugskommission des Thüringer Landtags. Die Vorschläge der Parlamentarier klingen einfach: Damit zumindest die etwa 25 Bediensteten, die jährlich in Pension gehen, durch Nachwuchs ersetzt werden, müsse die Ausbildungskapazität erhöht werden. Derzeit liegt sie bei maximal 30 Anwärtern pro Jahr. Doch de facto wird die Obergrenze um ein Fünftel unterschritten. Zudem, fordern Helmerich und Kräuter, müsse die Besoldung für das Eingangsamt angehoben werden: von A7 auf A8. Abschreckend erscheint auch die Beförderungspraxis. „Die meisten Bediensteten bleiben 20 Jahre und länger in derselben Besoldungsstufe“, sagt Kräuter. In der Strafvollzugskommission kolportierte am Montag, wie es hieß, ein Vertreter des Justizressorts den Lösungsvorschlag aus einem anderen Ministerium der Landesregierung: Absenkung der Eingangsbesoldung auf A6. Dann könne man rascher auf A7 befördern und motivieren.a Leitartikel