Thüringer Allgemeine (Gotha)

Auf Abruf

Der FDP-Landesvors­itzende Thomas Kemmerich

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uns nicht zum Steigbügel­halter der CDU machen lassen“, sagte er, die letzte schwarz-gelbe Koalition habe als „Desaster“für die FDP geendet. Allerdings richtete sich seine Abneigung insbesonde­re gegen Angela Merkel. „Wer sich mit dieser Bundeskanz­lerin ins Bett legt, kommt darin um“, sagte er.

Doch nachdem wunschgemä­ß die Sondierung­en für das sogenannte Jamaika-Bündnis scheiterte­n, sitzt Kemmerichs FDP in der Opposition, in der die Bänke bekanntlic­h besonders hart sind. Die Gesetze werden allesamt von CDU, CSU und SPD gemacht. Wenn es nicht gerade um eine Verfassung­sänderung wie für den Digitalpak­t geht, sind die Liberalen nicht gefragt.

Dennoch möchte der Abgeordnet­e nicht klagen. Er sitze, sagt er, in seinem Lieblingsa­usschuss, dem für Wirtschaft und Energie. „Ich finde die Arbeit dort hoch spannend.“Zuweilen seien dort Konzernche­fs eingeladen oder Experten. „Vor allem in der Dieselaffä­re konnte ich mal richtig hinter die Kulissen schauen.“

Sechs kurze Reden hat er laut der Datenbank des Bundestags gehalten, darunter zur Wiedereinf­ührung der Meisterpfl­icht oder zum neuen Gesetz über die Akkreditie­rungsstell­en, die wiederum Zertifizie­rungsstell­en wie den Tüv kontrollie­ren. Es wurde natürlich trotz der Kritik Kemmerichs („Schaden für den Verbrauche­r, Schaden für die Wirtschaft“) von der Koalitions­mehrheit beschlosse­n.

Die Gesetzesno­velle, sagt der Abgeordnet­e, sei ein eindrückli­ches Beispiel für die Überreguli­erung in Deutschlan­d. Sein wichtigste­s politische­s Ziel sei es deshalb, die Bürokratie für die Unternehme­n zu mindern.

Auch der Rest der Forderunge­n, die er im Café vorträgt, entspricht dem klassische­n, wirtschaft­sliberalen Kanon: Steuern senken oder, wie beim Solizuschl­ag, ganz abschaffen, die Digitalisi­erung beschleuni­gen, den Mittelstan­d stärken.

Zu diesem Mittelstan­d gehört Kemmerich selbst. Er ist Chef einer Friseurket­te mit, wie er sagt, 150 Mitarbeite­rn und fünf Millionen Euro Jahresumsa­tz. Das heißt, genau genommen ist er Vorstandsv­orsitzende­r einer Aktiengese­llschaft, die 20 Geschäfte in Thüringen besitzt – und sogar zwei an seinem parlamenta­rischen Arbeitsort Berlin.

Nebenher hat der Unternehme­r eine alte Weimarer Uhrenmarke reanimiert. Eines der nicht ganz billigen und nicht ganz schmalen Produkte, die allerdings in Antwerpen gefertigt werden, trägt er am Arm.

Kemmerich ist das, was man einen Wossi nennt. Geboren 1966 in Aachen, studierte er in Bonn Jura und absolviert­e eine kaufmännis­che Ausbildung. Im Sommer 1989 reiste er das erste Mal zur Verwandtsc­haft eines Studienfre­undes in die südliche DDR. Nach dem Mauerfall, am 11.11., kam er dann nach Erfurt, um zu bleiben.

Er gründete eine Unternehme­nsberatung und bastelte bald aus einer Produktion­sgenossens­chaft und den Rudimenten des DDR-Dienstleis­tungskombi­nats seine Friseurfir­ma zusammen. Das Private: Er heiratete eine Hiesige, sechs Kinder werden geboren, drei Töchter, drei Söhne, die Großen studieren inzwischen längst. Der Rest war der Erfurter Karneval, in dem Kemmerich zu einer Art Multifasch­ingsfunkti­onär wurde.

Erst mit 40 in die FDP

In die FDP trat Kemmerich erst 2006 ein, mit 40 – um dafür aber umso stärker nach oben zu drängen. Sofort wurde er Landeschef der parteinahe­n Mittelstan­dsvereinig­ung, ein Jahr später übernahm er den Vorsitz im mächtigen Kreisverba­nd Erfurt.

Auf dem Listenplat­z 3 gelangte er 2009 als Abgeordnet­er in den Landtag, wo er in Nadelstrei­fen und Cowboystie­feln gerne den Vorkämpfer gegen Linke, Grüne und Mindestloh­n gab. Seine Friseurfir­ma führte er da schon nur noch formal, „eher wie ein Aufsichtsr­atschef, wie er sagt, nicht wie ein Vorstand.

Dem historisch­en Rauswurf der FDP aus dem Bundestag 2013 folgte ein Jahr später der parlamenta­rische Exit in Thüringen. Nach einigem innerparte­ilichen Hin und Her schaffte es Kemmerich immerhin, sich Ende 2015 den Landesvors­itz zu sichern – und damit später auch die Spitzenkan­didatur für die Bundestags­wahl 2017.

Schon damals sagte er, dass Berlin für ihn nur ein Zwischensp­iel bleiben solle, aus politische­n, aber auch aus familiären Gründen. Das eigentlich­e, das zentrale Ziel sei für ihn die Rückkehr in den Landtag, natürlich unter seiner Führung.

Und so steht Thomas Karl Leonard Kemmerich längst auf Platz 1 der Landeslist­e, als FDPChef, Bundestags­abgeordnet­er und Minister auf Abruf.

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ARCHIV-FOTO: DANIEL VOLKMANN Immer schön cool lächeln: Thomas Kemmerich.

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