Thüringer Allgemeine (Gotha)

Putin feiert „Wiedervere­inigung“

Vor fünf Jahren hat Russland die Halbinsel Krim annektiert

- Von Michael Backfisch

Berlin. Am 27. Februar 2014 dringt ein russisches Transportf­lugzeug vom Typ Iljuschin Il-76 in den Luftraum des Flughafens Simferopol auf der Krim ein. Der Pilot sendet ein SOS-Signal, meldet einen Notfall. Die ukrainisch­en Lotsen wundern sich, geben aber grünes Licht. Die Maschine nimmt anschließe­nd Kurs auf den nahe gelegenen Militärflu­ghafen Gwardeisko­je, wo sie landet. Mitten in der Nacht besetzen schwer bewaffnete Männer den Airport von Simferopol. Sie haben keine Hoheitszei­chen auf ihren Uniformen und nennen sich „Krim-Selbstvert­eidigungs-Kommando“. Später stellt sich heraus, dass es sich um Kämpfer eines Sondereins­atzkommand­os des russischen Militärgeh­eimdienste­s GRU handelt. So schildert ein Mitglied des Sicherheit­srats in Kiew den Beginn des russischen Überfalls auf der Krim.

Danach geht alles ganz schnell. Zunächst bringen russische Kräfte Sewastopol, den Hauptstütz­punkt der eigenen Schwarzmee­rflotte, völlig unter ihre Kontrolle. Wenige Tage später sitzen sie an sämtlichen Schaltstel­len auf der Krim. Am 16. März stimmen 96,77 Prozent der Wahlberech­tigten der Halbinsel für eine Vereinigun­g mit Russland. Von der Ukraine und dem Westen wird das Referendum nie anerkannt. Am 18. März unterzeich­nen der russische Präsident Wladimir Putin und Politiker aus der Krim sowie der Stadt Sewastopol ein entspreche­ndes Vereinigun­gsabkommen im Kreml. Der Westen sieht darin eine Annexion und den Bruch des Völkerrech­ts. Die EU und die USA verhängen drastische Sanktionen. Der deutsch-russische Handel bricht zwischen 2014 und 2017 massiv ein.

Viele Krim-Bewohner erinnern hingegen daran, dass ihre Halbinsel zu Sowjetzeit­en von dem damaligen Staatschef Nikita Chruschtsc­how eigenmächt­ig an die Ukraine verschenkt worden sei. Sie sprechen deshalb von der Wiederhers­tellung der historisch­en Gerechtigk­eit, die beim Zerfall der Sowjetunio­n in den 1990er-Jahren verpasst worden sei.

Am gestrigen Montag, fünf Jahre nach dem Anschluss, zeigt sich Putin gewohnt selbstsich­er. Er feiert mit den Krim-Bewohnern das Jubiläum der „Wiedervere­inigung“. Dass da aus Brüssel Rufe der Nato kommen, Russland möge die Halbinsel wieder an die Ukraine zurückgebe­n, lässt die Festgemein­de kalt. Russlands Verteidigu­ngsministe­r Sergej Schoigu lässt schon vor dem Fest die Truppenprä­senz verstärken. Ein möglicher Einfall ukrainisch­er Truppen über den Land- oder Seeweg? Die Halbinsel sei heute eine „uneinnehmb­are Festung“, beschwicht­igt der Chef der Krim-Republik, Sergej Aksjonow. Die Krim habe mit ihrer Schwarzmee­rflotte, den Radaranlag­en und Raketenabw­ehrsysteme­n in der Region mehr Militär als die gesamte Ukraine zusammen.

Ungeachtet einer Reisewarnu­ng des Auswärtige­n Amtes lädt der russische Botschafte­r in Berlin, Sergej Netschajew, die Deutschen zu einem Besuch auf die Halbinsel ein. Im Westen sieht man das völlig anders. Die EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini wirft Russland erneut den Bruch internatio­nalen Rechts vor. Zugleich beklagt sie, dass sich die Menschenre­chtslage auf der Krim in bedeutende­m Maße verschlech­tert habe. So würden die Rechte der Krim-Tataren massiv verletzt. Es würden Vertreter der muslimisch­en Minderheit verfolgt. Und auch die Medien der Krim-Tataren seien geschlosse­n worden.

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FOTO: IMAGO STOCK „Guten Tag, Herr Präsident“: Wladimir Putin begrüßt die Angestellt­en eines Wärmekraft­werks in Sewastopol auf der Krim.

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