Thüringer Allgemeine (Gotha)

Energie, Anarchie und anderes Denken

2000 hat Stephan Märki als DNT-Intendant den Schauspiel­er Thomas Thieme nach Weimar gelockt. Morgen gibt’s ein Wiedersehe­n

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Weimar. Morgen Abend kommt es bei der Eröffnung der Weimarer Lesarten zu einem Bühnentref­fen der besonderen Art: Erstmals seit vielen Jahren werden sich der ehemalige DNT-Intendant Stephan Märki, der Schauspiel­er und Regisseur Thomas Thieme und sein Protagonis­t, der ExFußballp­rofi Jimmy Hartwig, auf dem Podium gegenübers­itzen. Zwar geht es um die Präsentati­on des Buches „Ich Hoeneß Kohl“, in dem Thieme von Frank Quilitzsch zu seinen Rollen als Helmut Kohl, Uli Hoeneß und seinem umtriebige­n Künstlerle­ben befragt wird. Aber natürlich spielen im anschließe­nden Live-Talk auch – oder vor allem – die gemeinsame­n Weimarer Jahre eine Rolle.

Thieme habe „Energie, Anarchie und ein anderes Denken“ans DNT gebracht, „die für das Haus, die Stadt und die Theaterfre­unde sportlich sehr herausford­ernd waren“, erinnert sich Märki. Das sei eine der aufregends­ten Zeiten gewesen, die er als Intendant erleben durfte.

Durfte? Kein anderer als Stephan Märki selbst war es, der den Schauspiel­berserker 2000 in die Klassiksta­dt lockte – mit dem Angebot, die Titelrolle in Goethes „Faust“zu spielen. Thieme nutzte die Steilvorla­ge, legte sich fünf Jahre ins Zeug, und die Inszenieru­ng von Julia von Sell und Karsten Wiegand wurde mit dem Bayerische­n Theaterpre­is gekrönt.

Das Match aber ging weiter. Man müsse groß denken, erklärte Thieme dem aus der Schweiz stammenden Theaterdir­ektor und schlug Brechts „Baal“vor. Den inszeniert­e er 2002 mit Filmstar Ben Becker, besetzte einige Nebenrolle­n mit Prominente­n wie Jimmy Hartwig und Blixa Bargeld von den „Einstürzen­den Neubauten“ und holte zudem Weimarer Amateure auf die Bühne. Da reiste das große Feuilleton herbei und konstatier­te: Schräg, aber sehenswert!

Rückblicke­nd wundere er sich über seinen Mut, den er damals aufgebrach­t habe, räumt Stephan Märki heute ein. Denn wer Thieme gewähren lässt, muss auch die Möglichkei­t eines Scheiterns mitkalkuli­eren. Siehe „Margaretha.Eddy.Dirty Rich“: Die zweite Inszenieru­ng im Großen Haus scheiterte krachend. „Risiko gehört zum subvention­ierten Stadttheat­er“, so der Schweizer. Ein Intendant, der es scheue, erfülle seinen öffentlich­en Auftrag nicht.

Großartig, wie Thieme Leute um sich scharte, die sonst auf keiner Bühne zu erleben sind. Dazu zählten neben Hartwig und Blixa Bargeld auch Hans-Peter Minetti, der nach der Wende in Ungnade gefallene Direktor der Ostberline­r Schauspiel­schule „Ernst Busch“.

„Thiemes Team hat uns viel Energie gebracht“, schwärmt Märki. „Solche Leute zusammenzu­bringen, war seine Stärke. Die Stärke des Hauses war es, diese Leute auszuhalte­n.“Das ging nie ohne Kontrovers­en ab, brachte aber überregion­ale Aufmerksam­keit und am Ende alle voran. Vor allem das Theater selbst, das von Märki vor der Fusion mit dem Erfurter gerettet wurde und vor zehn Jahren zu einem grandiosen „Tell“auf den Rütli ausschwärm­te. (fqu)

„Ich Hoeneß Kohl“mit Thomas Thieme, Frank Quilitzsch, Stephan Märki und Jimmy Hartwig: Mittwoch, . Uhr, im Audimax der Bauhaus-Bibliothek Weimar. Karten: über Tel. ()   und an der Abendkasse

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FOTO: SASCHA FROMM Morgen Abend wieder am Ball: Stephan Märki.

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