Das DFB-Team der Zukunft
Leroy Sane führt die Nationalmannschaft künftig nicht nur modisch an. Bundestrainer fehlt nach Zahn-Operation
Wolfsburg. Dass ein Teil der Zukunft nicht gerade schüchtern auftritt, konnten die wenigen Fans bestaunen, die sich am Montag in Wolfsburg zum Mannschaftshotel der deutschen Nationalmannschaft aufgemacht hatten. Da marschierte Leroy Sané bei der Ankunft der Nationalspieler in einer weißen Pelzjacke ein, gesprenkelt mit bunter Farbe – auf dem Rücken ein Rucksack, der den Wert eines Mittelklassewagens besitzt. Nun gut. Joachim Löw hat den 23-Jährigen ja nicht aufgrund seines Modegeschmacks eingeladen, sondern weil Sané auf dem Rasen für Wirbel sorgen soll.
Der Bundestrainer selbst fehlte gestern noch, ihn schwächte eine Zahnoperation. Was ins Bild passt, denn Löw hat bei seiner Mannschaft selbst einen chirurgischen Eingriff vorgenommen, einen lange wichtigen Teil weggeschnitten. Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng wurden vor dem Testspiel am Mittwoch (20.45 Uhr/ RTL) gegen Serbien aussortiert. Die Nationalelf soll sich weiterentwickeln. Sie soll einen neuen Körper bilden, um bei der Europameisterschaft 2020 möglichst um den Titel zu kämpfen.
Der Kopf, der führt, besteht nun vor allem aus Manuel Neuer (32) und Toni Kroos (29). Beide sind die letzten Verbliebenen, die im triumphalen WM-Finale 2014 in Rio auf dem Rasen standen. Beide müssen allerdings auch um ihre Position kämpfen. Torhüter Neuer trägt weiterhin die Kapitänsbinde, hat mit MarcAndré ter Stegen (26) aber einen ernstzunehmenden Konkurrenten. Kroos wiederum sucht bei Real Madrid gerade nach dem Glanz vergangener Tage. Deswegen dürfte auch Marco Reus (29) eine wichtige übernehmen.
Der Rumpf, der lenkt, besitzt weiterhin eine Menge Potenzial. Im Mittelfeld ballt sich Qualität. Ilkay Gündogan (28), Kai Havertz (19), Julian Brandt (22), Leon Goretzka (24) und Joshua Kimmich (24) können alle gestalten. „Wir wollen noch mehr Verantwortung übernehmen“, meint Brandt, der schon beim WM-Aus 2018 ein kleiner Lichtblick war.
Das Rückgrat, das für Sicherheit sorgt, fällt durch breite Führungsrolle Schultern auf. Niklas Süle (23) wird zukünftig die Führungsrolle in der Verteidigung übernehmen, weil er nicht nur ein Hüne ist, sondern auch noch über enormes Tempo verfügt. Löw hat den Bayern-Verteidiger bereits in die Pflicht genommen. An Süles Seite wird vermutlich Antonio Rüdiger (26) Gegentore verhindern. Auch Matthias Ginter (25) bietet sich an.
Die schnellen Beine, die unberechenbar machen, haben Serge Gnabry (23), Timo Werner (23) und Leroy Sané (23). Alle drei können einem Spiel etwas Wildes geben. Gut. Denn: „Wir müssen die Dynamik und Schnelligkeit verbessern“, meint Bundestrainer Löw.
Das frische Blut, das neue Impulse gibt, fließt diesmal durch Niklas Stark (23), Lukas Klostermann (22) und Maximilian Eggestein (22) in die Mannschaft. „Sie sollen ankommen, sich eingewöhnen, konzentriert arbeiten“, sagt Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff. „Ich bin ein bisschen angespannt, aber ich bin froh, hier dabei zu sein“, berichtet Stark. „Ich gebe Gas.“
Das soll er auch, genauso wie andere Neue, die in Zukunft vielleicht noch dazustoßen werden. Nach dem Testspiel beginnt am Sonntag (20.45 Uhr/RTL) in den Niederlanden die EM-Qualifikation, keine anderthalb Jahre später startet das Turnier.
Spätestens dann wird sich zeigen, ob sich der chirurgische Eingriff von Joachim Löw gelohnt hat. Oder ob er ein Fehlgriff war. So wie die Jacke von Leroy Sané.