Thüringer Allgemeine (Gotha)

Der richtige Ton

- Martin Debes über einen Präsidente­n mit Ost-Zugang

Es war eine Lehrerin in Greußen, die gestern Frank-Walter Steinmeier an seinen Jahrestag erinnern musste. Er habe doch am 19. März 2017 sein Amt als Bundespräs­ident angetreten, sagte sie, also vor genau zwei Jahren. Glückwunsc­h!

„Mensch, da habe ich noch gar nicht dran gedacht“, rief der Präsident und lachte. Seine Überraschu­ng wirkte glaubhaft, weil man den öffentlich­en Menschen Steinmeier so kennt.

Egal, ob er nun Kanzleramt­sminister, Fraktionsc­hef oder Außenminis­ter war: Immer nahm er sich selbst zurück. Dies erschien sympathisc­h, aber auch oft genug übervorsic­htig und beamtenhaf­t.

Als Parteipoli­tiker, etwa bei seiner Kanzlerkan­didatur, schadete ihm diese Anmutung zuweilen. Als Bundespräs­ident nützt sie ihm eher. Denn noch mehr als im Außenamt ist es hier wichtig, zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Ton zu finden. Dies schafft er zunehmend, wie zuletzt bei seiner großen Rede zu 100 Jahren Reichsverf­assung in Weimar.

Auch wenn dieser Präsident bestimmt etwas mehr Ausstrahlu­ng vertragen könnte: Interessan­terweise ist es inzwischen der Westfale Steinmeier, der präziser als sein ostdeutsch­er Vorgänger oder die Bundeskanz­lerin aus Templin die hiesigen Befindlich­keiten anspricht.

Mag sein, dass dies auch daran liegt, dass der Präsident inzwischen halber Brandenbur­ger ist, oder daran, dass gerade wieder alle wegen der Wahlen und der AfD über den Osten reden. Dennoch zeigte sich gestern in Nordthürin­gen wieder einmal, dass es manchmal gar nicht so sehr darauf ankommt, woher jemand kommt – sondern darauf, was er sagt und tut.

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