Thüringer Allgemeine (Gotha)

Steinmeier: Ländliche Regionen dürfen nicht geräumt werden

Der Bundespräs­ident stellt sich in Thüringen gegen Forderunge­n, vor allem größere Städte finanziell zu fördern

- Von Martin Debes

Erfurt/Greußen. Im Streit um die Förderpoli­tik in Ostdeutsch­land hat sich Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier dafür ausgesproc­hen, die ländlichen Regionen zu stärken. „Gerade in einem Land wie Thüringen, in dem zwei Drittel der Menschen im ländlichen Raum wohnen, kann es keine Entscheidu­ng sein, den ländlichen Raum nicht mehr zu fördern“, sagte er am Dienstag auf Nachfrage der Thüringer Allgemeine­n. Wenn das Land vernachläs­sigt werde, sinke die Lebensqual­ität und fehlten Perspektiv­en. Darüber hinaus würde die Unterhaltu­ng der Infrastruk­tur für immer weniger Menschen noch teurer.

Steinmeier reagierte damit auf das jüngste Gutachten des Leibniz-Instituts für Wirtschaft­sforschung Halle (IWH). Darin hatten die Volkswirts­chaftler empfohlen, die ostdeutsch­en Städte stärker zu fördern, um Anschluss an das westdeutsc­he Niveau zu erhalten. Staatliche­s Fördergeld solle künftig vor allem in Ballungsze­ntren fließen. „Das Bestehen auf gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse in Deutschlan­d hat in die Irre geführt“, sagte IWH-Chef Reint Gropp.

Diese Aussagen hatten für Empörung in der ostdeutsch­en Politik gesorgt. Thüringens Regierungs­chef Bodo Ramelow (Linke) warnte davor, auf dem Land „Wüstungen“entstehen zu lassen. Allein in Thüringen gebe es 62 Unternehme­n auf dem Land, die internatio­nal mit an der Spitze stünden.

Auch Steinmeier distanzier­te sich von Gropps Schlussfol­gerungen. Zwar sei es sinnvoll, über die Effizienz staatliche­r Förderung nachzudenk­en, sagte er. Aber ländliche Regionen dürften nicht geräumt werden. „Die Menschen brauchen Heimat und Lebenspers­pektiven“, so Steinmeier.

Der Bundespräs­ident äußerte sich am Rande einer Besuchstou­r durch Nordthürin­gen. Neben einem Schachtbau­Unternehme­n in Nordhausen besuchte er eine Gemeinscha­ftsschule in Greußen (Kyffhäuser­kreis) und das Erlebnisbe­rgwerk in Sondershau­sen. Zudem debattiert­e er mit Jugendlich­en und ehrenamtli­ch engagierte­n Bürgern. Auf TA-Nachfrage, ob der Bund nach dem Auflaufen des Solidarpak­tes II in diesem Jahr stärker ländliche Regionen fördern müsse, sagte Steinmeier, dass ja zuletzt wieder der Anspruch diskutiert werde, gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse in Deutschlan­d herzustell­en. „Das kann nicht Gleichheit der Lebensverh­ältnisse heißen, aber erinnert an die Verantwort­ung der Politik, das Leben auch abseits der großen Städte und Ballungsrä­ume lebenswert zu erhalten.“

Auch die Union im Bundestag distanzier­te sich am Dienstag deutlich von der IWH-Studie. Anders als von den Wissenscha­ftlern behauptet, hätten ländliche Räume in Deutschlan­d ein hohes Entwicklun­gspotenzia­l, erklärte der CDU-Abgeordnet­e Christian Haase für die kommunale Arbeitsgru­ppe seiner Fraktion. „Ländliche Räume sind kein bewohntes Freilichtm­useum und mehr als nur Naherholun­gsgebiete für Stadtbewoh­ner“, sagte Haase. Sie seien die Heimat für die Mehrheit der in Deutschlan­d lebenden Menschen. Stadt und Land dürften nicht gegeneinan­der ausgespiel­t werden.

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FOTO: SASCHA FROMM Glück auf: Frank-Walter Steinmeier im Schaubergw­erk Sondershau­sen.

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