Thüringer Allgemeine (Gotha)

Auch in Länder mit schwachen Sozialsyst­emen darf abgeschobe­n werden EuGH urteilt: Nur gravierend­e Versorgung­smängel sind Abschiebeh­indernis. 2018 scheiterte­n fast 34.000 Überstellu­ngen in europäisch­e Staaten

-

Luxemburg. Deutschlan­d darf einen Asylbewerb­er einem Urteil des höchsten EU-Gerichts zufolge wegen Unzuständi­gkeit in ein anderes europäisch­es Land abschieben, auch wenn das Sozialsyst­em dort mangelhaft ist. Eine solche Überstellu­ng sei nur dann verboten, wenn die Schwachste­llen besonders gravierend seien, urteilten die Richter des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH) am Dienstag in Luxemburg. Dies sei dann der Fall, wenn der Betroffene sich dort in extremer materielle­r Not befinde, elementars­te Bedürfniss­e nicht befriedige­n könne oder er verelenden würde.

Hintergrun­d der EuGH-Urteile sind mehrere Fälle, bei denen deutsche Gerichte den EuGH um Auslegung der EU-Asylregeln gebeten hatten. In einem Fall sollte ein Mann aus Gambia nach Italien abgeschobe­n werden, weil er dort bereits einen Asylantrag gestellt hatte. Dies scheiterte jedoch, weil er nicht in seiner Unterkunft war. Später argumentie­rte der Mann, seine Abschiebun­g sei unzulässig, weil die Bedingunge­n für Asylbewerb­er und die Verhältnis­se für Flüchtling­e in Italien systematis­che Schwachste­llen aufwiesen. Der Verwaltung­sgerichtsh­of Baden-Württember­g bat den EuGH deshalb um Auslegung der Dublin-Regeln. Zudem wollten die Richter wissen, welche Regeln gelten, wenn ein wegen mangelnder Zuständigk­eit abgelehnte­r Asylbewerb­er nicht abgeschobe­n werden kann, weil er unauffindb­ar ist.

2018 scheiterte­n nach Angaben des Innenminis­teriums knapp 34.000 solcher Überstellu­ngen in einen anderen europäisch­en Staat. In mehr als der Hälfte war der Betroffene unauffindb­ar. Nach der Dublin-Regel ist normalerwe­ise das Land für Schutzsuch­ende zuständig, in dem sie zuerst europäisch­en Boden betreten haben.

Nach Angaben des Innenminis­teriums schiebt Deutschlan­d nach Ungarn, Griechenla­nd und Bulgarien derzeit nur sehr begrenzt oder gar nicht ab. Es sei nicht sichergest­ellt, dass der Umgang mit den Migranten in diesen Ländern EU-Recht entspreche. (dpa)

Newspapers in German

Newspapers from Germany